Betongold Warum Immobilien nicht immer die perfekte Altersvorsorge sind

Immobilien gelten angesichts niedriger Zinsen und der verbreiteten Angst vor Geldentwertung als ideale Altersvorsorge. Warum sie das nicht immer sind, und was Vermieter bei der Vorsorge beachten müssen.

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Der ganze Stolz eines Häuslebauers ist nicht unbedingt die perfekte Altersvorsorge. Quelle: imago/caro

Ehepaar G. wird von vielen beneidet. Die Doppelverdiener machen exotische Reisen, haben an der Ostsee ein Segelboot und leben in einer schicken Altbauwohnung in Hamburg-Eppendorf. Allerdings nur zur Miete. Und die ist angesichts der zentralen Lage entsprechend hoch. Für zwei Gutverdiener ist das kein Problem. Aber im Alter belasten die regelmäßigen Kosten die Rentenkasse. Herr G., selbstständiger Berater, hat sogar schon ein wenig Ruhestandsluft geschnuppert. Als sich eine Gelegenheit bot, stieg er aber wieder ins Geschäft ein. Sicher ist sicher.

Freunde der Hamburger haben sich anders entschieden. Sie wohnen schon länger in einer Doppelhaushälfte auf dem Land, zwischen Hamburg und Kiel. Noch zahlen sie zwar ihren Kredit ab, aber bis zur Rente wird das Häuschen schuldenfrei sein. „Wer zur Miete wohnt, zahlt doch im Laufe seines Lebens ein Haus ab“, sagen sie mit Blick auf ihre Bekannten im noblen Eppendorf.  

Wäre Ehepaar G. besser dran, wenn es die schicke Altbauwohnung nicht zur Miete bewohnen würde, sondern sie vor einigen Jahren gekauft hätte? Wer fährt langfristig besser – der Immobilienbesitzer oder der Mieter, der sein Geld regelmäßig anlegt?

Betongold ist in

Auf den ersten Blick spricht viel für Immobilien als Altersvorsorge. Angesichts der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt setzen Sparer stärker denn je auf die eigenen vier Wände. Meinungsforscher von Allensbach fanden im Auftrag der Postbank heraus, dass jeder dritte Berufstätige eine Immobilie kaufen und bewohnen möchte, um vorzusorgen. Zwei Drittel der Deutschen sehen Immobilien demnach als „ideale Form der Altersvorsorge“, auch in Form von Bausparverträgen oder vermieteten Objekten. Zum Vergleich: Nur noch fünf Prozent planten, eine Lebensversicherung mit Kapitalbildung abzuschließen. Auch für eine Riester-Versicherung interessierten sich gerade einmal neun Prozent der Berufstätigen, die ihre Altersvorsorge ausbauen wollten.

Dossier Lebensversicherer

Viele Hausbesitzer oder Vermieter ruhen sich allerdings auf ihrer steinernen Reserve aus. Das ist ein Fehler. Abhaken können auch Immobilienbesitzer das Thema nicht. Der Immobilien-Himmel nicht wolkenlos. Zuletzt räumte eine Studie der Beratung Empirica im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) mit dem Vorurteil auf, Immobilien seien pauschal bestens für die Vorsorge geeignet.

Wohnen oder Vermieten?

Grundsätzlich unterscheiden Experten dabei zwischen selbstgenutzten und vermieteten Häusern oder Wohnungen. „Wird die Immobilie selber bewohnt, ist sie schon ein wertvoller Teil der Altersvorsorge“, sagt Reiner Braun, einer der Verfasser der Empirica-Studie. Allerdings spiele der Renditeaspekt in dem Fall keine so große Rolle. „Was zählt ist die gesparte Miete, weniger die Wertsteigerung meines Hauses“, so Braun. Außerdem sei eine Immobilie immer noch ein gutes Sparziel. Empirische Studie belegen, dass Häuslebauer oder –käufer eher sparsam sind, sie arbeiten vergleichsweise viel und konsumieren wenig.

Mietfreies Wohnen allein reicht nicht

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Das Sparziel allein ist allerdings noch kein Argument für die Immobilie. Auch eine Lebensversicherung oder die Riester-Rente, die regelmäßig bespart werden, sollen zum kontinuierlichen anlegen ermuntern. Trotzdem hinkt der Vergleich zwischen der selbst genutzten Immobilie und dem Anlagesparen. „Wenn ich selber in das Haus einziehen will, steht die Rendite ja nicht im Vordergrund“, sagt Braun. „Ob sich eine eigene Immobilie finanziell lohnt, lässt sich nicht pauschal beantworten, weil es von diversen Faktoren abhängt“, ergänzt Jörg Sahr, Finanzexperte bei der Stiftung Warentest. Im Schnitt sparten Besitzer einer schuldenfreien Immobilie allerdings im Rentenalter derzeit mehr als 500 Euro monatlich an Mietkosten. Ein Vorteil gegenüber Anlagen am Kapitalmarkt: Die Ersparnisse müssen nicht versteuert werden, während auf Zinserträge oder Gewinne am Aktienmarkt Kapitalertragsteuer fällig wird. Eine Ausnahme gibt es allerdings. „Wer mit Hilfe von Wohnriester finanziert ist früher schuldenfrei, sollte aber zusätzliche Rücklagen aufbauen“, sagt Sahr. Bei der staatlichen Förderung müssen die geförderten Beträge im Rentenalter nachversteuert werden.

Doch mietfreies Wohnen allein macht noch keine gute Altersvorsorge. „Im Idealfall ist das Haus schon zehn Jahre vor Rentenbeginn abgezahlt“, sagt Sahr. Dann könnten die übrigen Jahre genutzt werden, um auf anderem Weg Ersparnisse für eine zusätzliche Geldrente anzuhäufen. Vorausschauende Immobilienbesitzer sollten früh anfangen, regelmäßig kleine Beträge für Reparaturen anzusparen. In der Regel muss das einstige Traumhaus nämlich saniert werden, wenn die Rente beginnt. So sind trotz Rente auch Umbauten drin. Nach 30 Jahren im Eigenheim sehnen sich viele nach neuen Fliesen im Bad oder einer neuen Küche.

Wer auch im Alter nicht ausziehen möchte, der muss sich über einen möglichen Wertverlust keine großen Sorgen machen. Anleger, die sich im Ruhestand eher als Globetrotter auf Reisen sehen, müssen sich dagegen frühzeitig mit dem Wiederverkaufswert ihres Eigenheims beschäftigen. Der hängt nicht nur von der Substanz der Immobilie ab, sondern vor allem von ihrer Lage. „Je weiter ländlich gelegen, desto schwieriger lässt sich ein Haus verkaufen“, warnt Dirk Scobel, Immobilienexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Auch Reiner Braun kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass die Lage der Immobilie oft schlechter ist, als die Bewohner denken. "Nur rund zehn Prozent der deutschen Haushalte wohnen in lukrativer Lage“, erklärt Braun. In ihrer Studie stellen die Empirica-Forscher Kriterien heraus, die für eine lukrative Lage entscheidend sind. Dazu gehört neben einer guten Infrastruktur und hoher Lebensqualität vor allem der Faktor Arbeit. Insbesondere junge Menschen zwischen 20 und 35 Jahren konzentrierten sich laut Studie immer mehr in bestimmten Regionen. In den aussterbenden Gegenden hat das fatale Konsequenzen. Wer dort sein Haus verkaufen will, muss sich auf hohe Wertverluste einstellen.   

Mieteinnahmen als Vorsorge?

Was schon bei selbstgenutzten Immobilien eine Rolle spielt, ist bei vermieteten Objekten umso wichtiger. Die Lage. Wer angesichts der aktuell niedrigen Anlagezinsen auf Betongold setzten will, steht allerdings vor einem Problem. Denn in den gefragten Lagen sind die Kaufpreise mittlerweile astronomisch hoch. Bis die ersten Mieteinnahmen auf das Konto fließen, muss viel Kapital eingesetzt werden. „Anleger müssen ihre Einnahmeströme ins Verhältnis zum Preis setzen“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt bei der Dekabank. Durch die hohen Preise seien deshalb auch bei Wohnimmobilien kaum noch Renditen jenseits der zwei Prozent zu holen. Das ist gerade mal Werterhalt.

Nicht jeder taugt zum Vermieter

Wann die Europäer in Rente gehen
DeutschlandDie Arbeitnehmer in Deutschland sind nach Informationen der „Bild-Zeitung“ im vergangenen Jahr so spät in Rente gegangen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Gleichzeitig sanken die Abschläge wegen vorgezogenen Renteneintritts auf den niedrigsten Wert seit 2003, berichtet die Zeitung unter Berufung auf die neueste Rentenzugangsstatistik der Deutschen Rentenversicherung. Danach stieg das durchschnittliche Renteneintrittsalter der Männer 2012 von 60,9 auf 61,2 Jahre. Frauen gingen mit 61 (2011: 60,8) Jahren in Rente. Das waren die höchsten Werte seit mehr als 20 Jahren. Im Jahr 2000 wechselten Männer noch im Schnitt mit 59,8 Jahren aufs Altenteil, Frauen mit 60,5 Jahren. Quelle: dpa
FrankreichAuch in Frankreich ist das Renteneintrittsalter gestiegen: 2009 - vor der Anhebung der Altersgrenze - gingen die Franzosen noch mit durchschnittlich 59,3 Jahren in Pension, 2012 waren sie im Schnitt 62 Jahre und 2 Monate alt (2011: 61 Jahre und 11 Monate). Wer vor seinem 20 Lebensjahr angefangen hat zu arbeiten und in die Rentenkasse einzuzahlen, darf bereits mit 60 Jahren aufs Altenteil wechseln, ohne Abschläge befürchten zu müssen. Quelle: AP
Griechenland2012 haben sich die griechische Regierung und die Troika aus Europäischer Zentralbank, Europäischer Union und Internationalem Währungsfondsdarauf geeinigt, das Renteneintrittsalter in dem Schuldenstaat anzuheben. Seit dem gehen die Griechen - zumindest nach Plan - mit 67 statt wie zuvor mit 65 Jahren in den Ruhestand. 2011 betrug das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland 61,4 Jahre. Quelle: dpa
ItalienItalienische Frauen verbringen inzwischen durchschnittlich 27,3 Jahre im Ruhestand, Männer knapp 23. In Rente gehen die Italiener im Schnitt mit 60,8 Jahren. Wenn sie keine Abschläge hinnehmen wollen, müssten sie eigentlich bis 62 arbeiten. Quelle: AP
Spanien2011 hat sich auch die spanische Regierung angesichts eines gigantischen Schuldenberges dazu entschlossen, die Altersgrenze anzuheben: Wie auch in Deutschland und Griechenland soll das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden. Zuvor gingen die Spanier im Schnitt mit 62,6 statt 65 Jahren in Rente. Beschäftigte, die bereits 38,5 Jahre gearbeitet haben, haben allerdings weiterhin ab dem 65 Lebensjahr einen Anspruch auf volle Rentenbezüge. Quelle: dapd
GroßbritannienSeit 2011 gibt es in Großbritannien kein offizielles Rentenalter mehr. Die Briten können also selbst entscheiden, wann sie in den Ruhestand gehen. Zuvor konnten die Briten mit 60 Jahren (Frauen) beziehungsweise 65 Jahren (Männer) die Arbeit Arbeit sein lassen. Das tatsächliche Eintrittsalter lag vor der Abschaffung des Rentenalters bei 63,1 Jahren. Quelle: AP
IrlandDie Iren arbeiten am längsten: So müssen auf der grünen Insel Männer und Frauen noch bis 65 arbeiten und tun es auch - zumindest bis sie (im Durchschnitt) 64,1 Jahre alt werden. Wegen des Schuldenberges der grünen Insel erhöht die irische Regierung nun schrittweise das Rentenalter von 65 auf 68 Jahre. Quelle: AP

Auch andere Marktbeobachter sind skeptisch. „Als Basisanlage für die Altersvorsorge ist eine vermietete Eigentumswohnung eher nicht geeignet“, warnt Jörg Sahr. Da so viel Kapital eingesetzt werden müsse, sei eine Streuung des Anlagebetrags für Kleinanleger kaum möglich. Der Stiftung Warentest-Experte empfiehlt diese Vorsorgeform nur Anlegern, die bereits über andere Ersparnisse verfügen.

Wer vermieten möchte, muss sich über alle denkbaren Konsequenzen im Klaren sein. „Auch Mietausfälle bei Leerstand müssen überbrückt werden“, sagt Verbraucherschützer Scobel. „Eine Zwei-Zimmerwohnung in Hamburg wird man immer los, in anderen Lagen kann kurzfristiges Vermieten allerdings problematisch werden“. Auch der zeitliche Aufwand wird oft unterschätzt, nicht jeder hat das Geld für einen Dienstleister, der sich um den oder die Mieter kümmert.

„Wenn möglich sollten Anleger in eine Immobilie nahe ihres eigenen Wohnorts investieren“, sagt Braun. Nun wohnt aber nicht jeder im Speckgürtel von Renditebringern wie Hamburg, Berlin, München oder Frankfurt. „Viele wählen zwar die richtige Immobilie, müssen aber im Zweifel Abstriche bei der Lage machen“, so Braun. Er rät nur denen zur Vorsorge mit vermieteten Wohnungen, die Ahnung vom Immobilienmarkt haben. „Im Vergleich zu Lebensversicherungen mit einer garantierten Auszahlung sind Immobilien riskanter“, sagt Braun. Man könne eben auch Verluste einfahren. Wer allerdings Angst um das Überleben des Euro habe, der sei mit Betongold eher auf der sicheren Seite. „Was den Kapitalerhalt angeht sind Immobilienbesitzer im Vorteil“, sagt Braun. Bei der Rendite sehe das schon wieder ganz anders aus.

Alternativen skizzieren

Grundsätzlich sollten vor dem Kauf der Vorsorge-Immobilie alternative Szenarien durchgespielt werden. Etwa wenn das vorhandene Eigenkapital nicht in die Finanzierung der Immobilie, sondern in ein Mischdepot aus Aktien, Gold, Tagesgeld und Anleihen investiert wird. „Egal wie vorgesorgt wird, es ist immer eine Wette auf die Zukunft“, sagt Scole. Wer mit langfristig niedrigen Anlagezinsen rechnet, fährt mit einer Immobilie möglicherweise besser. Wer meint, es könne am Zinsmarkt angesichts des Tiefs eigentlich nur noch nach oben gehen, nimmt das Mischdepot und versucht, ein kleines Stück von der derzeitigen Börseneuphorie mitzunehmen.

 

Aktuell spricht ein weiterer Faktor gegen Immobilien – allerdings auch gegen die meisten anderen Arten der Altersvorsorge. „Bei Immobilien ist das angelegte Kapital sehr langfristig gebunden“, sagt Scole. Die aktuellen Kapriolen am Zinsmarkt sind für derartige Langzeitbeziehungen aber ungeeignet. Keiner weiß, ob das Umfeld in ein oder zwei Jahren nicht schon ganz anders aussieht. „Wer Immobilien kurzfristig verkaufen muss, macht in vielen Fällen große Verluste“, sagt der Verbraucherschützer.

Sparer wie Ehepaar G. stehen also nicht zwingend schlechter da als ihre Freunde in der Doppelhaushälfte. Einiges hängt von der Entwicklung der Zinsen ab. Viele Mieter machen allerdings den Fehler, dass sie das Geld, was sie gegenüber dem Häuslebauer sparen, nicht anlegen. Gleichzeitig wohnen viele Hausbesitzer am Ende zwar mietfrei, haben aber sonst keinerlei private Rente angespart.  

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