Seit Januar 2004 werden jedem gesetzlich Krankenversicherten, der eine betriebliche Alters- oder Hinterbliebenenvorsorge ausgezahlt bekommt, Beiträge zur Krankenkasse und Pflegeversicherung abgezogen. Für die 5,9 Millionen Altverträge, die damals bereits abgeschlossen waren, wurden die Regeln mitten im Spiel geändert.
Vor der Gesetzesänderung wurden die Sozialbeiträge nur abgezogen, wenn eine Direktversicherung als Monatsrente ausgezahlt wurde. Seit 2004 aber hält die Kranken- und Pflegekasse die Hand auch auf, wenn alles auf einen Schlag an den Sparer fließt. Das gilt für alle Fälle, in denen der Arbeitgeber Einzahlungen aus dem Lohn überwiesen hat oder als Versicherungsnehmer eingetragen war.
In der betrieblichen Altersvorsorge ist das die Regel. Direktversicherungen mit einmaliger Kapitalauszahlung werden nicht mehr wie private Policen behandelt, auf deren Auszahlung kein Sozialbeitrag fällig wird.
Wer schon vor 2004 Beiträge abführen musste, zahlte nur den halben Krankenkassenbeitragssatz. Jetzt löhnen Rentner die vollen Beiträge – aktuell 15,5 Prozent für die Krankenkasse und 2,05 Prozent Pflegebeitrag.
Wer nicht vorsorgt, ist besser dran
„Der Gesetzgeber hat Rentner, die eine Vorsorge leisten, beim Kassenbeitrag gegenüber denen schlechter gestellt, die nicht vorsorgen“, sagt Jörg Ungerer, Leiter der Rechtsabteilung beim Sozialverband VdK. Und im letzten Koalitionsvertrag steht nichts dazu, dass die Regierung den Abzug der Krankenkassen verringern würde. „Das spült jede Menge Geld in den Gesundheitsfonds der Kassen“, sagt Ungerer. Nach zuletzt verfügbaren Zahlen des Bundesversicherungsamtes waren es 2012 rund fünf Milliarden Euro (siehe Grafik).
Weber hatte vor 13 Jahren 14.995 Euro aus seiner Abfindung in eine Lebensversicherung gesteckt, bei der der Arbeitgeber nur kurz Versicherungsnehmer war. Dadurch galt für die Abfindung der pauschale Steuersatz von 20 Prozent, Sozialabgaben fielen nicht an. Zwei Wochen später ließ er sich zum Versicherungsbeginn selbst als Versicherungsnehmer eintragen. Den kleinen Steuervorteil, den er sich so sicherte, musste er später teuer bezahlen.
Hätte er sich im Jahr 2001 statt für eine Direktversicherung für eine normale private Lebensversicherung entschieden, wären anfangs von der Einzahlung 1183 Euro mehr Steuern abgezogen worden, dafür hätte er am Ende aber 5131 Euro weniger Krankenkassenbeiträge gezahlt.
„Ich habe einen solchen Eingriff, der meine Investitionsplanung über den Haufen wirft, nicht für möglich gehalten“, sagt er heute. „Im Geschäftsleben würde man von arglistiger Täuschung sprechen.“ Durch den Abzug der Krankenkassenbeiträge sinkt Webers Rendite auf 0,25 Prozent, ohne Abzug wären drei Prozent geblieben.
Dreimal Kassenbeiträge bezahlt
Mancher, der aus dem Gehalt in eine Direktversicherung einzahlt, wird dreifach geschröpft: Als Arbeitnehmer zahlt er den Maximalbeitrag in die Krankenversicherung, wenn sein Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze liegt. Ein zweites Mal werden bei der Auszahlung der Versicherung auf den Auszahlungsbetrag Krankenkassen- und Pflegebeitrag fällig.
Ein drittes Mal bedient sich die Kasse, wenn der Rentner später als Freiberufler oder Selbstständiger tätig ist – sie verlangt dann auch auf den Ertragsanteil der Police einen Beitrag. Bei Weber sind das immerhin 1314 Euro. „Man kann sich nicht alles gefallen lassen“, sagt Weber – und klagte gegen seine Kasse.
Chancen rechnet er sich vor allem aus, weil sein damaliger Arbeitgeber ihm bestätigte, dass es keine Versorgungszusage des Betriebes gab. Mit einer solchen begründen die Krankenkassen gern ihren Zugriff. Der Sozialverband VdK hatte in sieben Fällen Verfassungsbeschwerde gegen die Krankenkassenabzüge eingelegt.
Aber nur eine hatte vor den Richtern Erfolg: Wenn eine betriebliche Direktversicherung privat fortgeführt werde und sich der Arbeitnehmer im Vertrag als Versicherungsnehmer eintrage, könne er der Beitragspflicht entkommen (1 BvR 1660/08), so die Richter.
Ob sich diese Ausnahme auch auf ähnliche Fälle bei Pensionskassen übertragen lässt, wird das Bundessozialgericht in einigen Monaten klären. Webers Techniker Krankenkasse jedenfalls ließ sich nicht davon beeindrucken, dass Weber selbst Versicherungsnehmer war. Er blieb vor dem Sozialgericht Reutlingen in erster Instanz erfolglos.
Jetzt läuft die Berufung vor dem Landessozialgericht Stuttgart. Und wenn Weber liest, dass die Krankenkassen ein Rekordplus verbuchen und die Ausgaben so stark steigen wie nie zuvor, ist er sich sicher, dass er den Fall bis zum Bundessozialgericht ausfechten würde.