Selbst Gewerkschafter sehen diese Neuerung positiv. Michael Vassiliadis, Chef der IG Bergbau, Chemie, Energie, begrüßte die Einführung einer Zielrente für Unternehmen, die ihre betriebliche Altersvorsorge über Tarifverträge regeln. „Das stärkt nicht nur die Sozialpartnerschaft in Deutschland, es verbessert auch die Chance auf ordentliche Renditen für die Beschäftigten.“ Das sei gerade in der aktuellen Nullzins-Phase von entscheidender Bedeutung.
Die Verbraucherschützer vom Bund der Versicherten (BdV) begrüßen die bAV-Reform im Großen und Ganzen. „Der Wegfall der Garantie einer künftigen Rentenhöhe kann durchaus sinnvoll sein. Die Produktanbieter könnten so womöglich höhere Renditen erzielen. In der Praxis wird sich dann allerdings zeigen müssen, inwieweit die Versicherten daran partizipieren“, sagt BdV-Sprecher Axel Kleinlein. „Die neue Form der Zielrente ist eine Chance für die Produktanbieter, vernünftige und rentable Lösungen jenseits der Versicherungswelt zu entwickeln. Die Umsetzung wird zeigen, ob das gelingt.“
Arbeitgeberzuschuss Pflicht
Ab 2019 müssen Arbeitgeber bei neu abgeschlossenen bAV-Verträgen nach dem neuen Sozialpartnermodell einen Zuschuss zahlen. Bereits bestehende Verträge aus den Jahren davor sollen bis 2022 umgestellt werden, so dass der Arbeitgeberzuschuss auch hier einfließt. Mindestens 15 Prozent der monatlichen Entgeltumwandlung zahlt dann der Arbeitgeber direkt an die Versorgungseinrichtung. Da eine Entgeltumwandlung aus dem Bruttolohn gezahlt wird und somit innerhalb der Höchstgrenzen keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen, sparen die Arbeitgeber im Vergleich zu einer gleich hohen Lohnerhöhung ihren Anteil an Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen. Unter dem Strich ist der Zuschuss keine Belastung für den Arbeitgeber.
Altersvorsorge: So viel Rente darf der Standardrentner erwarten
Die Prognosen beziehen sich auf den sogenannten Standardrentner, der 45 Jahre Beiträge gezahlt und immer das Durchschnittseinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdient hat. Die angegebene Bruttostandardrente versteht sich vor Steuern. Das Sicherungsniveau vor Steuern gibt das Verhältnis der Renten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen der beitragszahlenden Beschäftigten abzüglich der durchschnittlichen Sozialversicherungsbeiträge an.
Quelle: Rentenversicherungsbericht 2015, Deutsche Rentenversicherung Bund, Stand: November 2015
Beitragssatz zur GRV: 19,9 %
Bruttostandardrente: 1224 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 51,6 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1372 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,7 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1517 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,6 %
Beitragssatz zur GRV: 20,4 %
Bruttostandardrente: 1680 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 46,0 %
Beitragssatz zur GRV: 21,5 %
Bruttostandardrente: 1824 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 44,6 %
Abgabenfreiheit erhöht
Durften Arbeitnehmer bislang höchstens vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung per Entgeltumwandlung von der Lohnsteuer befreit in die Betriebsrente einzahlen, so erhöht sich diese Grenze nun auf acht Prozent. Dadurch darf der Arbeitnehmer künftig bis zu 6096 Euro statt wie bisher 3048 Euro im Jahr steuerfrei in seine betriebliche Altersversorgung einzahlen. Sozialversicherungsbeiträge bleiben dem Sparer allerdings wie bisher nur bis zur jährliche Obergrenze von 3048 Euro erspart.
Steuerbonus zugunsten von Geringverdienern
Bis zu einem Bruttoeinkommen von 2200 Euro im Monat gelten Arbeitnehmer im BRSG als Geringverdiener. Sie werden besonders gefördert. Die Förderung erhält allerdings der Arbeitgeber: Wenn er zwischen 240 und 480 Euro im Jahr in die bAV seines Mitarbeiters einzahlt, erhält er über Verrechnung mit der vom Arbeitgeber zu zahlenden Lohnsteuer 30 Prozent dieser Summe zurück.
Freibetrag bei Grundsicherung
Gerade Geringverdiener habe bislang kaum Interesse an einer Betriebsrente, da sie angerechnet wird, wenn sie im Rentenalter staatliche Grundsicherung erhalten. Langjähriges Sparen hätte dann keinen positiven Effekt auf das Einkommen im Alter. Künftig bleiben von den Betriebsrenten mindestens 100 Euro, maximal 204,50 Euro unberücksichtigt, was 50 Prozent der Regelbedarfsstufe I entspricht. Das gilt auch beim Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt und Erwerbsminderung.
Opting-Out im Sozialpartnermodell
Einige Gesetzesänderungen betreffen alle Unternehmen, die bereits eine bAV anbieten, andere gelten nur für Arbeitgeber, die entweder der Tarifbindung unterliegen oder die Anwendung der einschlägigen Tarifverträge individuell vereinbaren. Künftig sind tarifvertragliche Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung mit der sogenannten Opting-Out-Klausel versehen. Das führt dazu, dass der Arbeitnehmer der Einzahlung in eine bAV-Lösung automatisch zustimmt, sofern er sich nicht explizit dagegen ausspricht. Bisher war es umgekehrt: Keine bAV, es sei denn, es wurde explizit gewünscht. Dadurch soll die bAV insgesamt als zweite Säule der Altersvorsorge gestärkt werden.