Betriebliche Altersvorsorge Betriebsrente gerät in die Fänge der Politiker

Politiker und Versicherer wollen die betriebliche Altersvorsorge stärken, aber ein Allheilmittel ist die zweite Säule der Altersvorsorge nicht. Gesetzliche Eingriffe und niedrige Zinsen werden oft verschwiegen.

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Betriebliche Altersvorsorge ist Teil der Rente Quelle: Getty Images

Die zweite Säule soll populärer werden: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will die betriebliche Altersvorsorge (bAV) stärken, die sie für „den wichtigsten kapitalgedeckten Baustein in unserem Rentensystem hält“.

Das besteht aus der gesetzlichen Rente, die auch oft als erste Säule der Altersvorsorge bezeichnet wird, als zweite Säule gilt die betriebliche Rente, zu der normalerweise sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Beiträge leisten. Und wer darüber hinaus noch spart, schafft sich mit einer privaten Altersvorsorge ein drittes Rentenstandbein, für das er sich individuell entscheiden kann. Beliebte private Vorsorgeformen sind etwa die Riester-Rente, ein Investmentsparplan in Aktien- oder Mischfonds oder eine klassische Renten- oder Lebensversicherung.

Welche Dax-Konzerne am meisten Altersvorsorge zahlen
Die Finanzierungslage der betrieblichen Altersversorgung der Dax-Unternehmen hat sich 2013 positiv entwickelt. Die guten Renditen (5,1 Prozent) ließen die Pensionsvermögen auf 198 Milliarden Euro steigen. Im Vorjahr waren es noch 192 Milliarden, die Pensionsverpflichtungen drohten zur Gefahr für künftige Gewinne zu werden. 2013 sah es schon anders aus, nicht nur die Rücklagen stiegen, auch der Umfang der Pensionsverpflichtungen ist gesunken. Statt 314 Milliarden müssen die Konzerne nur noch 303 Milliarden Euro zahlen. Damit sind 65 Prozent der Pensionsverpflichtungen mit spezifischen Vermögenswerten bedeckt (Vorjahr: 61 Prozent). Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Pensionsvermögen und -verpflichtungen im DAX 2013“ der Unternehmensberatung Towers Watson. Sie basiert auf den Angaben in den Geschäftsberichten der 30 DAX-Unternehmen. Quelle: dpa
Bei Adidas klaffen allerdings noch große Lücken zwischen dem Vermögen, das 2013 für die betriebliche Altersvorsorge eingeplant war und dem, was ausbezahlt wurde. So betrug das Planvermögen des Sportartikelherstellers 83 Millionen Euro, wogegen die Verbindlichkeiten 325 Millionen Euro betrugen. Damit erreicht Adidas einen Ausfinanzierungsgrad von nur 26 Prozent - die Differenz musste aus anderen Quellen genommen werden. Immerhin: 2012 waren nur 24 Prozent der Pensionsverpflichtungen mit spezifischen Vermögenswerten bedeckt. Quelle: REUTERS
Der Versicherer Allianz kann sich dagegen über eine Deckung von 61 Prozent freuen. Das Planvermögen des Konzerns für die betriebliche Altersvorsorge beträgt 11,7 Milliarden Euro, demgegenüber stehen Verpflichtungen in Höhe von 19,1 Milliarden. Quelle: REUTERS
Mehr als 80, nämlich genau 83 Prozent Deckungsgrad, kann der Chemiekonzern BASF vorweisen. Das Unternehmen muss also nur noch 17 Prozent aus sonstigen Geldern nehmen, um die Lücke zwischen den Rücklagen in Höhe von 17,1 Milliarden und den Verpflichtungen von 20,7 Milliarden Euro zu schließen. Quelle: dpa
Auch Bayer erreicht mit 65 Prozent einen ganz ordentlichen Deckungsgrad. Bei dem Pharmaunternehmen stehen Ausgaben in Höhe 20,7 Milliarden Euro für die betriebliche Altersvorsorge einem Polster von 13,4 Milliarden Euro gegenüber. Quelle: dpa
Das erfolgreiche Anlage- und Risikomanagement "bringt den Unternehmen Rückenwind für die Überarbeitung ihrer betrieblichen Altersversorgung, die angesichts der demografischen Entwicklung stärker denn je auf die Agenda drängt", sagt Thomas Jasper, Leiter Retirement Solutions bei Towers Watson. Er erwartet, dass in den kommenden Jahren viele Unternehmen ihre Pensionswerke überarbeiten oder neu gestalten werden. Bei BMW kann man gelassen in die Zukunft schauen: Von 76 Prozent im Jahr 2012 wuchs der Deckungsgrad auf 85 Prozent an. 2013 hatte das Unternehmen ein Planvermögen von 13,5 Milliarden Euro, demgegenüber Pensionsansprüche in Höhe von 15,8 Milliarden Euro standen. Quelle: AP
Derzeit sieht nur jedes dritte Unternehmen in Deutschland sein Angebot an Mitarbeiterbenefits wie der Altersvorsorge gut für die Zukunft aufgestellt, wie eine im Februar veröffentlichte Umfrage der Economist Intelligence Unit (EIU) im Auftrag von Towers Watson ergab. Die Beiersdorf AG zahlte ihren Pensionären im letzten Jahr beispielsweise rund 1,3 Milliarden Euro an Altersvorsorge. Zurückgelegt hatte das Unternehmen für diesen Zweck allerdings nur 877 Millionen Euro. Quelle: dpa

Änderungen bei der Betriebsrente hat die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD bereits vor einem Jahr vereinbart und im Bundesarbeitsministerium wird jetzt an den Plänen gefeilt. Es soll nicht bei den 17 Millionen Arbeitnehmern bleiben, die bereits eine Betriebsrente haben. Denn seit 2002 haben zwar alle Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine Betriebsrente, sie müssen aber ihren Arbeitgeber selbst danach fragen.

13 Millionen potenzielle Kunden

Das haben offenbar viele der 13 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten noch nicht getan, die noch ohne betriebliche Vorsorge sind. Nach dem Willen der Politik soll sich das künftig ändern.

Derzeit sind rund 520 Milliarden Euro Vermögen angelegt, um die Betriebsrenten heute und in Zukunft zu finanzieren. Die Finanzbranche, also Fondsgesellschaften, Banken, Versicherungen und Beratungsunternehmen, die die Gelder der Betriebsrentner verwalten, erhoffen sich von den Änderungen noch mehr Geschäft. Mit fast täglich neuen Umfragen, Studien und Erklärungen zur Altersvorsorge versucht die Finanzlobby, die Bevölkerung für die Themen Altersarmut und die klaffende Rentenlücke zu sensibilisieren, damit mehr Verbraucher vorsorgen.

Bei der Betriebsrente müssen Arbeitnehmer allerdings das System wählen, das ihr Unternehmen anbietet. Es gibt fünf verschiedene Betriebsrenten-Systeme, auch Durchführungswege genannt, mit unterschiedlichen Chancen und Risiken.

Die Änderungspläne der Regierung zielen vor allem auf kleinere und mittelständische Unternehmen ab. Sie sollen ihren Arbeitnehmern einen einfacheren Zugang zur betrieblichen Altersvorsorge bieten können. Zudem sollen die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern Versorgungseinrichtungen aufbauen können, die die Betriebsrenten managen.

Damit würden zwar beide ins Boot gezwungen, allerdings droht die Betriebsrente so auch zum Gegenstand von Tarifstreitereien zu werden. Als Vorbild für die Kooperation gilt die Metallrente, die vor 13 Jahren von den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden der Metallindustrie geschaffen wurde. Sie ist heute für die Branche die zentrale Versorgungseinrichtung für Betriebs- und Riester-Renten sowie den Berufsunfähigkeitsschutz geworden.

Europäische Vorbilder

In der aktuellen Diskussion tauchen immer wieder Ideen auf, die für Deutschland ein Zwangs-Modell befürworten, das andere europäische Länder bereits haben: Etwa in der Schweiz, in Dänemark und Großbritannien werden Arbeitnehmer automatisch in ein Betriebsrentensystem aufgenommen, wenn sie nicht widersprechen.

Die Begeisterung in der Politik für eine Zwangsrente ist offenbar begrenzt: Derzeit sind alle kapitalgedeckten Rentensysteme wegen der niedrigen Zinsen unter Druck. Und die Politiker wollen sich jetzt nicht für eine Anlage starkmachen, welche die Erwartungen dann nicht erfüllt. Durch die niedrigen Zinsen und die volatilen Aktienmärkte fällt es den Geldanlegern der Versicherer und Fondsgesellschaften immer schwerer, noch ansehnliche Renditen zu erwirtschaften und die eingezahlten Gelder vor Verlusten zu bewahren. Die Renditen auf die Einzahlungen sind jedoch je nach Betriebsrentenart unterschiedlich.

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