Gute Nachrichten: Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist leicht zurückgegangen. Im Februar 2016 meldeten 1842 Unternehmen Insolvenz an, wie das Statistische Bundesamt bekannt gab. Das waren 2,0 Prozent weniger als noch im Februar 2015. Trotzdem heißt das, dass die Mitarbeiter von 1842 Unternehmen um ihre Zukunft bangen müssen.
Bei 349 Handelsunternehmen wissen die Mitarbeiter nicht sicher, wie es mit ihnen weiter geht, im Baugewerbe ist für die Angestellten von 307 Betrieben die Zukunft ungewiss und auch im Dienstleistungssektor stehen die Leute von 225 Firmen vor der Frage, was aus ihnen wird. Insgesamt wollen die Gläubiger rund 1,8 Milliarden Euro von den betroffenen 1842 Unternehmen – und zu den Gläubigern gehören mitunter auch die eigenen Angestellten. Denn immerhin hat jeder deutsche Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf die Betriebsrente oder betriebliche Altersversorgung (BAV). Geregelt wird dieser Anspruch im §1 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG).
16,81 Millionen Deutsche haben eine betriebliche Altersvorsorge
Zwar nimmt längst nicht jeder diesen Anspruch auch tatsächlich wahr, aber immerhin haben 16,81 Millionen Menschen in Deutschland eine solche Altersvorsorge. Nur: Was passiert mit den Rentenansprüchen, wenn der Betrieb Insolvenz anmeldet? „Wer schon eine Betriebsrente bezieht, muss sich keine Sorgen machen“, sagt Joachim Zobel. Er leitet die Abteilung Arbeitsrecht der Kanzlei Schultze & Braun, die sich auf Insolvenz- und Sanierungsarbeitsrecht spezialisiert hat. Kann das Unternehmen die Ansprüche seiner ehemaligen Mitarbeiter nicht mehr bedienen, springt der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) ein und garantiert die Fortzahlung der Renten. Der PSV finanziert sich aus jährlichen Beiträgen der Unternehmen.
Laufende Verzinsung wichtiger bAV-Versicherer
Laufende Verzinsung 2014: 3,60 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: 0,00 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,60 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: -0,30 Prozentpunkte
im Spezialkollektivgeschäft
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,40 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: -0,25 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,40 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: -0,20 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,35 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: 0,00 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,30 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: -0,20 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,20 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: 0,00 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,00 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: -0,30 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,00 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: 0,00 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Nur in Ausnahmefällen darf ein in Schieflage geratenes Unternehmen die Altersbezüge der ehemaligen Mitarbeiter kürzen, wie es seitens der Stiftung Warentest heißt. Doch bevor das Unternehmen Ansprüche kürzt, hat das Bundesarbeitsgericht das letzte Wort. Es prüft im Einzelfall nach einem Drei-Stufen-Schema, ob eine Kürzung der Altersvorsorge verhältnismäßig ist. Das ist der Fall, wenn das Unternehmen wirtschaftlich so stark angeschlagen ist, dass die unveränderte Auszahlung der Altersbezüge den Betrieb gefährdet.
Wenn die Existenz des Unternehmens gefährdet ist, hat es die Möglichkeit, die zukünftige Rente auf Basis des aktuellen Gehalts zu berechnen und nicht wie üblich auf Basis des höheren letzten Gehalts vor Rentenbeginn. Steht das Unternehmen kurz vor der Stilllegung, kann der Arbeitgeber auch Ansprüche kürzen, die der Mitarbeiter bereits in der Vergangenheit erworben hat.
Für den Betriebsrentner hat dies jedoch kaum Auswirkungen, da der Pensions-Sicherungs-Verein seinen Rentenzahlungsanspruch übernimmt - begrenzt auf maximal das Dreifache des aktuellen Durchschnittsentgelts in der Rentenversicherung. Dies sind im Jahr 2016 laut Zobel 2905 Euro in den alten Bundesländern. Maximal sichert der PSV damit einen Betrag von 8715 Euro monatlich als Rentenzahlung ab. Damit sollte der Ruhestand gesichert sein. Wenn trotzdem auf einmal keine oder weniger Betriebsrente eingeht, weil der ehemalige Arbeitgeber die Zahlungen nicht mehr leisten kann, aber nicht alle Ansprüche dem PSV gemeldet hat, rät die Stiftung Warentest Ruheständlern dazu, sich möglichst schnell beim PSV zu melden. Bis zu zwölf Monate rückwirkend übernimmt er die Kosten.
Auch wer noch arbeitet, hat einen Anspruch auf spätere Auszahlung
Allerdings passt der PSV die Rente nicht an das herrschende Inflationsniveau an – bei langen Bezugszeiten kann das die Kaufkraft des Rentners beeinträchtigen. Unternehmen, die ihren Mitarbeitern eine Betriebsrente aus dem Betriebsvermögen zahlen, sind hingegen alle drei Jahre dazu verpflichtet, zu prüfen, ob sie die Altersvorsorge an die Inflation anpassen müssen. Aber immerhin: Jemand zahlt im Fall der Insolvenz die betriebliche Altersversorgung.
Auch wer noch im Betrieb ist, hat einen Anspruch auf seine betriebliche Altersversorgung (bAV). Damit der PSV zahlt, muss ein Mitarbeiter jedoch schon eine gewisse Zeit im Unternehmen gewesen sein. Nach einem Jahr oder kurz nach Ende der Probezeit besteht noch kein Anspruch auf die spätere Auszahlung der bAV. Gemäß § 1b Absatz 1 S 1 des BetrAVG hat ein Arbeitnehmer einen Rentenanspruch, wenn „das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 30. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre bestanden hat“. Heißt: Auf wessen Konto mindestens fünf Jahre lange Beiträge eingezahlt wurden, der hat bei Renteneintritt auch einen Anspruch auf Auszahlung.
Altersvorsorge: So viel Rente darf der Standardrentner erwarten
Die Prognosen beziehen sich auf den sogenannten Standardrentner, der 45 Jahre Beiträge gezahlt und immer das Durchschnittseinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdient hat. Die angegebene Bruttostandardrente versteht sich vor Steuern. Das Sicherungsniveau vor Steuern gibt das Verhältnis der Renten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen der beitragszahlenden Beschäftigten abzüglich der durchschnittlichen Sozialversicherungsbeiträge an.
Quelle: Rentenversicherungsbericht 2015, Deutsche Rentenversicherung Bund, Stand: November 2015
Beitragssatz zur GRV: 19,9 %
Bruttostandardrente: 1224 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 51,6 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1372 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,7 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1517 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,6 %
Beitragssatz zur GRV: 20,4 %
Bruttostandardrente: 1680 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 46,0 %
Beitragssatz zur GRV: 21,5 %
Bruttostandardrente: 1824 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 44,6 %
Dann nämlich greift die sogenannte „Unverfallbarkeit des Versorgungsanspruchs“, wie Zobel sagt. „Die Arbeitnehmer sind durch dieses gesetzliche Sicherungssystem gut abgesichert.“ Egal, ob man vor Renteneintritt kündigt oder der Arbeitnehmer pleite macht, der Anspruch auf die bAV bleibt bestehen.
Der PSV zahlt allerdings nicht die volle Summe, die zum Renteneintritt fällig werden würde, sondern den Wert, den sich der Angestellte oder die Mitarbeiterin zum Tag der Insolvenzeröffnung erarbeitet hat. Wer also mit 67 Jahren nach 40 Jahren im Betrieb 500 Euro bAV monatlich bekommen sollte und zum Stichtag einen Anspruch von 100 Euro monatlich erarbeitet hat, bekommt vom PSV beim Renteneintritt monatlich 100 Euro, wie Zobel sagt.
Allerdings ist die bAV nach Zobels Erfahrung ein häufiger Grund, warum Unternehmen überhaupt Insolvenz anmelden müssen. „Ein Beispiel: Ein Unternehmen hat 20.000 Mitarbeiter und ist gut im Geschäft. Alle Angestellten bekommen eine betriebliche Altersversorgung zugesichert. Dann verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage, letztlich arbeiten für das Unternehmen nur noch 1500 Mitarbeiter, aber der Betrieb muss monatlich für 8000 Angestellte die Betriebsrente finanzieren.“ Sind die Rücklagen dann nicht hoch genug, um die Versprechungen aus besseren Tagen zu erfüllen, hilft nur der Gang zum Insolvenzverwalter.
Bevor es soweit ist, sollten sich Geschäftsführer und Personalabteilung unbedingt zusammensetzen und die Krisenkommunikation besprechen, wie Zobel empfiehlt. Denn die Mitarbeiter sollten nicht erst aus der Zeitung erfahren, wie es um ihren Betrieb bestellt ist. „Transparente Kommunikation ist hier sehr wichtig. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeiter rechtzeitig informiert werden.“ Dabei geht es nicht nur um Fairness. Zobels Erfahrung zeigt: Wer seinen Mitarbeitern fair und ehrlich offenbart, wie es um das Unternehmen bestellt ist, bei dem bleiben sie in der Regel auch.
Insolvenz kann für Mitarbeiter auch eine Chance sein
„Es gibt natürlich immer welche, die den Bettel hinwerfen und wegrennen, aber dann sind da die Kollegen ¬ oftmals sogar – aus der zweiten Reihe, die ihre Chance begreifen und auch wahrnehmen“, wie er sagt. Mit diesen Mitarbeitern mache die Arbeit nicht nur Spaß, sie sei auch für den zu rettenden Betrieb fruchtbar. Das kann sich – trotz Insolvenzverfahrens – auch für die Karriere derer, die geblieben sind, auszahlen. „Ich habe es bisher in jedem Insolvenzverfahren erlebt: Das Verfahren ist nicht das Ende für die Karriere, sondern oftmals eine große Chance.“
Denn der Insolvenzverwalter bilde aus dem Mitarbeiterstamm ein Schattenkabinett und somit ergebe sich auch die Gelegenheit, bestehende Strukturen aufzubrechen, wie Zobel sagt, er arbeite dann mit den Angestellten, denen er vertraut und nicht zwangsläufig mit den ehemaligen Lieblingen des Chefs. „Das sind auch die ersten, die der Investor dann als Leistungsträger kennenlernt“, so Zobel. „Da hat der Einzelne auf einmal Chancen, ganz anders wahrgenommen zu werden.“
Wenn das Unternehmen nicht stillgelegt wird, kann sich die Treue also durch neue Aufgaben und Verantwortungsbereiche oder ein paar Sprossen auf der Karriereleiter auszahlen.