Digitale Versicherungen Kunde profitiert, Versicherer muss schuften

Volatile Märkte und die Digitalisierung stellen Versicherer vor große Herausforderungen. Während den Versicherern viel Arbeit droht, könnte der Kunde davon profitieren.

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Auch für die Versicherungsbranche stellt die Digitalisierung eine Herausforderung dar. Quelle: dpa

Einfach dürften die nächsten Monate für die Versicherungsindustrie nicht werden. Neben den Unsicherheiten in Bezug auf die US-Wirtschaftspolitik und dem weiteren Prozess zum Thema Brexit stehen Präsidentschaftswahlen in Frankreich und die Bundestagswahl in Deutschland an.

Während das Thema Brexit von vielen Marktteilnehmern als Chance für deutsche Versicherer gesehen wird, dürften die Entwicklungen in den USA und Kontinentaleuropa (mit derzeit fraglichem Ausgang zum Abschneiden populistischer Parteien) erhöhte Marktvolatilitäten zur Folge haben. Für die Versicherer bedeutet dies, dass sie sich gegen schockartige makroökonomische Bewegungen absichern müssen.

Auf der Anlageseite steigt der Druck auf die Portfolien der Versicherer, in denen angesichts des Niedrigzinsumfelds auch risikoreichere Anlagen jenseits von Anleihen und festverzinslichen Wertpapieren stärker gewichtet sind. Dies könnte sich auf Bonitäts- und Versicherungsratings auswirken, welche die Finanzkraft der Häuser abbilden.

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Stabile Beitragseinnahmen dürften vor diesem Hintergrund insbesondere für die deutschen Lebensversicherer im laufenden Jahr eine große Herausforderung sein. Für sie wies der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft bereits im Vorjahr ein Beitragsminus von 2,2 Prozent aus, während die Schaden-/Unfallversicherung und die private Krankenversicherung ein leichtes Wachstum verzeichneten.

Diese Jobs sind durch die Digitalisierung entstanden

Bei den Lebensversicherern sind Anpassungen der Investmentstrategien sowie Bewegungen auf der Produktseite und bei den Kostenstrukturen bereits in vollem Gange: Viele Anbieter gehen auf Policen mit flexiblen Garantien beziehungsweise fondsgebundene und hybride Verträge über.

Ob Versicherungskunden so flexibel sein wollen, ist fraglich. Gerade in Deutschland waren Garantien für die Versicherungskunden traditionell ein wichtiger Pfeiler beim Aufbau der Altersvorsorge. Ob die Kunden - angesichts von Zinsen nahe der Nulllinie - bereit sind, auf eben jene Sicherheiten zu verzichten, bleibt abzuwarten. Ebenso, ob sie ihre grundsätzliche Erwartungshaltung an die Renditen der Versicherungslösungen reduzieren.

Digitale Kunden

Auch die digitalen Anforderungen von Kunden stellen Versicherer vor Herausforderungen. Historisch ein Vorreiter in Sachen Automatisierung, werden sie bei der Verbesserung interner Betriebsprozesse und der Befriedigung neuer Kundenanforderungen aufholen müssen.

Das Konsum- und Informationsverhalten der Versicherungsnehmer ändert sich. Insbesondere jüngere Kunden informieren sich immer häufiger online und erwarten digitale Angebote mit einem Höchstmaß an Transparenz. Dies stellt erhöhte Anforderungen an die Beratungsmodelle und Vertriebsstrukturen.

Fin- und InsurTechs auf dem Vormarsch

Fakt ist: Die Generation der sogenannten „Millenials“ erwartet keine Hausbesuche von Versicherungsagenten für Beratungsgespräche, sondern digitale Lösungen und mobile Apps. Versicherer, die diese Erwartungen an die Interaktion - zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort - nicht erfüllen, laufen Gefahr, vom Markt verdrängt zu werden.

Bei den Versicherungskunden dürfte die mobile Verfügbarkeit von Versicherungsprodukten und -lösungen aber noch weiter an Bedeutung gewinnt.

Die Versicherer suchen deshalb ihr Heil in Kooperationen mit jungen Technologieanbietern, um die Digitalisierung der Vertriebs- und Beratungsfunktionen voranzubringen. Nicht nur FinTechs, sondern auch sogenannte InsurTechs sind auf dem Vormarsch. Nach Auswertungen von EY sind derzeit rund 18 solcher Start-Ups in Deutschland aktiv. Sie konnten zuletzt ein Investitionsvolumen in Höhe von rund 53,5 Millionen Euro verzeichnen. Noch ist der Markt konzentriert: Auf die fünf größten Anbieter entfallen derzeit fast 90 Prozent des Marktes.

Zehn Fakten zur Digitalisierung

Davon könnten Kunden profitieren: Fortschreitende technologische Innovationen könnten sich dämpfend auf die Prämien auswirken, zum Beispiel wenn elektronische Einparkhilfen das Schadenrisiko in der Kraftfahrt-Haftpflicht vermindern.

Cyber-Security: Neue regulatorische Vorgaben

Zur Bewältigung der Digitalisierung sind viele Versicherer auf dem Weg, ihre IT-Architekturen sowie Vertrags- und Schadensysteme zu modernisieren. Komplexe Daten müssen künftig modellierbar und in Echtzeit (integriert) verwertbar sein. Außerdem nimmt die Bedrohung durch Hacker-Angriffe deutlich zu.

EY hat unlängst mehr als 1.700 Vorstände und IT-Sicherheitsexperten aus 20 Ländern, davon rund 120 aus der Assekuranz, zum Thema Cyber-Security befragt. 49% der Versicherer gaben an, dass sie in jüngster Vergangenheit Opfer eines Cyber-Angriffs waren. 71% äußerten die Befürchtung, dass die Vorkehrungen ihrer Organisation gegen Cyber-Kriminalität nicht ausreichen, um sich vor virtuellen Attacken zu schützen.

Mit der neuen EU-Richtlinie für Cyber-Security (NIS), die das deutsche IT-Sicherheitsgesetz ergänzt, kommen nun regulatorische Meldepflichten und nachzuweisende Mindeststandards auf die Versicherungsunternehmen zu. Gemäß EU-Datenschutz-Grundverordnung müssen sie spätestens ab 2018 innerhalb von 72 Stunden melden, wenn personenbezogene Daten entwendet wurden. Sonst drohen empfindliche Bußgelder durch die Aufsichtsbehörden.

Gleichzeitig fragen Versicherungskunden, vom Freiberufler bis zum Mittelständler und Großkonzern, zunehmend Versicherungslösungen gegen Cyber-Risiken nach. Die verschiedenen Bedarfe und Typen von Risiken sind jedoch sehr unterschiedlich. Effiziente Systeme zur Netzwerk- und Informationssicherheit dürften ein Top-Thema im Jahr 2017 sein. Und zwar als zentrale Aufgabe für die übergeordnete Geschäftsstrategie der Versicherungshäuser.

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