Als Markus Becker* und seine Freundin nach einem langen Arbeitstag ihre Wohnung im fünften Stock im Düsseldorfer Stadtteil Flingern betreten wollten, mussten sie nicht nach dem Wohnungsschlüssel kramen – die Tür war schon offen. Einbrecher hatten die Tür in den Nachmittagsstunden einfach eingetreten. Alles Tragbare von Wert hatten sie mitgehen lassen: drei Computer, zwei teure Kameras mit Objektiven und Zubehör, eine kleine Digitalkamera sowie etwas Bargeld. Geschätzter Schaden einschließlich der beschädigten Wohnungstür: Rund 6500 Euro.
Ohne die Versicherung wäre das Paar aus Düsseldorf wohl allein auf den Kosten für die Wiederbeschaffung der geklauten Geräte sitzen geblieben. Die Hausratversicherung regulierte den Schaden schnell – allerdings nicht in voller Höhe. Die Versicherung stellte sich bei den teureren Positionen auf der eingereichten Diebesgutliste an. Das sechs Jahre alte Notebook, seinerzeit teuer und auf dem Stand der Technik, sollte etwa am aktuellen Preis eines vergleichbaren Computers gemessen werden – der heute als zu leistungsschwach und billig gilt. Auch die teure Spiegelreflexkamera, die das Paar erst vier Monate zuvor gekauft hatte, war inzwischen beim Internetdiscounter 200 Euro billiger zu haben. Den Fachhandelspreis wollte die Versicherung nicht als Maßstab nehmen. Insgesamt ersetzte die Versicherung aber knapp 90 Prozent des Schadens.
So glatt lief es für Otto Clampe* aus einer Kleinstadt am Niederrhein nicht. Der Ruheständler und seine Frau hatten am Einfamilienhaus nur wenige Wochen zuvor nach einer Beratung durch die Kriminalpolizei Türen und Fenster mit modernen Schlössern und Riegeln ausstatten lassen. Aber als die Einbrecher während ihrer kurzen Abwesenheit am helllichten Tag in das Haus einbrachen, hielten die sich erst gar nicht mit Schlössern auf, sondern warfen mit einem Stein eine Scheibe ein – und stahlen den ganzen Tresor. Darin befanden sich Erbstücke wie antiker Schmuck, zahlreiche Sparbücher, Ersatzschlüssel und wichtige Originaldokumente. Der Schaden war immens. Zu allem Unglück stellte sich die Versicherung bei der Regulierung quer, denn beim Schmuck fehlte ein Beleg oder ein Gutachten über den Wert. Aber auch beim Ersetzen der Schlösser an Haus und Auto und vielen weiteren Punkten trat die Assekuranz auf die Kostenbremse. Clampe war seit mehr als dreißig Jahren treuer Versicherungskunde, nun ist er erbost: „Ich habe durch den Einbruch einen Verlust von mehr als 30.000 Euro zu tragen.“ Clampe hatte sich ganz klar mehr von seiner Versicherung erhofft.
Alle vier Minuten ein Einbruch
Das Risiko von Wohnungseinbrüchen steigt in Deutschland. Gegenüber 2011 ist laut der Polizeilichen Kriminalstatistik, die Mitte Mai vorgestellt wurde, die Zahl der Diebstähle nach Wohnungseinbrüchen um 8,7 Prozent auf 144.000 im Jahr 2012 gestiegen. Die Einbrüche am Tag sind sogar überproportional gestiegen und machen mehr als 40 Prozent der Fälle aus. Statistisch findet alle vier Minuten ein Einbruch statt. Die Aufklärungsquote ist mit knapp 16 Prozent niedrig.
Die Ursachen für den starken Anstieg bei den Einbruchdiebstählen sind nicht so einfach auszumachen, zumal die Aufklärungsquote für eine klare Indizienlage nicht ausreicht. Aber die Politiker sind nun alarmiert. Innenminister Hans-Peter Friedrich lässt vom Bundeskriminalamt jetzt ein bundesweites Lagebild erstellen, das als Grundlage für Beratungen der Landesinnenminister dienen soll. Dann soll sich zeigen, welche Maßnahmen geeignet sind, um eine weitere Zunahme der Einbruchdiebstähle zu stoppen.
Prävention und Versicherungsschutz
Wer sich vor einem Wohnungs- oder Hauseinbruch sowie den finanziellen Schäden schützen will, sollte zweigleisig vorgehen: Prävention und angemessener Versicherungsschutz sollten sich ergänzen. Es geht also einerseits um den gebäudetechnischen Einbruchschutz, anderseits um eine Hausratversicherung in realistischer Höhe und zu geeigneten Konditionen bei fairem Preis.
Beim Einbruchschutz geht es vorrangig darum, einen Einbrecher solange am Eindringen in die Wohnung zu hindern, dass er seinen Versuch abbricht. Das geschieht nach Erfahrung der Polizei meist schon nach wenigen Minuten. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: 42 Prozent der Einbrüche schlagen fehl.
Um zu erreichen, dass es beim Einbruchversuch bleibt, sind zusätzliche Schlösser und Riegel, verschlossene Lichtschächte, verstärkte Haustüren und Fenster geeignet. Hilfreich sind auch abschreckende Maßnahmen wie etwa zusätzliche Beleuchtung im Außenbereich oder per Zeitschaltuhr gesteuerte Rollläden und Lampen, die eine Anwesenheit der Bewohner vortäuschen. Derlei Sicherheitsmaßnahmen vereiteln immerhin schon fast jeden fünften Einbruch. Was sich vor Ort am besten eignet, erfahren Haus- und Wohnungseigentümer zum Beispiel in einem Beratungsgespräch mit der zuständigen Kriminalpolizei.
Es gibt kein einbruchssicheres Haus
Wer seine Wohnung mit solchen zusätzliche Schutzeinrichtungen ausstatten will, sollte sich aber keine Illusionen machen: Kein Gebäude wird am Ende vollends einbruchsicher sein. Dreiste Täter, die ungestört vorgehen können, gelangen in nahezu jedes Gebäude, zur Not schlagen sie eine Scheibe ein. Zudem ist umfassender Einbruchschutz kostspielig. Ist der Dieb dennoch erfolgreich, geht es vor allem um die Frage, ob der Versicherungsschutz greift und ob die Versicherung den Schaden zufriedenstellend ausgleicht.
Die Hausratversicherung ist beliebt: Drei Viertel der deutschen Haushalte haben eine Hausratpolice. Sie zahlt bei Verlust des Wohnungsinventars durch Brand, Schäden durch Leitungswasser, Blitzeinschlag, Explosion, Sturm, Raub oder eben Einbruchdiebstahl. Zum versicherten Hausrat gehören neben Möbeln, Teppichen, Elektro- und Haushaltsgeräten auch Kleidung, Bücher, Geschirr, Lebensmittel und Fahrräder, sofern die hinter verschlossenen Türen stehen. Die Vorstellungen darüber, wann die Hausratversicherung aber zahlen muss, liegen bei den Versicherten und den Assekuranzen nicht selten weit auseinander. Trotz gleicher Versicherungssumme und identischem Einbruchsrisiko am Wohnort können zwischen dem billigsten und dem teuersten Tarif für eine Familie durchaus drei- bis vierhundert Euro Unterschied beim Jahresbeitrag auftreten.
Ob die Versicherung das reguliert, was der Geschädigte erwarten darf, liegt nämlich zum großen Teil in der Verantwortung des Versicherungskunden und seinen Pflichten im Schadensfall. Kunden können schon bei der Auswahl der Versicherung eine Menge falsch machen. Das beginnt mit der vereinbarten Versicherungssumme. Viele Versicherungskunden unterschätzen den Wert ihres gesamten Hausrats. Eine Hausratversicherung versichert den Neuwert des Inventars und ersetzt die Kosten für eine Neuanschaffung eines nach Art und Güte gleichwertigen Ersatzes. Im Laufe eines Lebens sammeln sich oftmals viele Dinge an, so dass die Versicherungssumme auch immer wieder überprüft und gegebenenfalls angepasst werden muss. Stellt die Versicherung aber im Schadenfall fest, dass die Versicherungssumme zu gering ist, um eine Neuanschaffung des gesamten Hausrats abzudecken, besteht eine Unterversicherung. In diesem Fall reguliert die Versicherung die Schäden nur noch anteilig. Wessen Versicherungssumme als zum Beispiel um 30 Prozent zu niedrig ist, erhält für jeden einzelnen Schadenfall 30 Prozent weniger ausgezahlt, als die Neuanschaffung eigentlich kosten würde.
Unterversicherung vermeiden
Es gilt also, eine Unterversicherung möglichst zu vermeiden – auch wenn mit steigender Versicherungssumme auch die Jahresbeiträge steigen. „Ich rate Verbrauchern dazu, eine gründliche Wertermittlung des Hausrats vorzunehmen“, empfiehlt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Am besten, so die Expertin, geht man dazu mit einer Kamera durchs Haus und fotografiert einmal alle Möbel und Gegenstände, sowie was sich in Schubladen und Schränken befindet. Wertvolle Gegenstände sollte man einzeln fotografieren. Auf einer Wertermittlungsliste sollte dann den einzelnen Positionen ein Neuwert zugewiesen werden, für Wertvolles sollten Kaufbelege oder Wertgutachten vorliegen. „Fotos und Liste sollten unbedingt außerhalb des Gebäudes verwahrt werden, damit sie bei Diebstahl oder Brand nicht verloren gehen“, rät Verbraucherschützerin Boss noch. Auch ein Tresor hilft nur bedingt. Damit die Versicherung auch den Tresorinhalt zahlt, muss dieser in Größe, Gewicht und Verankerungen den Versicherungsbedingungen entsprechen. Zudem muss der Tresorschlüssel ebenso unzugänglich gemacht werden, wie der Tresor selbst. Eine bessere Alternative für Wertgegenstände und wichtige Originaldokumente ist daher ein Bankschließfach. Ein kleines Fach ist bei einer Bank am Ort oft schon für 30 Euro im Jahr zu mieten.
Wem der Aufwand einer detaillierten Wertermittlung zu hoch ist, kann auch einen Wohnflächentarif wählen. Dabei wird der Hausrat pauschal anhand der Wohnquadratmeter kalkuliert. Zwar verzichtet die Versicherung dann auf Abzüge wegen Unterversicherung, gleichzeitig ist die Versicherungssumme damit aber auch die Höchstgrenze der Erstattung – auch wenn das Inventar wertvoller war. Umgekehrt kann so ein Tarif bei großer Wohnfläche mit spartanischer Einrichtung auch viel zu teuer ausfallen. Verbraucherschützer raten deshalb zu einer möglichst präzisen Erfassung der Wohnungsausstattung.
Ein kostenloses Formular für die Wertermittlung bietet der Bund der Versicherten unter https://www.bundderversicherten.de/Hausrat-Glas-Fahrrad. Solch ein Inventarkatalog ist zudem als Nachweis hilfreich, dass der Versicherte tatsächlich Eigentümer dieser Gegenstände war. Besser sind allerdings Kaufbelege und Fotos.
Geeignete Police auswählen
Ist so eine Inventarliste entstanden und der Neuwert des Hausrats ermitteln, beginnt die Suche nach einer geeigneten Police beginnen. Hier sieht sich der Kunde zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten und stark unterschiedlichen Tarifen gegenüber. Zwar ist der Kern der Leistungen durch die allgemeinen Bedingungen für Hausratversicherungen weitgehend vorgegeben, aber zusätzliche Leistungen oder erhöhte Entschädigungsgrenzen sind ohne weiteres zu haben. Wer Versicherungssumme und Entschädigungsgrenzen nicht gewissenhaft festlegt, riskiert, dass er nach einem Einbruch auf einem großen Teil des Schadens trotz Versicherungsschutz sitzen bleibt. „Wer etwa alten Schmuck versichern möchte, muss diesen von einem Gutachter schätzen lassen oder entsprechende Zertifikate beibringen“, erläutert Verbraucherschützerin Boss. „Beim Abschluss einer Versicherung ist dann zu prüfen, ob und in welcher Höhe der Versicherungsschutz für diese höherwertigen Gegenstände greift. Oft beschränken die Versicherer die Schadenregulierung etwa für Kunst, Antiquitäten, Gold und Schmuck auf 20 bis 25 Prozent der Versicherungssumme. Höhere Quoten können aber gegen Aufpreis vereinbart werden.“ Was eine Versicherung zu den höherwertigen Gegenständen zählt, steht zum Beispiel in § 13 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und dem Kleingedruckten der Police.
Kommt es zum Wohnungseinbruch mit Diebstahl, steht der Versicherte erneut in der Pflicht. Die Polizei ist unverzüglich zu informieren. Das polizeiliche Protokoll muss dann der Versicherung zusammen mit einer Liste der gestohlenen Gegenstände (mit Beschreibung, Wert und Aufbewahrungsort) zugeschickt werden. Die sogenannte Stehlgutliste ist natürlich auch der Polizei vorzulegen.
Probleme bei der Beweispflicht
Damit ist die Arbeit des Versicherungskunden aber häufig noch längst nicht getan: Die Beweispflicht für den Einbruchdiebstahl und den entstandenen Schaden liegt nämlich beim Versicherungsnehmer. Bianca Boss kennt die Probleme der Bestohlenen bei der Schadenregulierung mit den Versicherern nur zu gut. „Die meisten Beschwerden von Verbrauchern erreichen uns zur Beweispflicht. Die liegt nämlich gänzlich beim Versicherten. Das ist aber vielen nicht vollends klar“, sagt Boss. “Der Versicherte muss nachweisen, dass tatsächlich ein Einbruchdiebstahl vorliegt, dass ihm die gestohlenen Gegenstände auch tatsächlich gehört haben und welchen Wert diese haben.“
Dass es auf diesem Gebiet oftmals Uneinigkeit zwischen Versicherung und Versicherungskunden gibt, bestätigt auch der Versicherungsombudsmann Günter Hirsch, dessen Ombudsstelle 2012 rund 700 Beschwerden gegen Hausratversicherer außergerichtlich verhandelt hat: „Insbesondere geht es immer wieder um den Nachweis, dass überhaupt in das Haus oder die Wohnung eingebrochen wurde.
Fehlen Einbruchspuren, ist es für den Versicherungsnehmer schwierig, den ihm obliegenden Nachweis zu erbringen, dass jemand gewaltsam oder mithilfe eines falschen Schlüssels oder eines Werkzeuges eingedrungen ist.“ Auch an geeigneten Rechnungsbelegen mangelt in den Beschwerdefälle des Öfteren. „Nicht selten haben Versicherungsnehmer Schwierigkeiten, durch entsprechende Belege nachzuweisen, dass etwa ein bestimmtes Schmuckstück oder eine teure Uhr gestohlen wurde und welchen Wert der Gegenstand hatte“, erklärt Hirsch. „Schmuck ist nur versichert, wenn er gesichert aufbewahrt wird, gestohlenes Geld wird zusätzlich nur in begrenzter Höhe erstattet.“
Problematisch ist auch oftmals die Höhe des Schadenersatzes bei Computern, Notebooks und ähnlichen High-Tech-Geräten. „Im Bereich der Elektronikgeräte haben wir tatsächlich das Problem des schnellen Werteverfalls“, berichtet Boss vom Bund der Versicherten. „Zwar erhält der Versicherte den Neuwert des Geräts, aber eben nur ein Gerät gleicher Art und Güte. Das kann zum Zeitpunkt des Einbruchdiebstahls auch deutlich billiger sein, als das gestohlene Gerät“, erklärt Boss vom Bund der Versicherten. „Wem sein altes iPhone gestohlen wird, hat nun mal keinen Anspruch auf das aktuelle Modell. Der technische Fortschritt ist nicht mitversichert. Sonst könnten sich Versicherte im Schadenfall ungerechtfertigt bereichern.“
Markus Becker aus Düsseldorf dann auch ganz zufrieden mit der Schadenregulierung. „Vor allem war ich froh, dass alles relativ schnell geregelt war“, sagt er heute. Otto Clampe hätte sich hingegen zumindest eine Entschuldigung seiner Versicherung erhofft. Er sah sich dem stillen Vorwurf ausgesetzt, den Einbruch nur vorgetäuscht zu haben. „Ich habe meinem Versicherungsmann mehrfach gesagt: Ich bin das Opfer.“
*Namen von der Redaktion geändert