Emnid-Umfrage Sparer auf dem Vormarsch

Immer mehr Deutsche legen Geld zur Seite – trotz Niedrigzins. Dabei parkt fast die Hälfte der Sparer das Geld auf dem Girokonto, wo es kaum Rendite bringt. Eine Sparform erlebt sogar einen zweiten Frühling.

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Drei Sparschweine stehen vor dem Deutschen Bundestag in Berlin. Immer mehr Deutsche legen Geld zur Seite. Quelle: dpa

Die These „Sparen lohnt sich nicht mehr" kursiert seit langem. Klar aber ist: Wer spart, hat am Ende mehr Vermögen als jeder Nicht-Sparer, Zins hin oder her. Wer alles Geld in den Konsum steckt, hat nichts mehr zum Sparen übrig, kann sich kein finanzielles Polster aufbauen. Eine repräsentative Emnid-Umfrage im Auftrag der Postbank zeigt jetzt, dass diese Erkenntnis auch in der Bevölkerung verbreitet ist. Die Untersuchung basiert auf 1000 Interviews mit Menschen im Alter ab 16 Jahren und liegt dem Handelsblatt vor.

Gut acht Jahre ist es jetzt her, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins sukzessive von 4,25 Prozent auf aktuell null Prozent absenkte. In der Folge sind auch die Renditen für Tages- und Festgeld, Sparbücher und Lebenspolicen gegen den Nullpunkt gesunken. Wer glaubt, das zermürbe allmählich selbst die treuesten Sparer, liegt falsch.

Der anhaltenden Niedrigzinsphase zum Trotz bilden die Deutschen wieder mehr Rücklagen als in den Vorjahren. Demnach legen im Durchschnitt 80,4 Prozent aller Bundesbürger Geld zur Seite, im Vorjahr waren es 75,8 Prozent gewesen. Seit Start der jährlich durchgeführten Umfrage war die Zahl nur 2011 höher, lag damals mit 81,5 Prozent sogar knapp über dem aktuellen Niveau.

Eine erfreuliche Entwicklung, findet Thomas Schlüter vom Bankenverband. „Es ist gut, dass in Niedrigzins-Zeiten wieder mehr gespart wird“, sagt der Experte. Durch die anhaltend gute Konjunkturentwicklung und den positiven Trend auf dem Arbeitsmarkt haben mehr Deutsche Geld übrig. Die Arbeitslosenzahlen sind so niedrig wie lange nicht mehr. Mehr Bürgerinnen und Bürger können es sich leisten, Rücklagen zu bilden, weil sie über ein regelmäßiges Einkommen verfügen.

Trotz der guten Wirtschaftslage haben viele der befragten Zukunftssorgen. Die Konjunkturerwartungen gehen stetig zurück. „Terrorgefahr, Banken in der Krise, Wertverfall des Euro, Brexit-Votum der britischen Bevölkerung – es gibt viele Unwägbarkeiten dieser Tage“, sagt Schlüter. All das könnte die Menschen animieren, für schlechtere Zeiten vorzusorgen. Es gibt viele ungelöste Probleme, viele Unsicherheitsfaktoren in Europa.

Während zwar wieder mehr Deutsche Rücklagen bilden, tendieren die Befragten im Vergleich zu 2015 gleichzeitig dazu, pro Person weniger zurücklegen. 2015 reduzierten 8,9 Prozent ihre Sparleistungen, in diesem Jahr sind es der Umfrage zufolge sogar 11,4 Prozent. 14,5 Prozent der befragten Frauen sparen heute überhaupt nicht mehr, bei den Männern sind es acht Prozent.

Besonders die jungen Deutschen scheinen die Zukunft im Blick zu haben. Sie sparen gegen den Trend mehr: Jeder vierte 16- bis 29-Jährige (24,2 Prozent) legt aktuell mehr auf die hohe Kante als noch vor einem Jahr – der Durchschnitt liegt bei 10,1 Prozent. Eine mögliche Erklärung ist das schwindende Vertrauen in die gesetzliche Rente. Die jüngere Generation weiß, dass nur mit privater Vorsorge Wohlstand im Alter zu sichern sein wird – da kann man nicht früh genug mit dem Sparen beginnen.

Geld allein macht bekanntlich nicht glücklich. Gleiches ließe sich wohl über das Sparen sagen. Aber wer sparen kann, darf sich glücklich schätzen. Insgesamt herrscht große Zufriedenheit im Land der angeblich ewig Unzufriedenen. Knapp Dreiviertel aller Bundesbürger sind mit ihrer finanziellen Situation zufrieden, dazu zählt die Umfrage Einkommen, Ersparnisse, Geldanlagen und Ausgaben. Nur jeder Vierte ist unzufrieden.


Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern

Ob das Finanzpolster aus einem guten Einkommen finanziert wurde oder durch eiserne Disziplin spielt dabei keine Rolle. Beides mache stolz und steigere die Zufriedenheit, so die Umfrage. Wer Geld auf der hohen Kante hat, fühlt sich sicherer und kann sich manchen Wunsch erfüllen.

In diesem Punkt unterscheiden sich die alten und die neuen Bundesländer noch deutlich. Während die Westdeutschen ihre Finanzen gut bewerten (75,6 Prozent zufrieden) sind es im Osten nur 65 Prozent. Besonders zufrieden ist die Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen (81 Prozent), der Durchschnitt liegt bei 73,5 Prozent. 86,4 Prozent der Bundesbürger, die zufrieden mit ihrer aktuellen finanziellen Situation sind, bilden Rücklagen. Von denen, die unzufrieden sind, sparen nur 65,5 Prozent.

Gerade in Zeiten, in denen kaum eine Anlage nennenswerte Rendite bringt, stellt sich die Frage, wohin mit dem Geld? Welche Anlageformen bevorzugen die Sparer? Wie schon in den Vorjahren parkt fast die Hälfte der Befragten ihre Ersparnisse auf dem Girokonto (47 Prozent). Einen zweiten Frühling erlebt der Bausparvertrag. Von vielen bereits als unattraktiv und antiquiert abgeschrieben, gewinnt das Bausparen wieder deutlich an Beliebtheit. Heute besparen ihn 27,5 Prozent, im Vorjahr hingegen nur 19,7 Prozent.

Fonds und Aktien, Anlageformen, die den Deutschen eher fremd sind, werden derzeit von 19,8 Prozent der Befragten genutzt. Das entspricht einer leichten Steigerung zum Vorjahr. Bankenverbandssprecher Schlüter empfiehlt zu streuen: „Sparer sollten nicht alles auf ein Pferd setzen.“ Gerade wer weit in die Zukunft plane, solle sich die Möglichkeiten des Kapitalmarktes zunutze machen. „Ein Teil der Ersparnisse sollte dann in langfristige Produkte wie Aktien und Fonds fließen, zum Beispiel ETFs“, rät Schlüter.

Das Tagesgeldkonto ist in der Sparergunst deutlich gesunken und rutscht von 39,8 Prozent in 2015 auf 25,7 Prozent in 2016. Und wer sein Geld keiner Bank anvertrauen möchte, dem bleiben immer noch Strumpf, Sparschwein oder Tresor. Knapp jeder Vierte (22,4 Prozent) verwahrt seine Ersparnisse inzwischen zu Hause. Das ist der höchste Wert seit Start der Vergleichsumfrage im Jahr 2011.

Wer seine Familie für den Ernstfall finanziell absichern und gleichzeitig eine Altersvorsorge aufbauen wollte, dem wurde häufig eine Lebensversicherung ans Herz gelegt. Was früher zur finanziellen Standardausstattung gehörte, gerät nun scheinbar aus der Mode. Nur 18,8 Prozent vertrauen auf eine Lebensversicherung – damit erreicht der Wert seit 2011 seinen Tiefstand. Auch ein anderer Klassiker des Sparens, das Festgeld, fällt in der Gunst der Deutschen auf die niedrigste Quote seit 2011. Mit nur 13,2 Prozent bildet es das Schlusslicht der Rangliste, der niedrigste Wert für Festgeld in der Geschichte der Umfrage.

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