Europas Versicherer im Stresstest Das 160 Milliarden-Risiko

Seite 2/2

Namen werden nicht genannt

Anders als bei den Stresstests der Banken nannte der oberste Versicherungs-Aufseher keine Namen möglicher Wackelkandidaten. Welche Assekuranzen deswegen tatsächlich betroffen sein könnten, kann so nur spekuliert werden. Dass große Häuser wie Allianz, Axa oder Generali darunter sind, gilt wegen deren Kapitalstärke als so gut wie ausgeschlossen. Vielmehr dürften es Namen aus dem kleinen und mittleren Segment sein, die einen hohen Anteil langlaufender Lebensversicherungen im Portfolio haben.

Gerade Policen, die schon im vergangenen Jahrtausend abgeschlossen wurden, garantieren den Kunden noch immer Zinsen von vier Prozent. Dagegen ist am Kapitalmarkt im Moment weit weniger als die Hälfte zu erlösen. Dass eine solche Konstellation auch bei einem soliden finanziellen Polster und eifrigen Sparbemühungen der Branche nicht dauerhaft gut gehen kann, ist offensichtlich.

Beim vorherigen Stresstest vor zwei Jahren zeigte sich, dass fast ein Viertel der großen Versicherer in Europa in acht bis elf Jahren in Schwierigkeiten geraten könnten, sollte die Dauer-Niedrigzinsphase anhalten. Diesmal hat man ein etwas anderes Schema gewählt und den Kreis der getesteten Unternehmen auch auf kleinere Versicherer ausgeweitet. Während die Behörde es damals für ausreichend hielt, nur 50 Prozent des Marktes abzudecken, waren es diesmal 77 Prozent. Getestet wurden damit auch kleinere Versicherer, denen notfalls ihre größere Mutter im Krisenfall helfen könnte.

Wer weniger als ein Prozent Marktanteil hat, ist allerdings weiter außen vor. Vor zwei Jahren kamen die meisten Versicherer, denen Gefahr droht, aus Deutschland, Österreich, Schweden und Malta. Diesmal fällt auf, dass ein Andauern der aktuellen Niedrigzinsphase vor allem die Versicherer aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden belasten dürfte.

Bei den Versicherern selbst sind sie sich ihrer aufziehenden Probleme durchaus bewusst. Panik lösen sie aber nicht aus. „Die Ergebnisse des Eiopa-Stresstests sind vor dem Hintergrund der herausfordernden Zinssituation und der extremen Testszenarien nicht überraschend. Gleichzeitig ist die Aussagekraft der Tests gering, da die Szenarien auf sehr unwahrscheinlichen Annahmen beruhen“, wertet Axel Wehling vom Brancheverband GDV in eine ersten Reaktion das Ergebnis. Wesentlich wichtiger für die Beurteilung der Branchenlage sind seiner Meinung nach die Solvenzquoten unter Solvency II, die sich seit Inkrafttreten des Regelwerks zu Jahresanfang erfreulich stabil gezeigt haben.

In vielen Fällen sind die Versicherer aber auch gefangen in einem Korsett, das spekulativere und damit risikoreichere Anlage nicht erlaubt. Deswegen ruhen noch immer knapp 90 Prozent der Anlagen in festverzinslichen Wertpapieren. „Kommen dann tatsächlich neue interessante Papiere auf den Markt, dann kauft sie uns Herr Draghi weg“, schimpfte kürzlich der Chef einer mittelgroßen deutschen Versicherung. Erst in der vergangenen Woche verlängerte der EZB-Präsident das milliardenschwere Anleiheaufkaufprogramm bis Dezember 2017.

Neue Anlageklassen müssen also her. Besonders gefragt sind dabei Infrastrukturprojekte wie Straßen, Strom- und Gasnetze oder Tunnels. Die Assekuranzen sind dabei jetzt schon der größte Abnehmer, wenn Projekte auf den Markt kommen. Einziges Problem: Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Erst am Donnerstag hatte die Allianz beispielsweise bekanntgegeben, dass sie 49 Prozent der österreichischen Gas Connect vom Mineralölkonzern OMV übernommen hat. Ähnliche Abschlüsse meldete die Allianz zuletzt in Großbritannien und Bulgarien.

Der große Prozess des Wandels hat für die Versicherer gerade erst begonnen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%