Finanzmarkt So sichern Anleger ihr Depot gegen Kurseinbrüche

Die Euro- und Schuldenkrise hat jüngst für heftige Kursschwankungen an den Weltbörsen gesorgt. Wie Anleger ihr Depot vor kurzfristigen Kurseinbrüchen schützen können, was das kostet.

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Kursentwicklung und Schwankungsbreite des Dax

Protestierende Griechen auf den Bildschirmen und irgendjemand, der die falschen Knöpfe drückte – die Panik an der Wall Street brach am ersten Donnerstag im Mai blitzartig aus. Binnen weniger Minuten stürzte der Dow Jones um fast 1000 Punkte ab, minus 9,2 Prozent. Er erholte sich seither wieder, doch der Blitzcrash öffnete Anlegern die Augen: Der Börsenaufschwung ist wackliger denn je, heftige Ausschläge drohen. Wer ihnen weniger stark ausgeliefert sein will, setzt auf dividendenstarke Aktien wie BASF, Deutsche Telekom und Nestlé. „Defensive Werte mit Dividendenchancen sind weiter erste Wahl“, sagt Klaus Kaldemorgen, Geschäftsführer der Deutsche-Bank-Tochter DWS.

Wer riskantere Titel hält oder Abstürzen komplett entgehen will, kann sein Depot absichern. Sinn macht dies zum Beispiel dann, wenn die Aktien bereits steuerfreie Kursgewinne eingefahren haben. Zur Absicherung bieten sich drei Wege an: Limits setzen, Einsatz von Zertifikaten, Teile des Depots mit Puts sichern.

Vor- und Nachteile von Stop-Loss-Limits

Die einfachste Art, sein Depot vor allzu heftigen Kursrückschlägen zu schützen, ist, ein Stop-Loss-Limit zu setzen. Dafür erteilt der Anleger der Bank eine Verkaufsorder, die diese ausführt, wenn die Aktie auf das vorher festgelegte Verkaufsniveau gefallen ist. Experten empfehlen, Verluste auf 10 bis 25 Prozent zu begrenzen. Um problemlos verkaufen zu können, sollte ein Stopp-Kurs aber nie direkt bei viel beachteten, runden Marken liegen – etwa bei 50, 60 oder 70 Euro.

Zum einen wollen hier dann viele verkaufen, sodass die Kurse sehr schnell fallen können. Zum anderen drücken Profis Kurse gelegentlich nur zeitweise unter diese Marken und fischen dann die automatisch verkauften Aktien billig ab. Mit selbst gesetzten Stop-Loss-Limits die Reißleine zu ziehen scheint banal, ist aber eine hohe psychologische Hürde. „Verluste auszusitzen macht wenig Sinn, doch genau dies tun viele Anleger“, sagt Roland Ziegler, Aktienmarktstratege der BHF-Bank.

Nachteil von Stop-Losses: Der Anleger verkauft seine Aktien automatisch, wenn die Marke erreicht ist, und ärgert sich, wenn die Kurse wieder anziehen. Die Papiere ins Depot zurückzuholen, kostet kräftig Gebühren. Auch ein etwaiger Steuervorteil geht verloren: Wer vor 2009 gekaufte Aktien besitzt, muss auf den Veräußerungsgewinn keine Abgeltungsteuer zahlen. Bei einem Satz von 25 Prozent kann es sich lohnen, Aktien trotz Absturz zu halten.

Zertifikate behutsam nutzen

Sein mühevoll zusammengestelltes Portfolio muss ein Anleger dagegen nicht auflösen, wenn er zu Knock-out-Zertifikaten greift. Mit diesen Mini-Futures setzt der Anleger auf fallende Kurse und mildert durch das Gegengeschäft seine Verluste ab, ohne gleich die eigenen Aktien verkaufen zu müssen. Weiterer Vorteil: Mit einem geringen Kapitaleinsatz ist die Versicherung des gesamten Depots möglich.

Der Grund dafür ist ein Hebel, der die Wertentwicklung des zugrunde liegenden Basiswertes multipliziert. Das funktioniert jedoch in beide Richtungen. Im schlimmsten Fall wird das Zertifikat so nahezu wertlos. „Je höher der Hebel, desto geringer der Kapitaleinsatz, aber desto niedriger auch die Knock-out-Schwelle“, warnt Derivateexperte Christian Schmitz von Goldman Sachs. Jene Knock-out-Schwelle sorgt für das finanzielle K.o. des Zertifikats: Wenn dessen Kurs innerhalb der Laufzeit die Schwelle auch nur berührt, geht der Anleger leer aus.

Optionsscheine kombinieren

Absicherung eines Depots

Verkaufsoptionen (Put-Optionsscheine) gehen dagegen nicht k.o., sie können sich sogar nach starken Kursausschlägen problemlos erholen. Auch mit ihnen setzt der Anleger auf fallende Kurse, um sein Depot abzusichern. Fährt er drei Wochen in Urlaub, kann er sich jedoch sicher sein, dass er weiterhin abgesichert ist – anders beim Zertifikat, das seine Schwelle berührt.

Allerdings sind auch Puts mit Vorsicht zu handhaben. Selbst gestandenen Fondsmanagern fehlt manchmal das Spezialwissen. Die DWS hat deshalb ein eigenes Team von Derivate-Experten aufgebaut. „So können sich Fondsmanager auf die Aktienauswahl konzentrieren, während das Expertenteam beispielsweise das Marktrisiko absichert“, sagt Martin Schneider vom Derivateteam der DWS.

Anleger, die auf eigene Faust Optionsscheine zur Sicherung einsetzen, sollten „eine klare Vorstellung haben, in welche Richtung sich der Markt entwickelt“, sagt Jens Spaniol, Leiter des Optionsgeschäfts Privatkunden der Commerzbank. Und sie sollten die wichtigste Kennzahl von Optionen, das Delta, beachten. Es gibt an, wie sehr sich der Wert des Optionsscheins ändert, wenn sich der zugrunde liegende Basiswert, zum Beispiel der Dax, bewegt. Die Skala reicht dabei von null bis eins. Hat ein Put ein Delta von 0,5, so steigt er halb so stark wie der Basiswert.

Absicherung: In vielen Fällen reichen Puts

Das Absicherungsinstrument sollte dem eigenen Depot möglichst nahe kommen. Im Fachjargon ist vom Beta-Hedge die Rede. Um einem typischen Portfolio annähernd gerecht zu werden, reichen in vielen Fällen Puts auf einen oder mehrere Indizes. „Eine Absicherung mit Optionen lohnt sich erst ab einem Depotwert von 20.000 bis 25.000 Euro“, empfiehlt Spaniol. Denn die Optionsscheine sind teuer. Je mehr die Kurse schwanken, umso teurer. Die Schwankungsbreite des Dax lässt sich am V-Dax ablesen. Sie war Anfang Mai nach dem Blitzcrash besonders hoch und die Puts teuer (siehe Tabelle).

Anleger sollten deshalb nicht das Depot zu 100 Prozent absichern, sondern sich die Frage stellen, wie viel Verlust sie bereit sind, in Kauf zu nehmen. Wer zum Beispiel 100 Adidas-Aktien bis nächstes Jahr sichern will, die derzeit bei knapp 42 Euro notieren, zahlt für einen Put mit dem Sicherheitslevel (Basispreis) von 35 Euro stolze 139 Euro – 3,3 Prozent der Anlagesumme. Wer, noch vorsichtiger, die Aktien bei 40 Euro absichern will, zahlt 244 Euro, gleich 5,8 Prozent.

Es macht sich also stark bemerkbar welches Level der Anleger wählt. Spaniol empfiehlt Puts „im Geld“, deren zugrunde liegender Wert also nahe des Basispreises liegt. Damit der Handel auch liquide ist, rät er dazu, nur Puts zu kaufen, deren Restlaufzeit nicht mehr als sechs Monate beträgt. „Klassische Puts lohnen sich im Regelfall nur über kürzere Zeiträume“, bestätigt Stratege Ziegler. Zusätzlich zu etwa drei Monaten, die sie gehalten werden, sollten Anleger drei Monate Puffer einbauen. Denn je näher ein Put seinem Verfallsdatum kommt, desto mehr verliert er an Wert. Mit dem Puffer ist diesem Zeitwertverlust ein kleines Schnippchen zu schlagen.

Für allzu große Pessimisten sind Puts, Zertifikate oder Stop-Loss-Limits jedoch nichts. „Wer mit langfristig fallenden Kursen rechnet, sollte lieber die Aktienquote reduzieren und auf defensive Werte setzen, als Optionen oder Zertifikate zur Absicherung zu kaufen“, rät Ziegler. 

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