Geldanlage Bankberater: Vertrauen verspielt

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Bedrückend ist auch der Fall einer Frau aus Duisburg. Sie ist auf Hartz IV angewiesen. Der Berater einer Bank war zu Besuch in ihre Wohnung gekommen, um mit ihr über die Finanzierung einer neuen Küche zu sprechen. Die Dame kann weder lesen noch schreiben. Mit Mühe kritzelte sie ihren Namen – fehlerhaft – auf das Unterschriftenfeld des Kreditvertrags. Dass der Berater die Ahnungslosigkeit der Kundin bis über die Schamgrenze hinaus ausgenutzt hat, zeigt sich auch darin, dass er die monatliche Rückzahlungsrate so hoch ansetzte, dass sie die gesamte Sozialhilfe aufzehrte. Das sind keine Einzelfälle. Laut einer Untersuchung des Verbraucherschutzministeriums verlieren Sparer wegen schlechter Finanzberatung bis zu 30 Milliarden Euro im Jahr.

Es steht zu befürchten, dass sich die Lage verschlimmert. Weil Anleger, verängstigt durch die Finanzkrise zunehmend auf Sicherheit setzen, wird es für die Kundenbetreuer immer schwieriger, Aktien, Fonds und Zertifikate zu verkaufen. Doch die Verkaufsvorgaben werden oft nicht an das neue Anlage-Umfeld angepasst.

Bei der Commerzbank wurden die Verkaufsziele nach Aussage von Mitarbeitern für 2009 im Vergleich zum Vorjahr angehoben, allerdings inhaltlich neu gestaltet. Das Absatzziel für Wertpapiere sei gesenkt worden, dafür müssten mehr Konsumentenkredite und Vorsorgeprodukte verkauft werden. Von der Commerzbank heißt es hierzu in einer schriftlichen Stellungnahme: „Wir haben keine Erhöhung der Ertragsziele für das Jahr 2009 vorgenommen. Die Commerzbank kalkuliert für ihre Produkte Absatzziele aufgrund von Marktanalysen.“ Änderten sich die Rahmenbedingungen und damit das Kundenverhalten, „wird das in der Absatzplanung berücksichtigt“.

„Es ist geradezu aberwitzig“, schreibt dagegen ein Mitarbeiter der Commerzbank an Verdi „welche Umsätze von den neuen Vorsorgespezialisten gefordert werden.“

Ein Commerzbank-Mitarbeiter beklagt ebenfalls, dass er dafür bestraft werde, wenn er einen Neukunden gewinnt. Derzeit lockt die Commerzbank Neukunden mit einer Prämie in Höhe von 50 Euro. Nach Aussage eines Mitarbeiters wird anschließend das „Umsatz“-Konto der Filiale, die den Kunden gewonnen hat, mit diesen 50 Euro belastet. Das hat zur Folge, dass die Filiale erst woanders wieder 50 Euro reinholen muss, um das Minus auszugleichen. Gewinnt eine Filiale viele Neukunden, wirft sie das im Vergleich zu anderen zurück, und gerade unter den Filial- und Bereichsleitern wird viel Wert darauf gelegt, dass ihre Zweigstellen im internen Ranking weit vorn liegen. Die Commerzbank wollte sich zu diesem Punkt nicht konkret äußern.

Quote: Kundendepot muss zweimal im Jahr umgeschichtet werden

Besonders prekär sind Vorkommnisse bei den Wertpapierspezialisten. Zwei Mitarbeiter erklären, dass sie, um ihre Ertragsziele zu erreichen, gezwungen sind, das Depot ihrer Kunden im Durchschnitt zweimal jährlich komplett umzuschichten. Der WirtschaftsWoche liegt hierzu eine schriftliche Aussage vor. Die Commerzbank bestreitet, dass es eine solche Quote gibt. „Wir setzen im Filialgeschäft auf den Aufbau von langfristigen, partnerschaftlichen Kundenbeziehungen.“

Bei der Deutschen Bank ergibt sich ein widersprüchliches Bild. Laut einem Sprecher wurden die Ziele der Berater für 2009 im Vergleich zum Vorjahr nicht erhöht. Zwei Mitarbeiter der Deutschen Bank bestätigten das gegenüber der WirtschaftsWoche. Ein Bereichsleiter aus NRW und ein Filialmitarbeiter aus Norddeutschland erklärten jedoch, dass ihre Ziele, außer im Wertpapiergeschäft, in allen Kategorien erhöht wurden.

Ähnlich sieht es bei der Berliner Volksbank aus. Hier werden Provisions- und Zinsergebnisse der Filialen gemessen. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Ziele für alle Standorte angehoben. „Das betrifft circa 90 Prozent“, sagt ein Insider. Eine Sprecherin der Berliner Volksbank sagte hierzu, dass die Bank „konkrete und nachvollziehbare Vertriebsziele definiert“ habe, um den Erfolg des Unternehmens messbar steuern zu können.

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