Geldanlage Bankberater: Vertrauen verspielt

Ihr Bankberater bekommt immer mehr Druck. Sein Problem? Nicht nur. Es kann auch Ihres werden – weil er Ihnen deshalb zu oft die falschen Produkte verkauft.

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Dieses Symbolbild mutet an wie Quelle: dpa-tmn

Es ist immer wieder dasselbe. „Der Wert meines Fonds ist gefallen. Wie kann das sein. Sie hatten mir doch Gewinne in Aussicht gestellt.“ Allen Zwischenerholungen an der Börse zum Trotz hören Berater wie der 38-jährige Gerhard G., der bei einer Großbank in Nordrhein-Westfalen arbeitet, solche Vorwürfe von ihren verunsicherten Kunden. Mit Beginn der Finanzkrise rutschten vor allem aktienlastige Depots ins Minus. „Das ist alles ihre Schuld. Sie haben mir den Fonds empfohlen“, zitiert Gerhard G. aus einem für diese Tage typischen Kundengespräch.

Während sich Anlagestrategen und Bankvorstände in den Hochhäusern der Institute fernab vom Kundengeschäft verschanzen können, müssen die Berater an die Front, müssen die Wut und Enttäuschung der Kunden aushalten. Täglich stehen sie vor dem Problem, es allen recht machen zu müssen. Kunden erwarten, dass die Berater sich auf ihre Bedürfnisse konzentrieren. Die Banken wollen, dass ihre Mitarbeiter viel verkaufen. Der Spagat zwischen beiden Seiten ist schwierig. Berater kämpften „jeden Tag gegen unwürdige Zielvorgaben ums blanke Überleben“, schreibt der Mitarbeiter einer privaten Bank über die Internet-Seite www.verkaufsdruckneindanke.de an die Gewerkschaft Verdi.

Den Filialmitarbeitern der meisten Institute wird konkret vorgegeben, wie viele Konsumentenkredite, Fonds oder Girokonten sie pro Tag zu verkaufen haben. Das hat zur Folge, dass so mancher Anlageberater sich bei der Kundenberatung eher an seinen Verkaufszielen orientiert als am Wunsch des Kunden.

Die meisten Banken schrauben im Privatkundengeschäft die Verkaufsvorgaben für die Berater jetzt noch weiter hoch. Schnelle Rendite um jeden Preis ist hier das Motto — genauso wie im Investment-Banking. Dabei ist durch die Finanzkrise deutlich geworden, dass ein solches Modell langfristig nicht erfolgreich sein kann.

„Stündlich müssen wir Aktivitätslisten abgeben, täglich werden die verkauften Stückzahlen an das Controlling gemeldet“, berichtet der Berater einer kleinen Genossenschaftsbank. „Jeden Dienstag vor der Arbeitszeit gibt es die Anschissrunde bei der Chefin.“ Wer hier nicht volle Zielerfüllung melden könne, müsse bis 21 Uhr bleiben und seine Kunden unter Beobachtung der Chefin abtelefonieren.

Seit die WirtschaftsWoche über die Zustände in Bankfilialen berichtet hat, erreichen die Redaktion regelmäßig derartige E-Mails, in denen Filialmitarbeiter über ihren Alltag berichten.

Der Berater einer großen Sparkasse schreibt: „Ich sehe Kollegen mit Tränen in den Augen aus den Chefzimmern laufen. Kollegen, die mit knapp 30 ihren ersten Herzinfarkt haben. Nach Ansicht unserer Arbeitgeber müssen wir die Ziele erreichen“, egal, wie. „Die Zeiten in denen man für den Kunden da war, sind vorbei.“

Bedarfsgerechte Beratung sieht oft anders aus

Das ist Berater-Alltag nicht nur in Großbanken, Volksbanken und Sparkassen, sondern mittlerweile auch in edlen Privatbanken. „Früher“, so der Berater eines angesehenen Hauses, „hatten wir nur Ertragsziele.“ Heute dagegen würden Produkte eingeführt, kombiniert mit Verkaufsvolumen. Wer das Produkt nicht verkaufen wolle, weil es für seine Kunden nicht geeignet ist, „dem wird eine falsche Einstellung“ vorgeworfen. Solche Zustände führen dazu, dass es immer wieder zu Falschberatung kommt. Das bestätigen viele Berater. „Ob es passt oder nicht: Nach 30 bis 60 Minuten muss irgendetwas verkauft sein“, schreibt der Berater einer Großbank an Verdi.

Wozu das führt, zeigen einige prekäre Fälle, die der WirtschaftsWoche vorliegen.

Darunter der Fall einer fast 90 Jahre alten Frau: Ihr Vermögen über 250.000 Euro sollte sicher und schnell verfügbar angelegt werden. Das Geld war als Rücklage eingeplant, zur Absicherung bei Pflegebedürftigkeit. Auf Rat ihres Bankers steckte sie zwischen Februar 2007 und Januar 2008 fast ihr gesamtes Vermögen in Fonds und Zertifikate – mitten in der Finanzkrise. Bereits nach einem Jahr lag der Verlust bei 36.600 Euro. Hinzu kommt, dass die Zertifikate erst fällig werden, wenn die Dame 95 Jahre alt ist. Bedarfsgerechte Beratung sieht anders aus.

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