Hurrikan Harvey Explodiertes Chemiewerk trifft Versicherer HDI

Für die Schäden an der US-Chemiefabrik, die nach den Überschwemmungen explodiert ist, haftet wohl die Talanx-Tochter HDI. Das Unglück dürfte auch Spuren in den Büchern hinterlassen. Erinnerungen werden wach.

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Eine Aufnahme des französischen Chemiekonzerns Arkema im überschwemmten Gebiet. Am Donnerstag kam es hier zu zwei Explosionen. Quelle: AP

Frankfurt Es sind Bilder wie aus einem Kriegsgebiet. Schwarzer Rauch steigt über dem Gelände nahe Houston auf. In einer überfluteten Chemiefabrik des französischen Konzerns Arkema nordöstlich der Millionenstadt Houston kommt es am Donnerstag zu zwei Explosionen. Der austretende Qualm sei „unglaublich gefährlich“, warnt umgehend die Katastrophenschutzbehörde Fema.

Die Explosionen sind nicht nur ein Problem für die betroffene Bevölkerung – auch 8366 Kilometer entfernt in der niedersächsischen Hauptstadt Hannover wurden sie mit Sorge registriert. Denn für einen wichtigen Teil des Großschadens wird voraussichtlich der zur Talanx-Gruppe gehörende Industrieversicherer HDI Global einspringen müssen. „Wir haben als führender Versicherer das internationale Geschäft des Chemiekonzerns Arkema abgesichert“, sagte ein Sprecher des HDI dem Handelsblatt. Nähere Angaben zu dem Kontrakt lehnte der Versicherer ab.

Für den traditionsreichen Industrieversicherer ist das überflutete Chemiewerk ein spürbarer finanzieller Rückschlag – auch wenn sich die Höhe des Schadens im Chemiewerk noch nicht genau beziffern lässt. Das Feuer ist zwar inzwischen gelöscht, die Behörden konnten jedoch noch keine vollständige Entwarnung geben. Wegen einer ausgefallenen Kühlung könnten instabil gewordene Chemikalien noch immer explodieren und in Brand geraten, hieß es.

Das Feuer war am Donnerstagmorgen in einem Container auf dem Fabrikgelände ausgebrochen, Flammen stiegen bis zu zwölf Meter in den Himmel. Es handelte sich nach Angaben der Feuerwehr um organisches Peroxid, mit dem unter anderem Medikamente und Baumaterialien hergestellt werden. Zunächst waren giftige Emissionen befürchtet worden, später hieß es, von dem Rauch gehe keine Gefahr aus. 200 Anwohner waren aus dem Gebiet evakuiert worden.

Als Industrieversicherer ist die HDI Global, auch wenn das für die Betroffenen zynisch klingen mag, an Katastrophen gewöhnt. Es ist das Geschäft, viele mittelständische und große Firmen weltweit gegen Risiken abzusichern und den Versicherungsschutz spartenübergreifend im Rahmen von internationalen Versicherungsprogrammen zur Verfügung zu stellen.

So wird auch der Versicherungsschutz für die internationalen Werke der Arkema von einem Konsortium getragen, dessen Führung allerdings die HDI innehat, heißt es. Normalerweise gebe der Versicherer keine genauen Auskünfte über seine Kunden und Verträge, betont der HDI-Sprecher. In diesem Fall hätten die Niedersachsen allerdings Anfang Januar die Verbindung in einer Pressemitteilung kund getan, weshalb sie den Umstand nun bestätigen. Auch wenn noch keine Assekuranz selbst konkrete Schätzungen äußern will: Das Beispiel HDI lehrt, dass der Tropensturm auch deutsche Unternehmen trifft.


Erinnerungen an Tianjin

Für die HDI ist der Großschaden in Texas nicht die erste spektakuläre Katastrophe, die ein Loch in die Bücher reißt. Auch die verheerende Explosion 2015 mit 173 Toten in der nordchinesischen Hafenstadt Tianjin hatte die Niedersachsen getroffen. Sie belastete den Versicherer mit 154 Millionen Euro – der bislang teuerste Einzelschaden. Die Explosion zählte zu den schwersten Industrieunglücken der zurückliegenden Jahre in China. Die meisten den 173 Toten waren Feuerwehrleute und Polizisten. Ein chinesisches Gericht verhängte später die Todesstrafe gegen einen Firmenchef, der Bestechungsgeld gezahlt hatte, um mehr als 49.000 Tonnen hochgiftiger Chemikalien illegal in einem Lagerhaus im Hafen von Tianjin unterbringen zu können.

Noch ist die Belastung durch Hurrikan Harvey unklar. Angesichts der bereits verheerenden Schäden in Texas und Louisiana zeichnet sich jedoch ab, dass letztlich eine höhere zweistellige Milliardensumme stehen könnte. Die US-Großbank JP Morgan schätzt die versicherten Schäden auf zehn bis 20 Milliarden Dollar.

Damit würde Harvey zu den zehn teuersten Wirbelstürme der US-Geschichte zählen. Allerdings wäre er für die Versicherer nicht so kostenträchtig wie einst Hurrikan Katrina, der 2005 New Orleans verwüstet hatte und die Branche insgesamt 75 Milliarden Dollar kostete. In Texas hatten viele Bürger darauf verzichtet, sich gegen Überschwemmungen zu versichern – die Haftungssumme dürfte folglich deutlich geringer ausfallen als als die Schätzung für den Gesamtschaden.

US-Präsident Donald Trump will dem Kongress nun ein Hilfspaket in Höhe von 5,9 Milliarden Dollar vorschlagen. Der Vorschlag aus dem Weißen Haus solle sicherstellen, dass in den kommenden Wochen mehr Geld für den Wiederaufbau in den vom Hochwasser betroffenen Regionen verfügbar ist. Indes stieg die Zahl der Todesopfer in Texas von 32 auf 39 – ein Leid, vor dem die finanziellen Schäden der betroffenen Versicherer verblassen.

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