Immobilienfonds Adlon-Fonds-Initiator erzürnt Investoren

Anleger, die ins Nobelhotel Adlon investiert haben, erheben schwere Vorwürfe gegen Immobilienunternehmer Anno August Jagdfeld. Auf dem Gesellschaftertreffen in Berlin entlädt sich die Wut.

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Fondsinitiator Anno August Jagdfeld

Große Worte kommen Anno August Jagdfeld, 63, noch immer leicht über die Lippen. „Besser als der Beste kann man nicht sein“, verkündet der Multi-Unternehmer vollmundig. Und das Adlon am Brandenburger Tor schlage sich in der Krise besser als die anderen Berliner Luxushotels. „Wir haben ein tolles Hotel, eine tolle Lage und einen tollen Namen“, ruft Jagdfeld und blickt erwartungsvoll ins Auditorium.

Doch dort erzielen seine großen Worte nicht die erhoffte Wirkung – im Gegenteil. Einige Zuhörer schütteln mit dem Kopf, andere lachen höhnisch auf. Die Stimmung unter den Eigentümern des wohl bekanntesten Hotels der Republik, die sich am vergangenen Mittwoch zur Gesellschafterversammlung in dessen „Palais-Saal“ im ersten Stock eingefunden haben, ist gereizt.

Die meist älteren Herrschaften haben im Schnitt 50.000 Euro in den Fundus Fonds 31 investiert, den Jagdfeld Mitte der Neunzigerjahre zum Wiederaufbau des traditionsreichen Adlon aufgelegt hatte. Insgesamt haben 5000 Anleger aus ganz Deutschland rund 220 Millionen Euro in das Projekt gesteckt – in der Hoffnung auf ordentliche Renditen im Alter und beeindruckt von den Zukunftsvisionen Jagdfelds, der versprach, „Werte von historischer Bedeutung“ zu schaffen.

Die Wut der Anleger wächst

Doch von den Visionen ist nicht mehr viel geblieben. Statt wie einst avisiert vier Prozent oder mehr pro Jahr, erhalten die Anleger für 2008 keinen Cent. Und Besserung ist nicht in Sicht: Die Auslastung des Adlon lag im Juli nur bei 42,3 Prozent, ein Jahr zuvor waren es immerhin 52 Prozent. Eine betagte Anlegerin fragt sich besorgt, ob sie „die nächste Ausschüttung noch erleben“ wird.

Das Adlon könne sich der Wirtschaftskrise eben nicht entziehen, sagt Jagdfeld. Der Abschwung treffe das Luxussegment besonders hart, so sei auch der Champagner-Umsatz hierzulande um 40 Prozent gefallen. Doch sein Selbstbewusstsein ist ungebrochen: „Was wir beeinflussen können, läuft richtig gut“, tönt er ungerührt.

Schwere Interessenkonflikte

Angesichts ausbleibender Selbstkritik platzt selbst friedlich scheinenden Anlegern der Kragen. Ein älterer Herr mit gepflegtem Äußeren, der wahrlich nicht wie ein Rebell wirkt, schreitet zum Mikrofon im Mittelgang des Saals und sagt: „Herr Jagdfeld, es wird langsam schwierig, Sie zu ertragen. Ihre Arroganz ist nicht mehr hinnehmbar.“

Der daraufhin aufbrandende Beifall dokumentiert die wachsende Wut der Anleger auf den Immobilienunternehmer. Sicher: Von Anfang an war klar, dass Jagdfelds Rolle beim Adlon-Projekt schwere Interessenkonflikte birgt. Firmen seines Imperiums haben nicht nur den Fonds aufgelegt, sondern auch in dessen Auftrag das Hotel gebaut (die Bredero-Gruppe) und eingerichtet (die AMJ Design GmbH von Jagdfeld-Gattin Anne Maria). Zudem betreibt die Familie auf dem Hotelgelände Restaurants, Bars, einen Wellnessbereich sowie den exklusiven China-Club, einen Treffpunkt der Berliner Polit- und Wirtschaftsprominenz.

Blick auf das Hotel Adlon in Quelle: dpa/dpaweb

Das alles ist clever gemacht: Während Jagdfeld-Firmen viele Millionen für Bauarbeiten, Fondsmanagement und Innenausstattung kassiert haben, liegt das Risiko in erster Linie bei den Fondsanlegern als Eigentümern des Hotels. Und obwohl das Kapital hauptsächlich von anderen kommt, hat Jagdfeld fast uneingeschränkte Macht: Da seine Fundus-Gruppe den Fonds aufgelegt hat, ist er auch dessen Geschäftsführer – und verhandelt in dieser Funktion mit Vertretern seiner eigenen Firmen über Miet- oder Bauverträge. Wie hart er dabei im Interesse der Anleger um Konditionen ringt, bleibt im Dunkeln.

Doch die Anzeichen dafür, dass Jagdfeld seine widerstrebenden Interessen nicht immer fair austariert, mehren sich. Als Fondsgeschäftsführer hat er kürzlich der familieneigenen Adlon Holding (AH), die die Restaurants, Bars und den Wellnessbereich betreibt, einen Pachtverzicht gewährt. Der Deal sieht vor, dass die AH für den Zeitraum von Oktober 2008 bis Dezember 2009 keinen Cent Pacht zahlen muss. Insgesamt soll der Fonds auf 3,6 Millionen Euro verzichten.

Anleger argwöhnen, dass Jagdfeld allzu schnell bereit war, der von seinem Sohn Julius geführten AH die Zahlungen zu erlassen. „Der Verdacht liegt nahe, dass Herrn Jagdfeld die Interessen der Adlon Holding mehr am Herzen liegen als die des Fonds“, sagt Anlegervertreter Heinz Weber, Mitglied des dreiköpfigen Fonds-Verwaltungsrats.

„Meckern kann doch Jeder“

Der Gescholtene selbst beteuert auf der Gesellschafterversammlung immer wieder, er habe aus seiner Sicht „alternativlos und richtig“ gehandelt. Die AH habe in den vergangenen Jahren fünf Millionen Euro Verluste angehäuft. Eine Pleite des Pächters wäre für den Fonds „zehnmal schlimmer“ als der Pachtverzicht, so Jagdfeld. „Dann stünden 7000 Quadratmeter leer.“ Und einen alternativen Pächter für die Bars und Restaurants an der schwierigen Südseite des Hotels gebe es nicht. „Aber wenn mir einer einen liefern kann, soll er sich melden“, ruft er den Anlegern zu. „Meckern kann doch jeder.“

Darüber hinaus gebe es gute Gründe für Kulanz gegenüber der AH, argumentiert Jagdfeld weiter. Schließlich hätten langwierige und laute Bauarbeiten auf dem Hotelgelände deren Geschäfte massiv beeinträchtigt. Die Frage eines Anlegers, ob für die Bauverzögerungen nicht die ihm gehörende Baufirma Bredero zur Verantwortung gezogen werden könne, verneint Jagdfeld kurz angebunden.

Unkonzentriert und dünnhäutig

Die scharfe Kritik am schweren Interessenkonflikt lässt ihn kalt. Verflechtungen seien in Deutschland völlig normal und „an sich nichts Unmoralisches“, meint er. In diesem Fall hätten sie sogar positive Folgen für den Fonds und die Anleger. Denn weil die AH seiner Familie gehöre, stehe sie weiter „loyal“ zum Hotel. „Jeder andere Pächter wäre längst ausgezogen,“ sagt Jagdfeld.

Nach diesen Worten geht ein kollektives Raunen durch den Saal. Immer mehr Anleger äußern mit Zwischenrufen ihren Unmut, vereinzelt sind Buhrufe zu hören. Anders als in den Vorjahren gelingt es dem charismatischen Jagdfeld nicht, eine Mehrheit der Zuhörer auf seine Seite zu ziehen. Der 63-Jährige wirkt unkonzentriert, wiederholt müssen ihn Zuhörer bitten, lauter zu sprechen. Auf Kritik reagiert er dünnhäutig: „Lassen Sie mich meinen Vortrag halten, wie ich will“, weist er einen Zwischenrufer zurecht, der ihn aufgefordert hatte, zum Punkt zu kommen.

Verhandlungen zwischen Vater und Sohn

Für besonderen Unmut unter den Anlegern sorgt die Tatsache, dass ihr Geschäftsführer den Pachtverzicht zunächst allein durchziehen wollte. Erst auf Initiative von Verwaltungsrat Weber wurde die von Jagdfeld verhandelte Pachtverzichtsvereinbarung zwischen der AH und dem Fonds juristisch geprüft. Der damit beauftragte neutrale Anwalt sei zu dem Schluss gekommen, dass der Vertrag der „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ nicht genüge, berichtet Weber.

Inzwischen ist die von Jagdfeld vorgelegte Vertragsversion, die laut Weber „sehr pauschal“ formuliert war, auf Druck des Verwaltungsrats überarbeitet worden. Die AH hat sich jetzt verpflichtet, die ausgefallene Pacht nachzuzahlen, sobald sie wieder Gewinne macht. Aber das reicht Weber nicht. Der kernige Bayer aus Altötting will verhindern, dass Jagdfeld weiter nach Gutsherrenart über die Geschicke des Fonds entscheidet. Er hat im Juni die Schutzgemeinschaft der Adlon-Anleger ins Leben gerufen, der sich seither 70 Gesellschafter angeschlossen haben. Die Rebellen wollen wissen, wie intensiv Fondsgeschäftsführer Jagdfeld tatsächlich über den Pachtverzicht verhandelt hat.

Staatsanwälte sind alarmiert

Ihr Rechtsanwalt Thomas Fritsch von der Kanzlei Probandt & Partner in Berlin hat deshalb im Auftrag der Anleger eine Auskunftsklage beim Amtsgericht Düren – der offizielle Sitz der Fondsgesellschaft ist im benachbarten Vettweiß – eingereicht. Der Jurist will sämtliche Dokumente und den Schriftverkehr einsehen, die es im Zusammenhang mit dem Pachtverzicht gibt. Mit einer Entscheidung des Gerichts sei „im November“ zu rechnen, sagt Fritsch.

Wenn sich herausstellen sollte, dass Jagdfeld voreilig zum Pachtverzicht bereit war, könnte ihm das großen juristischen Ärger bescheren. Denn als Fondsgeschäftsführer ist der Multi-Unternehmer laut Gesetz verpflichtet, die Interessen des Fonds zu vertreten.

Ein Adlon-Anleger hat Jagdfeld bereits wegen des Verdachts auf Untreue bei der Staatsanwaltschaft Aachen angezeigt. Die Aachener Ermittler haben den Fall vor einigen Wochen an die Kollegen von der Schwerpunktabteilung Wirtschaftskriminalität in Köln abgegeben. „Wir prüfen die Vorwürfe gerade“, sagt Staatsanwalt Tino Seesko.

Keine Mehrheiten gegen Jagdfeld

Auch an einer weiteren Front hat Jagdfeld juristischen Ärger. Anwalt Fritsch will ihn gerichtlich zwingen, die Liste mit den Namen und Adressen der Fondsanleger herauszurücken. Denn die Schutzgemeinschaft hat ein Problem: Sie kann auf Gesellschafterversammlungen keine Mehrheiten gegen Jagdfeld organisieren, weil – wie auch an diesem Mittwoch – stets nur einige Hundert Anleger persönlich erscheinen. Die große Mehrheit bleibt zu Hause und überlässt das Stimmrecht dem Treuhänder des Fonds – und das ist die familieneigene Gesellschaft Jagdfeld & Partner, die naturgemäß im Sinne des Patriarchen stimmt.

Dank der bequemen Treuhänder-Mehrheit gibt es auf den Gesellschafterversammlungen also keine Überraschungen. „Das sind Abstimmungsergebnisse wie in der DDR“, schimpft ein Anleger. Jagdfeld geriere sich „wie ein Alleinherrscher“. Und eine ältere Dame ruft ihren Mitgesellschaftern zu: „Kommt, wir gehen Mittagessen und lassen die alleine abstimmen. Es ändert ja doch nichts.“

Geht es nach der Schutzgemeinschaft, soll sich dieses Gefühl der Ohnmacht auf der nächsten Versammlung nicht wieder einstellen. Die Rebellen wollen alle Anleger anschreiben und zum Erscheinen bewegen – allein: Es fehlen die Adressen. Verwaltungsrat Weber konnte bisher nur rund 200 von 5000 Gesellschaftern kontaktieren, die sich als „Direktkommanditisten“ beteiligt haben. Die Namen der anderen stehen nicht im Handelsregister, weil sie sich seit Fondsauflage vom Treuhänder vertreten lassen – und der hütet die Adressen wie einen Schatz.

Aber auch wenn der Widerstand wächst: Viele Anleger haben wenig Hoffnung auf Besserung. Den Fonds drücken Schulden von 160 Millionen Euro. Und neben der AH könnte bald auch Hauptpächterin Kempinski nachverhandeln. Die Hotelkette hat – mit Ausnahme des WM-Jahrs 2006 – in den letzten Jahren mit dem Adlon permanent Verluste eingefahren. Laut Kempinski-Manager Otto Steger zahlte die Gesellschaft zuletzt fast 40 Prozent des mit dem Adlon erzielten Umsatzes als Pacht an den Fonds. Damit sei „die Schmerzgrenze erreicht“.

Erfahrung mit roten Zahlen

„Wir werden dasselbe Desaster erleben, das Herr Jagdfeld bereits aus Heiligendamm kennt“, argwöhnt ein Anleger. Tatsächlich hat Jagdfeld inzwischen mehr Erfahrung mit roten Zahlen, als ihm lieb sein kann. Die Anleger des Grand Hotels Heiligendamm an der Ostsee haben auch zehn Jahre nach Auflage des Fonds noch keinen Cent Ausschüttung gesehen. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im Juni musste das Hotel eine Bürgschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Höhe von vier Millionen Euro in Anspruch nehmen. Auch mit der Pyramide, einer futuristischen Büroimmobilie in Ostberlin, erlebten Jagdfeld-Anleger ein Debakel. Sie wurde 2006 für 17 Millionen Euro verkauft – nachdem Anleger 107 Millionen Euro investiert hatten. Mit der Gutenberg-Galerie in Leipzig fuhren Investoren ebenfalls hohe Verluste ein.

An Jagdfelds Selbstbewusstsein kratzt das alles nicht: „Es gibt keinen Anbieter von Immobilienfonds im Osten, der besser ist als wir“, sagt er, als ihm ein Anleger seine Flops aufzählt – und erntet erneut Kopfschütteln und höhnisches Gelächter.

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