Krankenversicherung Die besten Zusatzpolicen für Kassenpatienten

Weil die gesetzlichen Kassen nur das Nötigste finanzieren, fließen 6,4 Milliarden Euro pro Jahr in private Zusatzpolicen. Ein exklusiver Test von 212 Angeboten zeigt, welche Tarife ihr Geld wert sind.

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Arzt Quelle: dpa

Eine Sommerfrische für vermögende Patienten sieht anders aus. Im Arbeiterviertel Lünen-Brambauer säumen schmucklose Wohnblocks aus den Sechzigerjahren den Weg. Straßennamen wie Zechenstraße und Am Kühlturm erinnern an bessere Malocher-Zeiten. Auf der Komfortstation der Klinik am Park aber, unweit der stillgelegten Zeche Minister Achenbach, geht es zu wie im Hotel. Patienten schlüpfen morgens in bereitgelegte Bademäntel, bekommen frische Croissants ans Bett geliefert und müssen sich die Dusche nicht mit der halben Station, sondern maximal mit einem anderen Patienten teilen.

Servicekräfte helfen beim Ein- und Auspacken der Koffer. 70 bis 140 Euro pro Tag kostet die Luxusunterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer – selbstverständlich klimatisiert. „Die Nachfrage steigt, wir wollen daher in einem weiteren Krankenhaus des Klinikums Westfalen eine Komfortstation bauen“, sagt Geschäftsführer Andreas Schlüter. Immerhin jeder fünfte Patient auf der Komfortstation zahlt die Extras aus eigener Tasche.

Kein Geld für Komfort

Von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist für solchen Komfort auch kein Geld zu erwarten. Sie konzentriert sich auf das medizinisch Notwendige. Mit jeder Gesundheitsreform schrumpft ihr Leistungskatalog: 2004 wurden rezeptfreie Medikamente kostenpflichtig, Zuzahlungen für Brillen fielen weg, Kassenpatienten müssen Zahnersatz häufig selbst zahlen.

Dass Kassen künftig mehr leisten, ist unwahrscheinlich. Im vergangenen Jahr verpuffte ein Vorstoß der CDU, Zweibettzimmer für alle Kassenpatienten zur Regel zu machen. Ländern und Kommunen war die Maßnahme schlicht zu teuer. Gleichzeitig kommen auf die GKV-Mitglieder Mehrkosten zu. Seit Jahresanfang dürfen Zahnärzte im Schnitt sechs Prozent mehr Honorar abrechnen. Laut Bundesregierung müssen Versicherte insgesamt 164 Millionen Euro pro Jahr mehr aus eigener Tasche zahlen.

Grafik Zusatzversicherungen

Hohe Prämien im Alter

Dennoch bleiben viele in der GKV, weil sie zu wenig verdienen, um ganz in die private Krankenversicherung (PKV) zu wechseln, oder weil sie Ehepartner und Kinder kostenlos mitversichern wollen. Derzeit müssen Arbeitnehmer mehr als 50.850 Euro brutto im Jahr verdienen, um bei der PKV einzusteigen.

Selbst wenn sie genug verdienen, zögern vor allem Kassenmitglieder jenseits der 40, ganz zu den Privaten zu gehen. Zu hoch wäre die Einstiegsprämie, und es bliebe zu wenig Zeit, um finanzielle Polster in Form von Alterungsrückstellungen aufzubauen. Die Folge wären stark ansteigende Beiträge im Alter.

Alternative: Private Zusatzpolicen

Streichpotenzial der Krankenkassen
Karten von Krankenversicherungen Quelle: AP
Ein Mund Quelle: Robert Kneschke - Fotolia.com
Bonusheft Quelle: dpa
Gymnastik Quelle: Robert Kneschke - Fotolia.com
Akupunktur Quelle: gms
Eine Impfdosis des Mittels Pandemrix gegen Schweinegrippe Quelle: dpa
Geschientes Bein Quelle: Peter Atkins - Fotolia.com

Als Alternative bleiben private Zusatzpolicen. Sie sind zwar kein gleichwertiger Ersatz für eine private Krankenvollversicherung, bieten in einzelnen Segmenten – beim Zahnarzt, im Krankenhaus oder im Pflegeheim – bessere Leistungen als die gesetzlichen Krankenkassen. Das zieht: Die Deutschen haben 22,5 Millionen Zusatzpolicen abgeschlossen. Zum Vergleich: Lediglich neun Millionen Deutsche sind komplett privat krankenversichert.

Immer wenn der Staat mit einer Gesundheitsreform bei den GKV-Leistungen den Rotstift ansetzt, steigt die Zahl der neu abgeschlossenen Zusatzpolicen sprunghaft. Mit der Nachfrage wuchs auch das Angebot. Inzwischen können Kassenmitglieder zwischen Hunderten Zusatzpolicen wählen.

Zusatztarife unter der Lupe

Um zu ermitteln, welche Zusatzpolicen ihr Geld wert sind, haben die WirtschaftsWoche und das Hamburger Finanzanalyseunternehmen Softfair 212 Krankenhaus- und Zahnzusatztarife unter die Lupe genommen. Die Höchstnote „fünf Sterne“ gab es für ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

„Zahn- und Krankenhauszusatzpolicen lassen sich auch für Versicherte am besten vergleichen“, sagt Christoph Dittrich, Geschäftsführer der Softfair Analyse GmbH. Bei Zusatzpolicen für ambulante Leistungen seien die Tarife so unterschiedlich gestrickt, dass sich die Angebote in einem allgemein gültigen Vergleich kaum seriös gegenüberstellen ließen. Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hält ambulante Zusatzpolicen am ehesten für verzichtbar: „Die größten finanziellen Risiken stecken in einem langen Krankenhausaufenthalt.“

Der Chef behandelt

Ein Tag in einem deutschen Krankenhaus kann mehrere Hundert Euro kosten, auf der Intensivstation sind es bis zu 1500 Euro täglich. Solange die Kassenpatienten mit einem geeigneten Krankenhaus in ihrer Nähe zufrieden sind, kommt die Krankenkasse für die Kosten auf. Wer dagegen eine teurere Spezialklinik mit renommierten Medizinern will, muss die Differenzkosten zum nahe gelegenen Hospital aus eigener Tasche zahlen. Gleiches gilt, wenn nicht der diensthabende Facharzt, sondern der Chef Hand anlegen soll.

Zusatzpolicen fürs Krankenhaus finanzieren auch teure Spezialbehandlungen, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen gehören. Das heißt nicht, dass die Privaten alles bezahlen. Medizinisch notwendig muss es ein. Was notwendig ist, darüber kommt es zwischen Patient und Versicherung immer wieder zum Streit. Softfair hat daher nur leistungsstarke Tarife ausgesiebt.

Wer Ruhe will, muss kräftig draufzahlen

So verhilft die Krankenkasse zum Traumbusen
Die größte Krankenkasse Barmer GEK will Frauen helfen. Denn, so stellt sie fest: „Form und Größe der Brust spielen bei vielen Frauen eine zentrale Rolle für das eigene Körperempfinden und damit auch für das Selbstwertgefühl. Frauen, die ihre Brüste als zu klein empfinden, sehen in einer ästhetischen Brustvergrößerung oft einen Weg zu einem attraktiveren Erscheinungsbild, mehr Weiblichkeit und Selbstbewusstsein.“ Doch ein solcher Eingriff müsse gut überlegt sein. Die folgenden Ratschläge sollen bei der Entscheidung helfen.
SchönheitsidealVor der Entscheidung für ein Brustimplantat sollten Sie sich selbst kritisch fragen, warum Sie diese Operation durchführen lassen möchten. Wer glaubt, nicht dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen oder sein Selbstbewusstsein stärken möchte, muss sich nach einem chirurgischen Eingriff nicht unbedingt besser fühlen. Beraten Sie sich und lassen Sie sich mit der Entscheidung Zeit, bis Sie wirklich wissen was Sie wollen. Ansonsten droht das Schicksal von „Baywatch“-Altstar Pamela Anderson, die die Größe ihrer Silikonpolster auch von „gigantisch“ auf „Übergröße“ und wieder zurück variierte. Quelle: Reuters
WohlfühlfaktorEs besteht die Gefahr, dass Frauen mit dem kosmetischen Ergebnis nicht zufrieden sind. Vielleicht hat der Operateur nicht das umgesetzt, was vor der Operation besprochen worden ist. Oder der Patient hat die Vorplanungen und das Aufklärungsgespräch anders ausgedeutet als der Operateur. Oder: „Die Brustvergrößerung hat Ihnen nicht das gute Gefühl gegeben, was Sie sich erhofft hatten, weil der Grund für Ihr Unbehagen nicht mit Ihrer Brustgröße zusammenhängt.“ Model Gina-Lisa jedenfalls scheint mit ihrem Ergebnis durchaus zufrieden zu sein.
SchwangerschaftNach einer Schwangerschaft beziehungsweise Stillzeit kann sich die Brustform (auch ohne Implantat) verändern. Das Bindegewebe wird lockerer, eingesetzte Implantate können sich dadurch verschieben und die Brust unschön verformen. Verrutscht sind ganz offensichtlich auch die Implantate von Schauspielerin Tori Spellig. Ob das mit ihren Schwangerschaften zusammenhängt, ist aber nicht klar. Quelle: Reuters
StillenIm Allgemeinen ist das Stillen mit Brustimplantat möglich. Beeinträchtigt beziehungsweise unmöglich ist das Stillen aber, wenn das Implantat mit einem Schnitt rund um die Brustwarze eingesetzt wurde. Nicht selten kommt es während des Stillens zu Entzündungen der Brust. Hier besteht die Gefahr, dass sich das natürlicherweise um ein Brustimplantat gebildete Narbengewebe verhärtet oder schrumpft. Das kann zu Schmerzen in der Brust aber auch zur Verlagerung des Implantates führen und eine Nachoperation erforderlich machen. Quelle: obs
KlinikDie Barmer GEK ist der Meinung, dass es die „beste Klinik“ nicht gibt. Entscheidend ist vielmehr, welches Krankenhaus für diese spezielle Operation und für Sie persönlich besonders gut geeignet ist. Zugelassene Krankenhäuser (Vertragskliniken), die gesetzlich Versicherte behandeln, sind nach § 108 des Sozialgesetzbuchs V verpflichtet, alle zwei Jahre (ab 2012 jährlich) einen Qualitätsbericht zu veröffentlichen. Privatkliniken unterliegen dieser Verpflichtung jedoch nicht. Darüber hinaus bietet das Barmer GEK Krankenhausnavi (www.barmer-gek.de /101545) Patienten eine kompetente, unabhängige und verständliche Hilfe bei der Suche nach dem passenden Krankenhaus. Ex-Pornostar Dolly Buster hat die für sie am besten geeignete Klinik hoffentlich gefunden - auch wenn sie sich 2007 angeblich ihre Brüste wieder verkleinern ließ.
AufenthaltLeider gibt es für die Brustvergrößerung keine Qualitätsergebnisse zum Erfolg oder zu Komplikationsraten. Daher ist es wichtig, dass Sie sich mehrere Kliniken vor Ort anschauen und u. a. danach fragen. Hierbei hilft Ihnen die „Checkliste Krankenhausaufenthalt“ der Weißen Liste, die weitere wichtige Informationen für Sie bereit hält. Fragen für die Zeit vor, während und nach dem Krankenhausaufenthalt werden dort beantwortet. Dieser Fragenkatalog unterstützt Sie ebenfalls, sollten Sie sich für eine Privatklinik entscheiden. Quelle: dpa

Zu den Vorgaben gehört beispielsweise, dass die Tarife mindestens bis zum 3,5-fachen Höchstsatz der Gebührenordnung Honorare für Privatärzte erstatten. Diesen Höchstsatz rechnen die Ärzte für komplizierte Eingriffe ab. Thorsten Rudnik, Vorstand des Bunds der Versicherten, rät Kassenpatienten sogar zu Tarifen, die über den 3,5-fachen Höchstsatz hinaus zahlen: „Auch wenn diese Fälle nicht so häufig sind, können sie für den Patienten doch richtig teuer werden.“ Zudem müssen alle bewerteten Tarife dem Patienten mindestens ein Zweibettzimmer finanzieren.

Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis für einen 40-jährigen Musterversicherten bietet der „SZ II“ von Universa. Für 32,64 Euro monatlich zahlt der Versicherer fürs Zweibettzimmer und Chefarztbehandlung. Wer es noch exklusiver will, ist mit dem Tarif „CSA100, CSW1“ der Halleschen gut bedient. Die Police finanziert auch ein Einbettzimmer. Der Luxus hat allerdings seinen Preis: 44,69 Euro monatlich für den 40-jährigen Mann. Im Düsseldorfer Marienhospital etwa kostet das Einzelzimmer mit eigenem Bad knapp 98 Euro pro Tag, etwa 43 Euro mehr als ein Zweibettzimmer (55 Euro pro Tag). Für die zwölf Euro, die der Versicherte monatlich in der günstigeren Zusatzpolice der Universa spart, könnte er sich bereits nach drei Beitragsjahren zehn Tage im Einbettzimmer leisten.

Schön verblendet

Seit 2005 zahlen die Kassen nur noch Festzuschüsse für Zahnersatz. Die Zuschüsse orientieren sich an der Diagnose, beispielsweise der, dass ein Zahn fehlt. Vom preisgünstigsten medizinisch notwendigen Zahnersatz (Regelleistung) zahlt die Kasse die Hälfte – unabhängig davon, was der Zahnarzt tatsächlich abrechnet. Bei Patienten, die zehn Jahre regelmäßig zum Zahnarzt gehen und dies per Bonusheft dokumentieren können, sind es 65 Prozent. Da die Rechnung des Zahnarztes in der Regel deutlich höher ist als die von der Kasse kalkulierte Regelleistung, muss der Patient mehr als die Hälfte der Kosten aus eigener Tasche zahlen. Ein Beispiel: eine Krone aus Edelmetall und Gold kostet 600 Euro. Die Krankenkasse kalkuliert für ein preisgünstiges Modell ohne Gold und Keramik 240 Euro. Davon zahlt sie die Hälfte als Festzuschuss, also 120 Euro. Unter dem Strich muss der Kassenpatient 480 Euro und damit 80 Prozent der Gesamtkosten aus eigener Tasche zahlen.

Private Zahnzusatzpolicen würden einen Teil der 480 Euro aus der Beispielrechnung übernehmen, die beim Kassenpatienten hängen bleiben. Gregor Bornes, Experte für Zahnbehandlung der Unabhängigen Patientenberatung (UDP) warnt allerdings vor vermeintlichen Schnäppchen bei Zahnzusatzpolicen: „Billigtarife stocken meist nur den Festzuschuss der Krankenkasse für die Regelleistung auf.“ Wenn der Versicherer mit einer Erstattung von 100 Prozent werbe, dann sei nicht der Betrag der Gesamtrechnung, sondern nur der kalkulatorische Wert der Krankenkasse gemeint. Im Beispielfall würde der private Versicherer nur 120 Euro erstatten. Auf den übrigen 360 Euro bliebe der Patient sitzen.

Feine Unterschiede in den Tarifen

Softfair hat daher nur Tarife in die engere Wahl genommen, die auch für privatärztliche Leistungen zahlen, die nicht zum Katalog der Krankenkassen zählen (siehe Seite 140). Dazu gehören beispielsweise Keramikverblendungen für Brücken.

Früher starten und sparen

Die Tricks der Krankenversicherer
Mit günstigen Preisen lockenWer sich im Internet für Krankenversicherung interessiert, findet ganz schnell auch Anzeigen, in denen eine private Krankenversicherung für 49 Euro im Monat versprochen wird. Experten raten ab: In nur ganz wenigen Fällen kommen solche Beiträge überhaupt zustande. Wer so wirbt, hat meist nur ein Ziel: Die Daten des Interessenten einsammeln. Quelle: dpa
Adressen weiter verkaufenIm Internet sind viele professionelle Adressenhändler unterwegs. Wer seine Daten in einem scheinbar unabhängigen Portal für einen kostenlosen Vergleich eingibt, muss damit rechnen, dass er später mit Emails oder Anrufen bombardiert wird. Denn die Adressensammler verkaufen die Kontaktdaten an interessierte Vermittler weiter, die genau wissen, wie sie einen Versicherungsvertrag am besten verkaufen. Quelle: gms
Gierige Vermittler rausschickenNur wer eine private Krankenversicherung tatsächlich auch verkauft, verdient in der Vermittlerbranche Geld damit. Denn nur dann kassiert er Provision. Das Prinzip dabei: Je höher der Monatsbeitrag des Kunden, umso besser die Provision des Verkäufers. Nach den neuen Regeln wird der Monatsbeitrag hier in der Spitze mit dem Faktor neun multipliziert. Früher ging es bis zum Faktor 15 hoch. Quelle: dpa
Hohen Eigenanteil aufbrummenDas Prinzip in der privaten Krankenversicherung: Je mehr der Kunde im Falle einer Krankheit selbst bezahlt, umso niedriger wird sein Monatsbeitrag. Wer also einen Selbstbehalt von mehreren hundert bis zu 1000 Euro vereinbart, hat die Chance auf Prämien von weniger als 200 Euro. Quelle: dpa
Rechnungen nur teilweise zahlenJeder Versicherer hat seine eigenen Bedingungen. Daraus ergibt sich, was er im Zweifel bezahlt und was nicht. Für den Kunden ist das von vornherein schwer ersichtlich, deshalb haben die Analysten von Franke & Bornberg einen Index mit typischen Krankheiten gebildet und so das Leistungsniveau von unterschiedlichen Tarifen simuliert. Oft liegt das Erstattungsniveau der Billigtarife dabei nur zwischen 50 und 70 Prozent. Quelle: dpa
Teure Krankheiten ausschließenDie private Krankenversicherung (PKV) wirbt gerne damit, dass sie deutlich mehr leistet als die gesetzliche Krankenversicherung. In Billigtarifen wird jedoch die Leistung für bestimmte Krankheiten von vornherein ausgeschlossen. Dazu zählen etwa Behandlungen durch Psychologen, Wahlleistungen im Krankenhaus, Zahnleistungen oder die freie Arztwahl. Quelle: dpa
Prämien schnell erhöhenViele Krankenversicherer lockten Kunden in Billigtarife und hoffen, dass sie bald in höherwertige und teurere Tarife wechseln. Diese Rechnung ist in vielen Fällen jedoch nicht aufgegangen. Im Gegenteil: Viele Kunden in Einsteigertarifen zahlen sogar gar nichts mehr. Die Kosten tragen alle Versicherten im jeweiligen Kollektiv. Die Folge sind satte, zweistellige Prämienerhöhungen. Quelle: dpa

Versicherte, die ihr Portemonnaie beim Zahnarzt schonen wollen, sollten nicht allzu lange warten. „Oft fragen meine Patienten erst nach einer Zahnzusatzversicherung, wenn sie von mir erfahren, dass Zahnersatz nötig wird“, sagt der Kölner Zahnarzt Martin Hendges. Ein brennendes Haus ließe sich aber nur schwer versichern. Wer seiner Versicherung verschweigt, dass der Zahnarzt bereits eine Brücke oder Krone empfohlen hat, riskiert seinen Versicherungsschutz und müsse die Kosten, die die Krankenkasse nicht zahlt, selber aufbringen.

Weitere Gründe sprechen für einen Abschluss vor dem 50. Lebensjahr: So bleibt genügend Zeit, Alterungsrückstellungen zu bilden, die verhindern, dass die Prämien mit zunehmendem Alter stark ansteigen. Zudem sind bei Zahnzusatzversicherungen die Leistungen in den ersten Vertragsjahren nach oben gedeckelt. Ein Beispiel: Die Allianz zahlt in ihrem Tarif „Zahnfit, ZB01“ im ersten und zweiten Jahr maximal 1500 Euro, im dritten und vierten dann bis zu 3000 Euro für Zahnersatz. Wer also nach einer schlechten Diagnose seines Zahnarzts schnell noch eine Zusatzpolice abschließt, kann nur einen Teil der Kosten auf den Versicherer abwälzen.

Privatpolicen von der GKV?

Nicht nur private Krankenversicherungen, auch gesetzliche Krankenkassen dürfen seit 2004 Zusatzpolicen vertreiben. Diese Angebote stammen jedoch nicht aus dem eigenen Haus: Kassen dürfen nicht selbst private Versicherungen entwickeln. Die Zusatzpolicen sind Produkte eines privaten Kooperationspartners. So bietet die Barmer GEK Zusatzpolicen der HUK-Coburg an, bei der AOK Rheinland-Hamburg sind es Produkte von Vigo, ehemals Düsseldorfer Versicherung, und bei der Techniker Krankenkasse ist der private Krankenversicherer Envivas im Boot.

Gelockt werden die Kassenmitglieder mit Rabatten auf die Prämie der Zusatzpolice gegenüber einem Angebot auf dem freien Markt. So sind beispielsweise die Zahnzusatztarife, die die Barmer GEK anbietet, günstiger als die identischen Produkte der HUK-Coburg, die sie selbst vertreibt. Allerdings hält sich die Prämienersparnis in Grenzen: Die Einstiegsprämie für Männer im Tarif „GZZ“ der Barmer GEK liegt bei 6,42 Euro monatlich, bei der HUK-Coburg im identischen Tarif „ZZ“ sind es 6,73 Euro pro Monat.

Zunächst Bedarfsermittlung

Versicherungsberaterin Angela Baumeister aus Kaarst rät Versicherten, unabhängig von Rabatten zunächst ihren Bedarf zu ermitteln. Dabei fielen schon viele Angebote durchs Raster, weil beispielsweise das Leistungsniveau zu niedrig sei oder etwa Leistungspakete kombiniert werden, von denen der Versicherte nur einen Teil tatsächlich benötige. Wenn einzelne Kooperationsangebote die individuellen Anforderungen erfüllten, könnten sie in die Auswahl aufgenommen werden.

Baumeister warnt allerdings vor den Nachteilen von Kooperationstarifen: „Endet die Kooperation oder wechseln die Versicherten die Kasse, könnten die Versicherten beispielsweise ihre Rabatte einbüßen, oder sie müssten einen neuen Vertrag mit einem anderen privaten Krankenversicherer abschließen.“

Alter und individueller Gesundheitszustand

So betrügen Ärzte, Apotheker und Pfleger
Platz 10: ErgotherapeutenIn 17 Betrugsfällen, die von der KKH-Allianz 2011 aufgedeckt wurden, waren Ergotherapeuten verwickelt. Damit landet dieser Bereich bei der Krankenkasse mit 1,8 Millionen Versicherten auf Platz 10. So rechnet einer eine verordnete Einzeltherapie ab, führt aber stattdessen nur Gruppenbehandlungen durch. Das behandelnde Personal hat nicht die vorgeschriebene Qualifikation zur Behandlung. Quelle: dpa
Platz 9: Hebammen18 Mal gerieten Geburtshelferinnen ins Visier. Eine Hebamme hat Leistungen abgerechnet, die sie überhaupt nicht oder nicht in dem abgerechneten Umfang erbracht hat. Dabei hat sie auf der Rechnung Positionsnummern von Leistungen (wie Wochenbettbesuch zu Hause) angegeben, die sie tatsächlich nicht in der aufgeführten Menge vorgenommen hat. Quelle: Reuters
Platz 8: Orthopädietechniker22 Fälle in der Orthopädie fielen auf. Ein Orthopädietechniker rechnet über drei verschiedene Abrechnungszentren ab. Dabei hat er die jeweils gleichen Hilfsmittel grundsätzlich über diese verschiedenen Abrechnungszentren gleichzeitig abgerechnet. Darunter befanden sich auch Hilfsmittel, die der Versicherte niemals erhalten hat. Quelle: obs
Platz 7: Zahnärzte24 Mal kamen Zahnärzte ins Visier. Ein Zahnarzt, der in der Schweiz lebt, betreibt zum Beispiel sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz eine Zahnarztpraxis. Die kassenärztliche Zulassung besteht nur für die Praxis in Deutschland. Da der Zahnarzt sich sehr häufig in der Praxis der Schweiz aufgehalten hat, besteht der Verdacht, dass zahnärztliche Leistungen in der Praxis in Deutschland durch die Sprechstundenhilfen erbracht und als zahnärztliche Leistungen bei den Krankenkassen abgerechnet wurden. Quelle: dpa
Platz 6: FahrerIn 35 Fällen geht es um unzulässige Beförderungen. Es werden Fahrten vorgenommen, ohne dass die dazu eingesetzten Personen über die erforderlichen Personenbeförderungsscheine verfügen. Zudem verfügen die Unternehmer über keine Konzession zur Durchführung der Fahrten. Quelle: ap
Platz 5: Rezept-BandenOft tun sich mehrere zusammen. 38 Mal fiel dies auf. Die Staatsanwaltschaft ermittelt etwa wegen bandenmäßigen Betrugs gegen eine Allgemeinmedizinerin, einen Apotheker und einen Dritten. Das Trio aus Frankfurt steht im Verdacht, die gesetzlichen Krankenkassen um zwei Millionen Euro geschädigt zu haben. Die Ärztin stellte mehrere tausend Rezepte auf den Namen gesetzlich Versicherter in ihrer Patientenkartei aus. Der Dritte ging damit zu einem Apotheker im Frankfurter Bahnhofsviertel und ließ sich andere Medikamente im Wert von rund zwei Dritteln des Rezeptwertes aushändigen (z.B. Potenzmittel, Appetithemmer). Es wurden Haftbefehle erlassen. Der Apotheker hat bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt. Die Ärztin ist untergetaucht. Quelle: dpa
Pharma-BandeDiverse Ärzte erhalten von einem Pharmaunternehmen Bonuszahlungen für die verordneten Arzneimittel. Die Ärzte verhindern die Abgabe eines Medikaments mit gleichem Wirkstoff, in dem sie auf der Verordnung das "aut idem" Kreuz setzen. Danach darf nur das Präparat des angegebenen Pharmaunternehmens abgegeben werden. Die Ärzte und auch Apotheker könnten zusätzlich in Form von Aktien an dem Unternehmen beteiligt sein. Dies wird noch geklärt. Quelle: dpa

Im kommenden Jahr trennen sich beispielsweise die Kaufmännische Krankenkasse Hannover (KKH) und die Allianz Private Krankenversicherung. Die Versicherungsberaterin hält daher Zusatzpolicen, die gesetzliche Krankenkassen anbieten, nur in Einzelfällen für geeignet. Besser sei es, sich auf dem freien Markt umzuschauen.

Versicherer kalkulieren die Prämien für Zusatzpolicen wie in der Vollversicherung nach dem Alter und dem individuellen Gesundheitszustand. Wer Vorerkrankungen hat, sollte seinen Versicherer lückenlos informieren. Laut Gesetz ist der Krankenversicherer nicht verpflichtet, Erkundigungen über den Gesundheitszustand seiner Kunden einzuholen. Er kann darauf vertrauen, dass der Versicherte alle Gesundheitsfragen korrekt beantwortet hat.

Informationen bei den Ärzten holen

Da kaum ein Patient seine Krankengeschichte aus dem Gedächtnis dokumentieren kann, sollten die Versicherten sich die notwendigen Informationen bei ihren Ärzten holen. Zahnärzte beispielsweise erstellen für 15 Euro einen aktuellen Zahnstatus. So kann der Versicherer einschätzen, wie teuer der einzelne Patient für ihn werden könnte. Lücken bei den Gesundheitsangaben nutzen Versicherer später, um Kosten nicht übernehmen zu müssen. Im schlimmsten Fall kündigt der Versicherer die Zusatzpolice.

Von Dezember an müssen die Versicherer ihre Zusatzpolicen komplett neu berechnen. Dann dürfen sie nur noch Einheitstarife für Männer und Frauen anbieten. Dies hat der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr entschieden.

Sicher vor politischen Einflüssen

Die neuen Unisextarife werden für Männer tendenziell teurer. Für sie kann es sich lohnen, in den kommenden Monaten noch zu einem alten Tarif abzuschließen. Für Frauen werden die neuen Policen dagegen eher günstiger. Das liegt daran, dass die Versicherer von weiblichen Kunden bisher höhere Prämien verlangten, weil sie im Schnitt länger leben als männliche Versicherte. Frauen sollten daher bis Jahresende auf die neuen Unisextarife warten, bevor sie sich für eine bestimmte Zusatzpolice entscheiden.

Unabhängig davon, ob sich Kassenmitglieder für die alten oder die neuen Zusatztarife entscheiden, sind ihre Policen sicher vor politischen Einflüssen. Sollte die 2013 gewählte Bundesregierung eine Bürgerversicherung einführen und die PKV-Vollversicherung abschaffen, wären Zusatzversicherte fein raus. Für sie würde sich aller Voraussicht nach nichts ändern.

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