Krankenversicherung Haltlose Bonusversprechen der Krankenkassen

600 Euro Bonuszahlung, Zahnreinigung für alle – die gesetzlichen Krankenversicherungen werben aggressiv wie nie um neue Kunden. Was sie versprechen, halten sie nur selten. Wie die Krankenkassen ihre Kunden täuschen.

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Was die Krankenkasse alles zahlt
Leistungskatalog Quelle: dpa
Kuren Quelle: dpa
Mutter-Vater-Kind-Kuren Quelle: dpa
Hörhilfen, Prothesen & Co. Quelle: REUTERS
Wartungen für Rollstuhl & Co. Quelle: dpa
Krankengeld Quelle: dpa
Übernahme von Fahrtkosten Quelle: dpa

Ein fröhlicher und sicher sehr gesunder Vater hält sein fröhliches und sicher sehr gesundes Kleinkind in die Luft. Mit dem branchentypisch ideenlosen Bild der perfekten Familienidylle dürfte gesetzlich Krankenversicherte das konkrete Werbeversprechen auf dem Plakat der AOK Bayern angesprochen haben. „250 Euro extra für die Vorsorge!“, verspricht die Krankenkasse da. „Ab jetzt mit noch mehr Leistungen, z. B. die professionelle Zahnreinigung.“

Mittlerweile hat die AOK Bayern die großspurigen Plakate kleinlaut abgehängt. Wegen der offensichtlich irreführenden Botschaft hat sie eine Unterlassungserklärung abgegeben. Denn anders als die Plakate nahelegen, schießt die AOK Bayern laut ihrer eigenen Satzung nur 40 Euro zu, wenn sich Patienten die Zähne professionell säubern lassen. Den Rest müssen Versicherte wie üblich selbst zahlen. Die beworbenen 250 Euro sind der Maximalbetrag für alle Vorsorgeleistungen.

Solche irreführenden Versprechen sind in der Branche weit verbreitet. Um sich im Wettbewerb von der Konkurrenz abzuheben, locken gesetzliche Krankenkassen mit der angeblich großzügigen Übernahme der Kosten von medizinischen Spezialitäten wie der Homöopathie oder Impfungen vor einer Auslandsreise. Viele versprechen auch hohe Bonuszahlungen. Gerade die sind in der Praxis jedoch oft so gestaltet, dass sie nur für einen Bruchteil der Versicherten erreichbar sind. „Das ist pure Kundenfängerei“, ärgert sich selbst Stefan Unterhuber, Chef der Siemens Betriebskrankenkasse (SBK).

So bewerten Versicherte ihre Krankenkasse im Netz

Kurzfristig mag sich das aggressive Anbaggern auszahlen, langfristig beschädigt es das Ansehen der Krankenkassen. Das ist ohnehin lädiert. Dazu beigetragen hat gerade erst Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse. Er machte öffentlich, dass Kassen Ärzte dafür bezahlen, dass sie Patienten kränker erscheinen lassen, als sie tatsächlich sind. Mithilfe dieser „Optimierung der Codierung“, wie es im Fachjargon heißt, wollen die Kassen mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich einstreichen. Aus diesem Fonds erhalten jene Kassen Zahlungen, die besonders kranke Kunden und folglich hohe Kosten haben.

Zu unlauteren Methoden greifen die gesetzlichen Versicherungen nicht ohne Grund: Die Kosten für das Gesundheitssystem steigen immer weiter an. Die Krankenkassen aber sind streng reguliert und haben kaum Sparpotenzial. Damit sie die Entwicklung im Griff behalten, sind sie auf die Beiträge jedes Kunden angewiesen. Neue Versicherte gewinnen sie nur schwer. Lediglich drei Prozent der gesetzlich Versicherten wechselten im vergangenen Jahr die Kasse, zeigt eine Studie von PricewaterhouseCoopers.

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