Lebensversicherung „Gib mir Geld, ich gebe es ohne Zinsen zurück“

Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank macht den Anbietern von Lebensversicherungen das Leben schwer. Verbraucherschützer warnen bereits vor dem Abschluss solcher Versicherungen. Ist die Panik berechtigt?

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Wer nachrechnet wird erstaunt feststellen, wie wenig Rendite Lebensversicherung derzeit abwerfen. Quelle: dpa

Über 90 Millionen Lebensversicherungen gibt es in Deutschland - mehr, als die Bundesrepublik Einwohner zählt. Lange Zeit galten die Policen als Muss für eine solide Altersvorsorge und als lukrative Einnahmequelle für die Versicherungskonzerne. Nun hat die Bundesregierung wegen der niedrigen Leitzinsen und magerer Kapitalmarktrenditen den Garantiezins bei Neuverträgen auf 1,75 Prozent gedrückt. Auch die Beteiligungen der Versicherten an den Überschüssen der Unternehmen sinken. Verbraucherschützer warnen: Kunden müssten sich fragen, ob sie bei einer Lebensversicherung am Ende - nach Abzug der Inflationsrate - nicht draufzahlen.

Und die Aussichten sind düster. Zwar fahren die Versicherungskonzerne - trotz lauter Klagen über die schwierigen Bedingungen - oft noch Milliardengewinne ein wie Europas Marktführer Allianz. Doch in Zukunft dürfte es für sie immer schwerer werden, mit ihren Neuanlagen am Kapitalmarkt die garantierten Zinsen zu erwirtschaften. Das bekommen die Kunden zu spüren. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) warnt bereits, dass die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank auf 0,5 Prozent nur zu Lasten derer gehe, die für ihr Alter vorsorgen.

Sollten sich die Sparer daher von der traditionellen Lebensversicherung abwenden? Dafür wirbt zumindest Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Alles läuft nach dem Motto: Gib mir Geld, in 30 Jahren gebe ich es zurück, allerdings fast ohne Zinsen", kritisiert die Verbraucherschützerin. Für die versprochene Sicherheit werde ein zu hoher Preis gezahlt, inklusive aller Provisionen und Verwaltungskosten. Sie könne daher nur raten: "Finger weg."

Manfred Poweleit, der mit seinem unabhängigen Branchendienst Map-Report Versicherer bewertet, sieht derzeit allerdings keine attraktive Ausweichmöglichkeit für den Sparer. "Was kann die Alternative sein? Aktien oder Immobilien auf Märkten kaufen, die von der Überhitzung bedroht sind?", fragt er. Da seien Lebensversicherungen das "geringste Übel". Auch Christian Badorff, Versicherungsexperte der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P), glaubt an eine Zukunft der Lebensversicherung in Deutschland: Sie bringe derzeit immer noch mehr Rendite als eine zehnjährige Staatsanleihe und enthalte zudem Versicherungsschutz.

Versicherer setzen traditionelle Lebenspolicen auf Prüfstand

Deutliche Worte fand neulich allerdings der Chef des Versicherers Ergo, Torsten Oletzky: Mit Lebensversicherungen lasse sich kein Geld mehr verdienen, sagte er und schreckte damit die ganze Branche auf. Für den Versicherungsexperten der Ratingagentur Fitch, Christoph Schmitt, geht das zu weit. Er warnt vor Panikmache. "Ich sehe es sehr skeptisch, dass so viel Aufhebens darum gemacht wird, dass sich Lebensversicherungen für Konzerne angeblich nicht mehr lohnen.", betont er. "Das ist zur Zeit nicht der Fall."

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Bleiben die Zinsen so tief, kann die Lage indes anders aussehen. "Das Niedrigzinsumfeld ist ein wesentlicher Risikofaktor für deutsche Lebensversicherer, da es ihre Ertrags- und Kapitalkraft unter Druck setzt", sagt S&P-Experte Badorff. Im klassischen Lebensversicherungsgeschäft kämpfen die Unternehmen vor allem damit, den Altkunden die Zinsen zahlen zu können, die sie ihnen in den 1990er Jahren versprochen haben.

Damals lag der Garantiezins bei bis zu vier Prozent. Wenn Kapitalanlagen der Versicherer heute auslaufen, müssen sie sich bei Neuinvestments mit einer Laufzeit von 30 Jahren und mehr mit deutlich weniger als früher bescheiden.

Viele suchen daher ihr Heil in neuartigen Policen - zum Teil auch mit zeitlich begrenzten oder ganz ohne Garantien. "Wir werden an den Parametern so lange schrauben, dass sie für alle auskömmlich sind", sagt Axa-Deutschland-Chef Thomas Buberl. Damit spielt er auf verschiedene neue Angebote an, die für Kunden und Versicherer einträglicher sein sollen.

Neben Axa wollen auch die Allianz, Ergo und andere damit bald um die Sparer buhlen. Eine Zinsgarantie sei weiter en vogue, jedoch müsse sie flexibler gestaltet werden und besser auf Veränderungen am Kapitalmarkt reagieren können. Den Untergang der Lebensversicherung sieht Buberl nicht kommen: "Mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft steigt der Bedarf an Absicherung und dabei wollen die Menschen kein großes Risiko eingehen".

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