Lebensversicherung Wie gefährlich ein Policen-Verkauf für die Kunden ist

Ergo und Generali wollen zehn Millionen Lebensversicherungsverträge verkaufen. Investoren werden prächtig verdienen. Was das für die Kunden bedeutet.

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Verkauf von Verträgen. Quelle: REUTERS

Ein Traum. Die Ergo-Versicherung müsste sich nicht weiter mit dem Schmuddelimage herumschlagen, das ihr seit den Enthüllungen über Vertriebspartys mit Prostituierten in einer Budapester Therme anhaftet. Sie könnte die Vergangenheit ihrer Hamburg-Mannheimer („Hallo, Herr Kaiser“) ruhen lassen. Und sie müsste Kunden nicht mehr die heute so schwer finanzierbaren bis zu vier Prozent zahlen.

Damit der Traum wahr wird, müsste Ergo nur, wie geplant, ihre sechs Millionen Lebensversicherungspolicen verkaufen, die Kunden einst bei der Hamburg-Mannheimer (heute: Ergo Leben) und Victoria abgeschlossen haben. Mit der Generali Leben steht ein weiterer Versicherungsbestand im Schaufenster – vier Millionen Verträge.

Einige Aufkäufer stehen bereit: Viridium, die bereits rund eine Million Verträge verwaltet und hinter der Finanzinvestor Cinven und Rückversicherer Hannover Rück stehen. Oder Frankfurter Leben, mehrheitlich im Besitz des chinesischen Investors Fosun. Und die Bermuda-Gesellschaft Athene, die 2,2 Milliarden Euro ausgeben will. Verbraucherschützer kritisieren das. Die Finanzinvestoren, vulgo: „Heuschrecken“, hätten keinen Anreiz, den Kunden mehr als unbedingt nötig zu zahlen. Während Versicherer Überschüsse auch verteilten, um damit Kunden zu locken, könnte den Investoren das egal sein – neue Kunden wollen sie nicht.

Trotzdem könnten die Sorgen übertrieben sein. Denn hohe Überschüsse schafft bei diesen niedrigen Zinsen kaum ein Versicherer mehr. Alle müssen heute sehr sicher anlegen, damit Verluste nicht dazu führen, dass sie ihren Kunden den ihnen garantierten Zins nicht mehr zahlen können. Sichere Geldanlagen bringen aber nichts mehr ein, dadurch wird der finanzielle Spielraum noch knapper – ein Teufelskreis. So müssen Versicherte schon froh sein, wenn die Anbieter wenigstens dauerhaft die Zinsgarantien erfüllen können. An diese Garantien sind auch die Investoren gebunden.

Die leistungsstärksten Lebensversicherer 2017

An anderer Stelle könnten die Kunden sogar von den Aufkäufern profitieren. Diese werden, um ihren Schnitt zu machen, vor allem Kosten senken. Lebensversicherer müssen zusätzliche Kapitalerträge nämlich zu 90 Prozent an ihre Kunden ausschütten. An Überschüssen, die entstehen, weil Kosten geringer als erwartet sind, müssen sie die Kunden nur zur Hälfte beteiligen. Die andere Hälfte dürfen die Investoren behalten.

Daraus folge, dass Aufkäufer „in der heutigen Marktlage den Schwerpunkt auf die Realisierung von Gewinnen aus dem Kostenbereich legen“, sagt der Versicherungsmathematiker Bernd Heistermann. Und ergänzt: „Die Chancen für eine annehmbare Rendite sind dabei gar nicht so schlecht.“ Zehn Prozent pro Jahr seien drin.

56 Millionen mehr für Ergo-Versicherte

Die WirtschaftsWoche hat die Rechnung auf die tatsächlich zum Verkauf stehenden Bestände übertragen. Unterstellt wird, dass Aufkäufer als Kaufpreis das derzeit im Lebensversicherer eingezahlte Eigenkapital zahlen. Dies wären bei Ergo und Victoria insgesamt 1,3 Milliarden Euro, bei Generali Leben rund 550 Millionen Euro.

Die 10 schlimmsten Fehler bei der Vorsorge
Schlecht informiertDie Deutschen kaufen Autos, Computer, Küchengeräte und gehen auf Reisen. Vor dem Kauf werden oft zahlreiche Testberichte gelesen. Geht es allerdings um Versicherungen und die eigene Vorsorge, sieht dies anders aus. Dabei sind ausreichende Informationen wichtig, um teure Fehlabschlüsse zu vermeiden. Quelle: Institut GenerationenBeratung IGB Quelle: Fotolia
Lückenhafte VorsorgeOft werden einzelne, wichtige Teile der Altersvorsorge vergessen. Dazu gehören: 1) individuelle Vorsorgevollmacht 2) Patientenverfügung 3) Klärung der Finanzen im Pflegefall 4) Testament Quelle: Fotolia
Die falschen Berater„Freunde, Familie und Bekannte in alle Vorsorgefragen einzubeziehen, ist wichtig und stärkt die Bindung zueinander. Doch sich allein auf ihren Rat zu verlassen, wäre fatal“, sagt Margit Winkler vom Institut GenerationenBeratung. Denn nur ausgebildete Finanzberater könnten auch in Haftung genommen werden. Sie sind verpflichtet, alle besprochenen Versicherungen und Vorsorgeprodukte zu dokumentieren. Quelle: Fotolia
Vorsorge ist nicht gleich VorsorgeJeder sollte seine Altersvorsorge an seine eigenen Bedürfnisse anpassen, pauschale Tipps von Beratern oder Freunden taugen in der Regel wenig. Je nach Familiensituation können andere Versicherung und Vorsorgeleistungen wichtig sein. „Vor allem in Patchwork-Situationen oder bei angeheirateten Ehepartnern gelten andere Spielregeln in der Vorsorge", sagt Winkler. Quelle: Fotolia
Schwarze Schafe Deshalb ist bei der Auswahl des Beraters Vorsicht geboten, in der Branche sind schwarze Schafe unterwegs. Geht ein Berater nicht auf die persönliche Situation ein oder preist ein bestimmtes Produkt besonders an, sollten die Kunden hellhörig werden.
Informiert ins GesprächWer Fehlern im Zuge von Falschberatung entgehen will, der muss sich vorher selber informieren. Je besser der Kunde im Beratungsgespräch selber informiert ist, desto eher kann er schlechte Berater enttarnen. Quelle: Fotolia
Vorsorge-FlickenteppichBeraterin Winkler warnt davor, zu viele Verträge bei vielen verschiedenen Beratern abzuschließen. Am Ende drohten Versicherte, den Überblick zu verlieren, besser sei eine ganzheitliche Lösung, die auf die individuelle Situation abgestimmt ist. Quelle: Fotolia

Heistermann geht dann davon aus, dass Aufkäufer die Kosten um 30 Prozent drücken. Die Marketingkosten fallen genauso weg wie die Provisionen für Vertreter. Auch die IT-Aufwendungen dürften sinken.

Bei gesparten 30 Prozent könnten Investoren bei Ergo Leben dann acht Prozent pro Jahr einstreichen (siehe Beispielrechnung unten), bei Generali Leben sieben Prozent Rendite – nur die Victoria würde wegen bereits relativ geringer Kosten nur 1,3 Prozent bringen.

Sollten die Investoren den Kauf teilweise per Kredit finanzieren, wären die Renditen auf ihren eigenen Kapitaleinsatz noch größer. Den Kunden käme dann die andere Hälfte der eingesparten Gelder zugute, bei Ergo etwa 56 Millionen Euro – 20 Prozent der 2016 verteilten Überschüsse. Ihre Rendite könnte nach dem Verkauf also sogar leicht steigen. So kräftig wie die Aufkäufer aber würden sie im Leben nicht profitieren.

Acht Prozent sind drin
Den Vertragsbestand eines Lebensversicherers aufkaufen, Kosten senken und damit hohe Renditen erzielen – so kann das gelingen.
Beispiel: Ergo Lebensversicherung AG
Eingezahltes Eigenkapital (als Kaufpreis angenommen): 698,6 Millionen Euro
Aktuelle Betriebskosten: 370,4 Millionen Euro
Angenommen werden 30 Prozent Kostensenkung. Davon darf der Eigentümer 50 Prozent behalten.
Ertrag aus Kostensenkung: 50 Prozent von 30 Prozent von 370,4 Millionen Euro = 55,6 Millionen Euro
Entspricht einer jährlichen Rendite auf das Eigenkapital von: Ertrag aus Kostensenkung/Eigenkapital = 55,6 Millionen Euro/698,6 Millionen Euro = 8 Prozent
Erklärung: Angenommen wird, dass ein Investor den Versicherungsbestand aufkauft. Nun senkt er‧ die laufenden Betriebskosten um 30 Prozent. Nur die halbe Ersparnis muss er an die Kunden auskehren, den Rest darf er behalten. Im Ergebnis erzielt er so eine Rendite von acht Prozent pro Jahr.
Quelle: Geschäftsbericht 2016, eigene Berechnung


Weil Zinspapiere kaum noch Rendite abwerfen, haben die Lebensversicherer Probleme, hohe Zusagen aus Altverträgen zu erfüllen. Ein aktuelles Ranking zeigt, welche Versicherungskonzerne besonders in Bedrängnis geraten.
von Martin Gerth


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