Lebensversicherung Wie Lebensversicherer Ihre Police weiterverkaufen

Immer weniger Versicherer bieten klassische Lebensversicherungen. Statt dessen kaufen Finanzinvestoren in großem Stil Verträge samt Kapitalanlagen von Versicherern auf. Kunden müssen mit weniger Rendite rechnen.

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Bernd Neumann ist in Shoppinglaune. Der Vorstand der Frankfurter Lebensversicherung will die Verträge deutscher Kunden von der Basler Leben Schweiz kaufen – 120 000 klassische Leben-Verträge inklusive 1,8 Milliarden Euro Kapitalanlagen der Kunden. Zudem sollen 85 Mitarbeiter der Basler zur Frankfurter wechseln. Eine Genehmigung der Aufsicht BaFin erwartet Neumann im Sommer.

Eigentümer der Frankfurter Leben ist der Fonds Taunus Insurance Opportunities SCS aus Luxemburg, dessen Geldgeber zu drei Vierteln das chinesische Unternehmen Fosun und zu einem Viertel die BHF-Bank sind. Für den Fonds soll Neumann weitere Lebensversicherer samt Kapitalanlagen kaufen. „In den kommenden fünf bis sechs Jahren wollen wir durch die Übernahme weiterer Leben-Bestände Kapitalanlagen in Höhe von 20 bis 30 Milliarden Euro aufbauen“, sagt Neumann.

In der Branche heißt es, dafür müsste er einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag zahlen. Neumann wollte das nicht kommentieren. Er hofft bald auf den nächsten Zukauf: „Derzeit sind Kundenbestände von mehreren kleinen und mittleren Versicherern auf dem Markt“, sagt Neumann.

Alternativen zur Lebensversicherung: breit gestreut sparen

Einige wollten auch nur einen Teil ihrer Kundenbestände loswerden, etwa das aufwendige Riester-Geschäft. Manche sind schon sehr weit: Die Zahl der „laufenden Anträge wegen einer Übernahme von Leben-Beständen“ betrage „weniger als eine Handvoll“, so die Aufsicht BaFin. Dass Versicherer Bestände verkaufen wollen, hat Gründe: Viele sind aufgrund der niedrigen Zinsen unter Druck geraten. Hohe Garantiezinsen lassen sich immer schwieriger verdienen.

Regulierung trifft die Kleinen

Besonders kleine Unternehmen leiden unter der neuen Regulierung, die ihnen demnächst höhere Eigenmittel abfordert, etwa für zugesagte Garantiezinsen. Immer mehr Versicherer geben daher ihr Leben-Geschäft auf. 2007, vor der Finanzkrise, beaufsichtigte die BaFin noch 100 Lebensversicherer, aktuell ist die Zahl auf 84 aktive Lebensversicherer geschrumpft. Immer mehr Versicherer wollen außerdem keine oder so gut wie keine klassischen Policen mit garantierten Zinsen mehr verkaufen – so wie Zurich, Munich-Re-Tochter Ergo, Talanx oder Generali. Der klassische Kundenbestand befindet sich dann in einem „Run-off“: Es werden keine neuen Verträge mehr gemacht, bestehende aber fortgeführt.

Die nächste Stufe ist der Verkauf. Den Schritt gehen will derzeit die Auffanggesellschaft der Branche, Protektor. Die Sicherungseinrichtung der Lebensversicherer verwaltet seit 2003 die Verträge der in Schieflage geratenen Mannheimer Leben. Allein: Über die Zeit laufen Verträge aus oder werden gekündigt. Je weniger verwaltet werden, desto teurer wird es. So wie Protektor geht es nun vielen Versicherern. Erste Transaktionen gab es, Finanzinvestor Cinven und Rückversicherer Hannover Rück kauften die Heidelberger Leben, die übernahm auch Kunden der Skandia. Policen der Delta Lloyd Deutschland sind nun in Händen der Athene Holding, an der Private-Equity-Investor Apollo beteiligt ist.

Diesen Lebensversicherern gehen die Kunden stiften
Den Lebensversicherungen laufen die Kunden weg. Mehr als 1,5 Millionen Verträge kündigten deutsche Anleger allein 2014. Das hat der jährlich erscheinende Map-Report der Versicherungsbranche ermittelt. Die Kunden kehren der Lebensversicherung nicht zuletzt wegen der anhaltenden Niedrigzinsen den Rücken. Wir zeigen die Unternehmen mit den höchsten Stornoquoten. Quelle: dapd
So auch der Ergo Direkt. Bei den Kapitalbildenden Lebensversicherungen musste der Versicherer im vergangenen Jahr eine Stornoquote von 4,44 Prozent einstecken. Dennoch führen die Düsseldorf mit knapp 887.000 Verträgen den sechstgrößten Bestand. Quelle: dpa
Unter Kundenschwund leiden auch die Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt, kurz ÖSA. 2014 lag ihre Stornoquote bei 4,75 Prozent. Mit nur knapp 68.000 Verträgen halten sie allerdings deutlich weniger als der Branchenprimus Allianz mit über 2,5 Millionen Verträgen. Quelle: dpa Picture-Alliance
Den achten Rang mit den - relativ zum Bestand gesehen - meisten Vertragsabgängen nimmt die Neue Bayerische Beamten ein. 4,79 Prozent ihrer Kapitalbildenden Lebensversicherungsverträge wurden im vergangenen Jahr storniert. Die Neue Bayerische Beamten ist die Lebensversicherungssparte der Bayerischen und zählt zu den kleinsten Versicherern dieser Art in Deutschland. Nur 8.467 Lebensversicherungen hatten Kunden bei ihnen abgeschlossen (Stand: Ende 2014). Quelle: PR
Auch im Saarland treten Anleger aus ihren Lebensversicherungen aus. Die Saarland-Versicherungen verloren im vergangenen Jahr zwar nur 766 Verträge bei den Lebensversicherungen. Mit einer Stornoquote von 4,83 Prozent gehört die Assekuranz, relativ zum Bestand gesehen, zu den meist-geschassten Lebensversicherern. Bei der Nettorendite gemessen am Jahresbestand der Kapitalanlagen läuft es besser: Dort liegen die Saarländer mit 4,13 Prozent im Mittelfeld der Versicherer. Quelle: PR
Die Lebensversicherungssparte der VHV-Gruppe gehört wahrlich nicht zum Kerngeschäft der VHV-Gruppe. Gerade einmal 1.493 Verträgen waren Ende 2014 dort abgeschlossen. Die Stornoquote von 4,85 Prozent trägt nicht dazu bei, dieses Segment aufzubauen. Die VHV-Gruppe ist vor allem für ihre Unfall-, Haftpflicht- oder Sachversicherungen bekannt. Insgesamt halten Kunden des Konzerns 9,12 Millionen Verträge, deren Beitragszahlungen sich auf 2,69 Milliarden Euro addierten. Quelle: dpa Picture-Alliance
Auch die Göttinger MyLife reiht sich in die Lebensversicherer mit den höchsten Stornoquoten ein - mit einer Quote von 6,0 Prozent. Immerhin: Mit einer Nettorendite von 4,88 Prozent aus seinen Kapitalanlagen gehört die MyLife zum oberen Viertel der effizientesten Assekuranzen in Deutschland. Quelle: dpa Picture-Alliance

Auch die Frankfurter Leben will weitere Bestände kaufen und zusammenlegen, um Verwaltungskosten zu sparen. Außerdem entfällt der teure Vertrieb, denn neues Geschäft soll Neumann nicht machen. Den Kostenvorteil heben jedoch oft Renditewünsche auf: Investoren von Lebensversicherungen erwarten acht bis zehn Prozent auf ihr eingesetztes Eigenkapital, einige gar das Doppelte – eine Traumrendite. Neumann tritt Sorgen entgegen, dass seine Kunden nur noch spärliche Überschüsse erwarten. „Wir planen, die Überschusspolitik fortzusetzen, das heißt, wir werden in Abhängigkeit von der Kapitalmarktsituation eine marktübliche Überschussbeteiligung zahlen“, verspricht er.

Rein rechtlich müssen Investoren Kunden mindestens 90 Prozent von dem gutschreiben, was der Versicherer mit den Kapitalanlagen verdient. Die meisten Versicherer teilten mehr zu, denn sie wollten neue Kunden mit attraktiven Überschüssen anlocken. Fonds, die nur abwickeln, müssen darauf keine Rücksicht nehmen.

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