Nachgerechnet Die wahre Katastrophe der Drei-Länder-Fonds

Der frühere AWD-Vertreter Stefan Schabirosky behauptet in seinem Buch „Auftrag Rufmord“, Anleger hätten mit den 1990er Jahren aggressiv vertriebenen Fonds eigentlich kaum Geld verloren. Hat er Recht?

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Auch einen Kino-Komplex in Bremen haben die Drei-Länder-Fonds finanziert. Quelle: imago/CHROMORANGE

Düsseldorf Ein Buch des ehemaligen AWD-Vertreters Stefan Schabirosky hat in den letzten Tagen ordentlich Furore gemacht. In dem Titel „Auftrag Rufmord“ schreibt er, er habe eine böse Imagekampagne gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, den Finanz-Strukturvertrieb AWD und seinen Gründer Carsten Maschmeyer, betrieben.

Er habe die Medien mit langen Namenslisten von Anlegern der sogenannten „Drei-Länder-Fonds“ versorgt. Zeitungen und Fernsehen seien danach groß auf die miesen Ergebnisse dieser Fonds und ihrer Anleger eingestiegen und hätten völlig übertrieben von Totalverlusten berichtet. In Wahrheit seien die Investments aber besser gelaufen als geschildert, so Schabirosky. War also die negative Presse zu den Fonds nur hochgejazzt und völlig übertrieben?

Die Drei-Länder-Fonds waren die größte Gruppe geschlossener Fonds, die jemals aufgelegt wurde. Insgesamt 17 solcher Fonds emittierte in den 1990er-Jahren die Firma Kapital Consult, von über 50.000 Anlegern sammelte sie dabei rund zwei Milliarden Euro Kapital ein. Der AWD hat allein rund 36.000 Anlegern solche Fonds vermittelt. Ihr Geld floss in deutsche Immobilien, vor allem in einen Gebäudekomplex in Stuttgart, dessen Betreiber – eine Musical-Gesellschaft – bald pleiteging.

Ein Teil wanderte auch in Wohnkomplexe in den USA, der Rest in ein Wertpapierdepot in der Schweiz, das sich auch nicht rechnete und aufgelöst wurde. „Vergessen Sie nicht“, puschte Verkaufstrainer Axel J. Bertling damals die Vertriebsleute, „der Drei-Länder-Fonds ist ein Qualitätsprodukt.“ Und sollte ein Kunde fragen, wie der Fonds funktioniert, sollte der Verkäufer einfach sagen „hervorragend“. So jedenfalls war es 1997 schon in „Focus Money“ zu lesen.

Nichts lief hervorragend. Und schon gar nichts lief so wie in den Prospekten versprochen. Doch Buchautor Schabirosky rechnet vor, inklusive Steuerersparnissen und Ausschüttungen hätten die Anleger je nach Fonds „bis zu 90 Prozent“ ihrer Einlage zurückerhalten. Es gab ja ein paar Ausschüttungen, und wer seine Fonds kündigte, bekam auch noch einen mehr oder weniger mickrigen Bruchteil seines Einsatzes zurück.

Meine Freundin Tanja Schumann*) hat auch einen Drei-Länder-Fonds gezeichnet. In den DLF 97/25 hat sie 1997 auf Anraten einer AWD-Vermittlerin 20.000 D-Mark plus 1.000 D-Mark Abschlusskosten gesteckt. Der Prospekt las sich fantastisch. Auch ein Kinokomplex in Bremen sollte damit finanziert werden. Der Fonds sollte zunächst sieben Prozent ausschütten, später acht oder gar zwölf Prozent.

Die versprochenen sieben Prozent flossen am Anfang auch. Doch schon im Jahr 2000 waren es nur noch 4,5 Prozent, ab 2004 bewegten sie die Ausschüttungen im Promille-Bericht. 2014 hat Schumann ihren Fonds gekündigt und von umgerechnet 10.738 Euro Einsatz inclusive Agio gerade mal 2.963 Euro wiedergesehen. Über die Jahre hatte der Fonds zuvor 4.270 Euro ausgeschüttet. Damit hat sie immerhin am Ende knapp 70 Prozent ihres Investments zurückbekommen. Der Branchendienst „Kapital-Markt Intern“ rechnete für andere Drei-Länder-Fonds Rückflüsse in ähnlicher Höhe aus. Ein trauriges Investment war das für Tanja Schumann, aber es war mitnichten ein Totalverlust ihres gesamten eingesetzten Beteiligungskapitals.

Dennoch haben sich die Drei-Länder-Fonds für viele Anleger zur Katastrophe entwickelt. Sie haben ihr ganzes eingesetztes Geld mit den Fonds verloren und noch viel mehr. Denn die Vermittler verkauften häufig gleich einen Bankkredit mit. Selbst im Prospekt von Schumanns DLF 97/25 ging auch eine dort aufgeführte Modellrechnung von 100 Prozent Fremdfinanzierung aus.

Hätte Tanja Schumann ihr Investment ebenfalls zu 100 Prozent fremdfinanziert, hätte sie bei einem angenommenen Effektivzins von 6,75 Prozent und einer Restschuld in Höhe der Schlusserstattung ihres Fonds 7.530 Euro Zinsen bezahlt. Viel mehr als die insgesamt 4.270 Euro Ausschüttungen des Fonds. Die am Schluss vom Fonds ausbezahlten 2.963 Euro hätte sie für die Tilgung ihrer Restschuld gebraucht. Sie hätte also insgesamt 3.775 Euro plus ihren Einsatz zu Beginn verloren. Das wäre mehr als ein Totalverlust. So haben viele Anleger mehr als ihre ursprüngliche Beteiligungssumme verloren. Max Herbst von der FMH-Finanzberatung errechnete, selbst wenn sie im Umfeld sinkender Zinsen ihren Bankkredit zwei Mal besonders günstig neu abgelöst hätte, hätte sie 9710 Euro verloren plus das Agio von umgerechnet 512 Euro (1.000 D-Mark). Fast drei Mal mehr als in der ersten Variante ohne Bankkredit.

Stefan Schabirosky sagt, er sei auf die Kreditfinanzierungen der Fonds in seinem Buch nicht eingegangen, weil damals er persönlich als AWD-Vertreter höchstens 30 Prozent seinen Kunden auch Kredite mitvermittelt habe. Auch seien die Beteiligungen bei diesen Kunden meist nur zu 90 Prozent oder weniger über Banken finanziert worden. Dass Banken überhaupt die Fonds so hoch mit finanziert haben, belegt für ihn, dass die Fonds damals als werthaltig galten.

Übrigens: Hätte Tanja Schumann damals einfach von ihren Ersparnissen Bundesanleihen (DE0001135044)gekauft, hätte sie bei gleicher Laufzeit bis 2014 insgesamt 11.521 Euro Zinsen erhalten und noch steuerfreie Kursgewinne von rund 6.200 Euro einstreichen können. Aber daran hätte dann der AWD nichts verdient. Staatspapiere kamen in der Empfehlungen der so genannten „unabhängigen Vermittler“ nicht vor.

Bei den alten vom AWD vermittelten Investments ist heute nichts mehr zu retten. Für viele Anleger, die damit ihre Altersvorsorge betreiben wollten, waren sie eine Katastrophe. Ich persönlich habe glücklicherweise noch nie eine Geldanlage auf Kredit finanziert. Man kann damit zwar Gewinne hebeln, aber wenn das Investment schlecht läuft, hebelt ein Bankdarlehen auch die Verluste.

*) Name geändert

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