Neue Policen Was Lebensversicherungen ohne Garantiezins taugen

Lebensversicherer wie Allianz oder Ergo bieten seit kurzem neue Policen, die komplett auf den Garantiezins verzichten. Die Assekuranzen sind so ihr Zinsversprechen los, aber was hat der Sparer von den neuen Modellen?

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Die neuesten Lebensversicherungen bei Allianz und Ergo haben keinen Garantiezins mehr. Quelle: Marcel Stahn

Der Vertreter einer Versicherungsfiliale der Allianz in Frankfurt rutscht nervös auf seinem Stuhl hin und her. Auf die Frage, was er denn von den gerade eingeführten neuen Lebensversicherungsprodukten ohne Garantiezins halte, druckst der pausbackige junge Mann herum. Er schließt die Augen, pausiert. Dann fasst er Mut, sagt im Brustton der Überzeugung: „Die Zinsen sind so niedrig, dass Versicherer sich Sorgen machen, dass sie den Garantiezins nicht mehr erwirtschaften können. Trotzdem finde ich es befremdlich, dass die Allianz jetzt ein Produkt ganz ohne Garantiezins anbietet.“

Versicherer wollen raus aus ihren Zinsversprechen, die sie ihren Kunden seit Jahrzehnten geben. Denn auch sie können nicht zaubern: Die durchschnittliche Rendite von Bundesanleihen liegt derzeit bei mickrigen 1,70 Prozent. Versprochen haben sie ihren Kunden aber je nach Abschlusszeitpunkt der Versicherung 1,75, 2,25 oder gar 4,00 Prozent Ertrag pro Jahr. Leisten müssen sie den Mindestzins aber nur auf die Beiträge abzüglich der Kosten.

Am liebsten ohne

Policen mit Garantiezins von derzeit 1,75 Prozent sind zwar noch im Angebot – doch geht es nach der Assekuranz, sollen Kunden künftig Policen am liebsten ohne Mindestzins abschließen: Die Marktführer Allianz und Ergo bewerben die neuen Produkte massiv seit Anfang Juli. Beide garantieren Sparern immerhin noch den Erhalt der eingezahlten Beiträge. Mit einem „starken Sicherheitsnetz“ dank Beitragsgarantie und „zusätzlichen Renditechancen“ lockt die Allianz. Ergo verspricht „eine in Deutschland einzigartige Absicherung mit Garantie“, außerdem „Sicherheit“.

Große Lebensversicherer lassen Kunden hungern
Der Speck ist wegWer eine Lebensversicherung kauft, geht zum Vertreter. Rund zwei Drittel des Neugeschäfts entfällt daher auf die 20 größten Lebensversicherer. Die Branchenriesen werden nun jedoch immer vorsichtiger. Im Schnitt liegt ihre Überschussbeteiligung bei 3,49 Prozent - das ist mager und dürfte weniger als der ohnehin schon niedrige Branchenschnitt von rund 3,6 Prozent sein. Der Grund: Fast alle sind mit ihren Gutschriften runter gegangen, manche Riesen haben sogar schon drei Prozent erreicht. Senkungen der Zinsgutschriften von 0,5 Prozentpunkt oder mehr ließen oft aufhorchen. Hier scheint nur noch wenig Speck zu sein für die Kunden. Stand: Januar 2013 Quelle: rtr
Platz 20 - R+V: Wartet abDer drittgrößte Lebensversicherer in Deutschland will erst Ende Februar mitteilen, wie hoch seine Überschussbeteiligung im laufenden Jahr ist. Das ist ungewöhnlich spät. Zur Begründung hieß es in Wiesbaden, man wolle die Entwicklung des Marktes abwarten. Damit ist die R+V die große Ausnahme in der Branche. Für 2012 hatte die R+V die Angaben noch - wie in der Branche üblich - Anfang Dezember 2011 geliefert. Damals hieß es, trotz des schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfelds könne die R+V Lebensversicherung AG für ihre Kunden auch 2012 eine Gesamtverzinsung von 4,40 Prozent bieten. Darin enthalten sei eine laufende Verzinsung von 3,85 Prozent. Quelle: Presse
Platz 19 - Zurich: 3,0 ProzentEiner der größten Anbieter von Lebensversicherungen, die Zurich, ist mit ihrer Überschussbeteiligung deutlich heruntergegangen. Sie liege für 2013 auf nun bei drei Prozent, heißt es auf der Internetseite von Assekurata. Für 2012 waren es noch 3,35 Prozent und für 2011 schrieb der Versicherer 3,7 Prozent gut. Die durchschnittliche Gesamtverzinsung (laufende Verzinsung sowie Schlussüberschuss inkl. deklarierter Beteiligung an den Bewertungsreserven) betrage nun etwa 3,8 Prozent - nach 4,2 Prozent für 2012. Die vertragsindividuelle Gesamtverzinsung hänge dabei von Daten wie Produkt, Laufzeit und Alter der versicherten Person ab. Zurich setze auf nachhaltige finanzielle Stärke der Lebensversicherung statt auf kurzfristige Renditeversprechen, erklärte der Versicherer auf Anfrage von Handelsblatt Online. Wegen der anhaltend niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten habe die Unternehmensführung daher entschieden, eine Senkung der Überschussbeteiligung für den Neuzugang und den Bestand vorzunehmen. "Unsere Kapitalanlagepolitik ist auf höchste Sicherheit ausgelegt. Wir können unseren Kunden keine höhere Verzinsung auszahlen, als wir mit unserer Kapitalanlage erwirtschaften", erklärte eine Sprecherin der Zurich. Quelle: Presse
Platz 18 - Ergo: 3,0 bis 3,2 ProzentErgo ist einer der größten Anbieter auf dem Markt. Für Ergo Leben sinkt die Überschussbeteiligung auf 3,2 von 3,8 Prozent, für Victoria Leben auf 3,0 von 3,5 Prozent. Die Gruppe verwaltet mehr als sieben Millionen Verträge. Mit den Deklarationen hat der Versicherer ein Zeichen gesetzt. Damit erreicht einer der Marktgrößen die Marke von drei Prozent bei den laufenden Überschüssen. Quelle: dapd
Platz 17 - SV Sparkassenversicherung: 3,05 ProzentDie Überschussbeteiligung der SV Sparkassenversicherung ist von 3,75 Prozent für 2011 auf 3,55 Prozent in diesem Jahr auf nun 3,05 Prozent in diesem Jahr gefallen. Dies ergibt aus Angaben, die Assekurata veröffentlicht hat. Der Rückschritt ist damit stärker als im Schnitt der Branche. Der Sparkassenversicherer war in den vergangenen Jahren besonders stark durch Einmalgeschäft gewachsen.
Platz 16 - Versicherungskammer Bayern (VKB): 3,1 ProzentDer größte Sparkassenversicherer, die Versicherungskammer Bayern, setzt auf hohe Reserven. Die Bayern-Versicherung Lebensversicherung AG, größter Lebensversicherer der VKB, zähle zu den Gesellschaften mit den höchsten Bewertungsreserven in der Branche. Allerdings liegt damit ein weiterer großer Lebensversicherer aus dem Sparkassensektor unter den Großen relativ weit hinten. Dennoch senkt das Unternehmen seine Überschussbeteiligung 2013 auf einen der niedrigsten Werte in der Branche: 3,1 Prozent. Bisher waren es 3,5 Prozent. Die Bayern-Versicherung bietet darüber hinaus auch im Jahr 2013 eine attraktive Gesamtverzinsung auf den Sparanteil. Für Neuverträge gegen laufenden Beitrag betrage diese 3,7 Prozent. Darin enthalten seien 0,6 Prozent für den Schlussüberschuss inklusive der Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven. Die Sparte Lebensversicherung des Sparkassenversicherers verzeichnete 2012 ein starkes Beitragswachstum. Die Prämien stiegen den Angaben zufolge um 5,9 Prozent auf 2,62 Milliarden Euro.
Platz 15 - Württembergische: 3,25 ProzentDie Lebensversicherung im Versicherungs- und Bausparkonzern Württembergische und Wüstenrot geht um 0,25 Prozentpunkt mit der Überschussbeteiligung runter: Sie sinkt von 3,5 Prozent in den beiden Vorjahren auf nun 3,25 Prozent. Norbert Heinen, Vorstandsvorsitzender der Württembergischen Lebensversicherung AG: „Mit unserer vergleichsweise konservativen Positionierung beim Zinsüberschuss berücksichtigen wir die Entwicklungen am Kapitalmarkt und stabilisieren unseren Bestand auch gegen Belastungen aus der anhaltenden Niedrigzinsphase, der EU-Verschuldungskrise und Ausfallrisiken.“ Zusammen mit dem Schlussüberschuss und der Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven ergebe sich ab 2013 eine gesamte Verzinsung der Sparanteile von 3,9 Prozent (Vorjahr: knapp 4,2 Prozent). Quelle: Presse

In der langen Geschichte der deutschen Lebensversicherung läuten die Angebote eine neue Ära ein: das Ende des Mindestzinses, gepaart mit dem vagen Versprechen auf höhere Renditen als bei der klassischen Police. Seit die Finanzkrise im Herbst 2008 ihre volle Wucht entfaltete, seit die Notenbanken mit Niedrigzinsen und billigem Geld Staaten am Leben halten, leiden Versicherer unter ihren Zinsversprechen. Selbst mit Anleihen von mittelprächtig beleumdeten Unternehmen lassen sich die gut drei Prozent Ertrag jährlich, die die Versicherer im Durchschnitt über alle 89 Millionen Verträge versprochen haben, nicht mehr reinholen.

Die Policen werden für Versicherer und ihre Kunden deshalb mehr und mehr zum Vabanquespiel. Das Dilemma: Versicherer müssen permanent viel Kapital an den wackligen Märkten unterbringen. Neu angelegt haben die Lebensversicherer allein im Jahr 2012 brutto knapp 130 Milliarden Euro. Insgesamt verwalten sie derzeit bereits gigantische 769 Milliarden Euro. Hinzu kommen 66 Milliarden Euro aus Verträgen, die auf Investmentfonds basieren (sogenannte Fondspolicen).


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