Öffentlich-rechtliche Banken Schicksalsjahr 2006: Sparkassen im Härtetest

Die Sparkassen-Finanzgruppe steht unter Druck. Der öffentlich-rechtliche Verbund aus Sparkassen, Landesbanken, Bausparkassen und Versicherern sieht sich durch immer neue Vorstöße aus der Politik, die Strukturen zu reformieren, von außen bedrängt.

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Zur vollständigen Ansicht der Graphik klicken Sie bitte auf die Lupe. Quelle: handelsblatt.com

HB FRANKFURT. Vielleicht bedrohlicher sind aber die Fliehkräfte in der Organisation, die unter dem Eindruck eines sich dramatisch verschärfenden Wettbewerbs die bisherige Arbeitsteilung in Frage stellen.

Angriffe von außen, etwa bei der versuchten Privatisierung der Sparkasse Stralsund, haben den Zusammenhalt der Gruppe zwar am Ende immer wieder gestärkt. An den inneren Widersprüchen könnte das öffentlich-rechtliche Lager mit seinen rund 50 Millionen Kunden aber am Ende scheitern. 2006 wird so zur Bewährungsprobe, ob sich die Landesbanken und Sparkassen zukünftig vermehrt Konkurrenz machen oder stärker an einem Strang ziehen.

Neue, ernsthafte Vorstöße der Politik, die auf eine Privatisierung der Sparkassen zielen, sind im kommenden Jahr kaum zu erwarten. Mittlerweile ist auch den meisten Kommunal- und Landespolitikern klar geworden, dass bei einem Verkauf der Institute vor Ort nur ein einmaliger Erlös winkt. Im Gegenzug gibt man aber Finanzierungsinstrumente aus der Hand, die gerade für mittelständische Unternehmen und die Strukturaufgaben im ländlichen Raum unverzichtbar sind. Außerdem weiß jedes Dorf, dass die Sparkasse meistens der letzte Sponsor für die Sport- und Kulturförderung vor Ort ist, weil sich die privaten Banken aus der Fläche längst zurückgezogen haben.

Zwar steht eine Privatisierung derzeit nirgends auf der Agenda - die drei Säulen aus Sparkassen, genossenschaftlichen Instituten und Privatbanken bleiben weiterhin strikt getrennt. Das heißt aber nicht, dass die Politiker die Füße stillhalten. In immer mehr Bundesländern arbeiten die Landespolitiker an Novellierungen der Sparkassengesetze, um die Modernisierung der öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft voranzubringen.

Ein gutes Beispiel ist Hessen. Schon im Januar will das Kabinett einen Entwurf beraten, der die Bildung von handelbaren Stammkapitalanteilen vorsieht. Im Frühjahr soll die Gesetzesänderung in den Landtag eingebracht werden. Sollte die Novelle alle parlamentarischen Hürden nehmen, dann würden Anteile unter den Sparkassen und der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) handelbar.

Auf den ersten Blick mutet die Novelle nicht gerade revolutionär an, und doch birgt sie Sprengstoff und ist heftig umstritten. Der regionale Sparkassenverband wittert hinter dem Vorstoß einen Plan von Ministerpräsident Roland Koch (CDU), den Wert der Landesbank zu steigern und am Ende die Sparkassen im Rhein-Main-Gebiet unter dem Dach der Helaba zu bündeln. Diese "vertikale Konstruktion" nennen die Sparkassenfunktionäre ein "Horror-Szenario", weil die historisch strikte Trennung zwischen breitem Privatkundengeschäft für die Sparkassen und dem Kapitalmarkt- und Großkundengeschäft der Landesbank aufgehoben würde. Wenn sich die hessische Regierung mit ihren Plänen durchsetzt, könnten ihr weitere Landesregierungen folgen. In Düsseldorf hat Finanzminister Helmut Linssen (CDU) alle Beteiligten dazu aufgefordert, ihre Vorstellungen für die geplante Neufassung des Sparkassengesetzes bis Ende Februar zu übermitteln. Bisher wurden sowohl die Bildung von Stammkapital als auch ein Holding-Modell für die WestLB und die regionalen Sparkassen diskutiert.

Im Markt fühlen sich die Sparkassen durch die Direktbanken der Landesbanken bedrängt. Vor allem die BayernLB geht mit ihrer Tochter DKB bundesweit auf Kundenfang, seit der Übernahme der Frankfurter Sparkasse (Fraspa) verfügt auch die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) mit der 1822direkt über ein neues Spielbein im Privatkundengeschäft. Das Gerangel im breiten Massengeschäft zwischen Sparkassen und Landesbanken rüttelt an den Grundpfeilern der Finanzgruppe, die Solidarität gerät unter die Räder. Um eine weitere Eskalation zu vermeiden, verständigten sich die Sparkassen und Landesbanken im November 2005 in der "Berliner Erklärung" darauf, dass es keine weiteren Regelverstöße geben soll. Sparkassenpräsident Dietrich Hoppenstedt konnte damit die Reihen noch einmal schließen. Ob die Vorsätze aber auch in der Praxis umgesetzt werden, wird sich im nächsten Jahr zeigen.

Im Markt befinden sich die Sparkassen in einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb mit den privaten Direktbanken wie der ING Diba und auch mit der Postbank. Hohe Marktanteilsverluste mussten die Institute mit dem roten "S" als Markenzeichen bisher bei den Tagesgeldkonten und kurzfristigen Einlagen hinnehmen. Im zu Ende gehenden Jahr spürten sie aber auch die aggressiven Konditionen der Konkurrenten in der privaten Baufinanzierung. Hier schmerzen Verluste im Neugeschäft noch stärker, weil die Kundenbeziehungen meistens über zehn Jahre oder länger laufen. Im Frühjahr wollen die Sparkassen jetzt mit "Leuchtturmprodukten" verstärkt dagegenhalten. In den umkämpften Segmenten soll eine bundesweite Marketingkampagne anrollen, zudem soll in mehreren Pilotprojekten der mobile Vertrieb getestet werden.

Zündstoff für das öffentlich-rechtliche Lager bietet im kommenden Jahr auch die zum Verkauf stehende Berliner Bank. Die Abgabe gehört zu den Auflagen, die die Brüsseler EU-Kommission der Bankgesellschaft Berlin auferlegt hatte. Im Gegenzug wurden milliardenschwere Hilfen des Landes genehmigt. Die Berliner Bank ist im Firmen- und Privatkundengeschäft aktiv und kommt auf einen Marktanteil von acht Prozent in Berlin. Schon haben einige Landesbanken - wie etwa die HSH Nordbank - signalisiert, dass sie Interesse an einer Übernahme haben. Aber auch die Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam will mitbieten. Ein gemeinsames Gebot bringt die Gruppe nicht mehr zu Stande.

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