Die zweite Säule des deutschen Vorsorgesystems, die betriebliche Altersversorgung (bAV), bereitet den verantwortlichen Rentenzahlern schon lange Kopfzerbrechen. Stefan Oecking, Partner bei Mercer und Vorstandsmitglied des Fachverbands aba, der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung, sieht die Entwicklung mit Sorge: “Die Prognosen zu den Ablaufleistungen aus der bAV gehen jedes Jahr runter.“
Um dem gesetzlichen Anspruch der Arbeitnehmer auf betriebliche Altersversorgung umzusetzen, stehen den Unternehmen fünf Durchführungswege zur Verfügung: Direktversicherungen, Pensionskassen, Pensionsfonds, Unterstützungskassen und Direktzusagen. Die Arbeitnehmer zahlen dort Teile ihres Bruttolohnes steuerfrei ein, viele Arbeitgeber zahlen zudem einen Zuschuss, weil sie für den eingezahlten Betrag keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen und ihre Mitarbeiter auf diesem Wege belohnen wollen. Die aktuellen Angebote zahlen die Beiträge überwiegend in Versicherungslösungen, ähnlich den Renten- oder Lebensversicherungen.
Rund die Hälfte des bAV-Volumens sind laut Oecking jedoch Direktzusagen der Unternehmen, auch bekannt als Pensions- oder Versorgungszusage. Hierbei wird die Rente direkt aus den Geldtöpfen der Unternehmen gezahlt. Diese haben noch bis in die Jahre 2003 und 2004 gute Leistungsgarantien für ihre Mitarbeiter ausgesprochen und für ihre Leistungszusagen hohe steuerliche Rückstellungen gebildet, zum Beispiel in der chemischen Industrie.
Heute, so Oecking, würden die Unternehmen die Risiken in ihren Bilanzen meiden und weniger Direktzusagen erteilen. „2008 lag der Rechnungszins für die Rückstellungen der Unternehmen im Konzernabschluss noch bei über sechs Prozent. In diesem Jahr waren es nur noch 2,4 Prozent“, sagt Oecking. „Weil viele Unternehmen nur noch ein geringes Interesse daran zeigen, diese Säule der Altersvorsorge weiter auszubauen – auch weil die Durchführungswege in der bAV ihnen zu aufwändig und zu kompliziert erscheinen – bleiben für neue bAV-Verträge nur Versicherungslösungen – und die fahren ihre Leistungen wegen der niedrigen Zinsen auf sichere Anlagen runter. Die maximale Einzahlung von vier Prozent des Bruttogehalts ist dabei gemessen am steigenden Bedarf nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Das macht die bAV für viele Arbeitnehmer unattraktiv, obwohl sich die Leistungen aus Betriebsrenten besser entwickelt haben als in der gesetzlichen Rentenversicherung. „Die Nutzung der bAV-Angebote hat sich in den vergangenen Jahren hingegen überhaupt nicht entwickelt“, sagt Oecking.
Bis zum Jahresende soll der gesetzliche Rahmen für die bAV reformiert werden. Laut Oecking sei es wichtig, dass flexiblere Lösungen entstünden, die auch Investments in sachwertorientierte Anlagen wie etwa Aktien ermöglichen, gepaart mit Schutzmechanismen vor Vermögensverlusten. “Fest steht, dass sich die umlagefinanzierte gesetzliche Rente nur nach unten entwickeln kann. Das gesetzliche Rentenniveau wird nach 2030 unter 40 Prozent fallen“, sagt er. Grund dafür sei vor allem, dass der Bevölkerungsdurchschnitt immer älter wird, weil zu wenige Kinder geboren würden. „Die zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge ist deshalb eine Notwendigkeit – auch wenn die Verzinsung niedrig ist“, konstatiert der bAV-Experte. Zum Sparen fürs Alter gebe es keine Alternative.