Weil die gesetzliche Rente kaum reichen wird, setzen viele Deutsche auch auf die zusätzliche private Altersvorsorge, zumeist ausgestattet mit staatlicher Förderung durch Zulagen oder Steuervorteile. In Frage kommen dafür etwa die Riester-Rente, die Basis-Rente (auch Rürup-Rente genannt) oder Sparprodukte wie etwa kapitalbildende Renten- und Lebensversicherungen oder Fondssparpläne, die den gesetzlichen Ansprüchen an eine steuerbegünstigte Altersvorsorge genügen.
Das Problem: Um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, müssen die Verlustrisiken begrenzt werden. Nur so ist später auch tatsächlich ein Kapitalstock für die Verrentung vorhanden. Das führt dazu, dass die Anbieter solcher Sparprodukte überwiegend in festverzinste Anleihen mit geringem Ausfallrisiko investieren. Denn die Rendite für den langfristigen Vermögensaufbau kommt im Wesentlichen durch den Zinseszinseffekt zustande – und der geht in Zeiten niedriger Verzinsung zusehends in den Keller.
So kommt die Rendite deutscher Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit aktuell nicht einmal mehr in die Region von einem halben Prozent. „Die Versicherungswirtschaft ist damit gescheitert, sich als Anbieter von Altersvorsorgeprodukten zu etablieren. Die Riester-Rente ist da nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Kleinlein vom Bund der Versicherten. „Viele Anbieter haben gut daran verdient, die Kunden und der Steuerzahler zahlen drauf.“
Paradoxerweise hat sich das Verhalten der Deutschen in den vergangenen Jahren kaum verändert. Nach einer Studie der Bundesbank haben drei Viertel der Bürger ihr Sparverhalten seit Anfang der Niedrigzinsphase nicht verändert. Viele häuften ihr Geld sogar auf Sparbüchern mit Mini-Zinsen an. Gleichzeitig nimmt das Interesse an der mit staatlichen Zulagen geförderten Riester-Rente seit 2013 ab. Gut ein Fünftel aller Riester-Verträge liegen still. Grund dafür sind oft vergleichsweise hohe Vertragskosten bei geringen Renditen – allen staatlichen Zulagen und Steuervorteilen zum Trotz. Zudem sind die Produkte häufig unflexibel.
Typische Irrtümer von Riester-Sparern
Sie übersehen, dass die Verzinsung variabel ist. Die Bank kann also die Zinsen jederzeit senken. Nur Lebens- und Rentenversicherungen müssen laut Gesetz mindestens 1,25 Prozent Zinsen garantieren, ab 2017 sind es nur noch 0,9 Prozent. Für Banksparpläne gilt dieser Garantiezins nicht beziehungsweise erst, wenn das Sparguthaben in eine Rentenversicherung überführt wird. Dann sind die Versicherungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt gültig. Garantiezins, Sterbetafeln, etc. können sich also während der Ansparphase noch deutlich zu Ungunsten des Sparers ändern.
Ihnen ist nicht klar, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Sparvertrag oder eine vorgezogene Rentenphase die Auszahlung drastisch schmälert. Denn es fehlen nicht nur Einzahlungsjahre, sondern auch die Rentenbezugsdauer steigt gleichzeitig. Es ist also weniger Geld für mehr Rentenjahre im Topf.
Die Riester-Rente lockt Sparer mit zwei Garantien: Der Auszahlung einer lebenslangen Rente, selbst wenn der Kapitalstock aufgebraucht ist, und der Garantie, dass die Einzahlungen, staatlichen Prämien und die bis zum Rentenbeginn aufgelaufenen Zinsgewinne für die Rente bereit stehen. Das bedeutet aber nicht, dass der Sparer die volle Summe nach zu Lebzeiten ausgezahlt bekommt. Es ist nur eine Garantie dafür, dass der Kapitalstock durch Investition in die falschen Anlagemärkte Verluste erleidet und dahinschmelzen könnte.
Sparer gehen häufig von einer halbwegs realistischen Lebenserwartung aus. Die Anbieter müssen jedoch so kalkulieren, dass sie auch bei Erreichen eines weit überdurchschnittlichen Alters noch eine Rente zahlen können, ohne das Geld anderer Sparer oder ihr eigenes Kapital aufzuwenden, sprich ohne Verluste zu machen.
Sie verwechseln Prognosen und Anlagevorschläge der Anbieter mit Garantien. Dabei gibt es zahlreiche Faktoren, die erheblichen Einfluss auf die Rente haben können. Zum Beispiel ein allgemein sinkendes Zinsniveau, gesetzliche Rahmenbedingungen, Änderungen in den Versicherungsbedingungen, im Steuerrecht und in den Sterbetafeln.
Sie vertrauen auf ihre Bank und ihren Kundenberater. Dabei ist ein Riester-Vertrag eine komplizierte Angelegenheit, bei deren Berechnung auch schnell Fehler passieren. Eine gründliche Prüfung aller Vertragsunterlagen ist Pflicht, am besten durch einen unabhängigen Berater, der gegen Honorar und nicht für eine Verkaufsprovision berät.
Sie konzentrieren sich auf die staatlichen Zulagen und unterschätzen die Steuern in der Auszahlphase. Dabei wird der volle Steuersatz auf das gesamte Guthaben fällig, egal ob Verrentung oder Einmalauszahlung. Vorteilhaft ist diese sogenannte nachgelagerte Besteuerung nur, weil der persönliche Steuersatz mit Renteneintritt in der Regel deutlich sinkt.
Ebenso greifen die Mini-Renditen das Konzept der Lebensversicherung an. Die Deutschen haben dieses Produkt lange bevorzugt, weil es feste Zinsen garantiert. Über 88 Millionen Verträge haben die Bundesbürger abgeschlossen. Insgesamt liegen 740 Milliarden Euro bei den Versicherern. Doch während die Anbieter vor 20 Jahren noch vier Prozent Zinsen pro Jahr garantierten, sind es heute nur noch 1,25 Prozent. Ein Satz, der sich wegen der üblicherweise saftigen Verwaltungs- und Provisionskosten kaum noch lohnt.
Um ihre Garantiezusagen einzuhalten, haben deutsche Lebensversicherer eine Sicherheitsreserve von rund 31 Milliarden Euro aufgebaut. Wilhelm Schneemeier, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) bezweifelt aber, dass das auf Dauer reicht. „In der heutigen Zinssituation wird es mit neuen Produkten kaum möglich sein, mehr als den Beitragserhalt für Produkte mit laufender Beitragszahlung fest zuzusagen.“
Schneemeier glaubt, dass es noch schlimmer kommen könnte. „Die aktuelle Entwicklung wird dazu führen, dass über die zugesagten Garantien neu nachzudenken ist." Neben der Höhe des Zinssatzes werde vor allem die Länge der Zusage zu überdenken sein. Bei negativen Zinsen befürchtet der Chef der Versicherungs- und Finanzmathematiker-Vereinigung sogar, dass der Erhalt der Vermögen unter Druck geraten könne. „Wir erwarten bei den Produkten eine stärkere Verlagerung der Risiken hin zu den Kunden“, sagt Schneemeier.
Die Versicherungsmathematiker fordern deswegen einen erleichterten Zugang der Versicherungen zu wertstabilen Anlagen wie Immobilien, Infrastrukturfonds und erneuerbare Energien. Erlauben müssten das die Aufsichtsbehörden. Sie prüfen, wie riskant die Anlagen der Rentenversicherer sind und ob sie den gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich beschränkter Verlustrisiken genügen.