Private Krankenversicherung Die zehn größten Irrtümer – und was tatsächlich stimmt

Private kontra gesetzliche Krankenversicherung Quelle: imago images

Im neuen Jahr erhöhen die privaten Krankenversicherer (PKV) die Prämien – zum Teil um mehr als zehn Prozent. Wer in die PKV wechseln will, sollte wissen, worauf er sich einlässt. Welche Vorurteile falsch sind.

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Es gibt Post, die sich keiner wünscht. So geht es Millionen von Deutschen, die sich privat krankenversichert haben. Ihnen haben die Versicherer in diesem Jahr Briefe geschickt, in denen sie Prämienerhöhungen für 2018 androhen. Beim Kölner Versicherer Axa sind beispielsweise 27 Prozent aller Tarife betroffen. Bis zu 38 Prozent mehr müssen die betroffenen Axa-Versicherten zahlen.

Dass 2018 kein Ausnahmejahr ist, zeigt ein Blick in die Statistik. Zwischen 2007 und 2017 stiegen die Prämien - ohne die Tarife für Beamte - im Schnitt um 53 Prozent, hat das Ratinghaus Assekurata errechnet. Pro Jahr wären es im Schnitt 4,2 Prozent. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag der Schnitt bei plus 4,8 Prozent. Die von Assekurata ausgewerteten Unternehmen decken rund 60 Prozent des Marktes ab.

Grund für das kräftige Prämienplus in der PKV sind die steigenden Ausgaben für medizinische Behandlungen. Zusätzlich machen die Niedrigzinsen der PKV zu schaffen. Im vergangenen Jahr lag die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen im Branchenschnitt noch bei 3,7 Prozent. Das klingt üppig, ist aber vor allem darauf zurückzuführen, dass die Versicherer Bewertungsreserven gehoben haben. Und die schmelzen langsam ab. 

Niedrigzinsen provozieren Prämienerhöhungen

Dabei bräuchten die Krankenversicherer mehr Kapitalerträge, beispielsweise für Alterungsrückstellungen. Diese Rückstellungen, die in den Prämien bereits eingerechnet sind, sollen die steigenden Ausgaben für ältere Versicherte abfedern. Weil sichere Zinspapiere jedoch kaum noch Zinsen abwerfen, fehlt Kapital, um künftige Prämienerhöhungen zu dämpfen. Folge: Die Beiträge ziehen stärker an.

Beide Trends werden den Zulauf in die PKV kaum erhöhen. Im vergangenen Jahr wechselten von der GKV in die PKV genauso viele wie umgekehrt. Schon seit Jahren stagniert die Zahl der PKV-Mitglieder bei etwa 8,8 Millionen. Das ist Wasser auf die Mühlen der PKV-Kritiker, vor allem aus der SPD. Führende Sozialdemokraten fordern sogar, die PKV abzuschaffen und sie durch eine Bürgerversicherung zu ersetzen.

Durchschnittliche Beitragsanpassungssätze bei den privaten Krankenversicherungen (in Prozent). In einzelnen PKV-Tarifen kommen durchaus Erhöhungen im zweistelligen Prozentbereich vor. (Quelle: Assekurata)

Noch ist es allerdings zu früh, das Ende der PKV einzuläuten. Schließlich hat es für Millionen Deutsche erhebliche Vorteile Privatpatient zu sein. So kann ein privater Versicherer einmal zugesagte Leistungen nicht nachträglich streichen. Bei den gesetzlichen Kassen ist dies über eine Gesundheitsreform jederzeit möglich, wenn etwa das Geld knapp wird.

Privatpatient zu sein, hat aber auch Nachteile. So müssen sich beispielsweise PKV-Mitglieder das Geld für Arztrechnungen beim Versicherer erst wiederholen. Nicht immer geht das reibungslos. Viel Papierkram und jede Menge Ärger sind keine Seltenheit. Zynisch gesagt, es kann nicht schaden, vor einem Wechsel in die PKV, erst eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen.

Es gibt jedoch auch eine Reihe von weit verbreiteten Vorurteilen zur PKV, die an den Tatsachen vorbei gehen. Wer von der GKV in die PKV wechseln will, sollte die Wahrheit kennen.    

Leistet die PKV mehr als die GKV?

1. Die PKV lohnt sich für jeden, der mit seinem Jahreseinkommen über der Versicherungspflichtgrenze für die gesetzlichen Krankenkassen von 57.600 Euro (2017) liegt.

So pauschal lässt sich das nicht sagen. Zwar können diese Versicherten von der GKV in die PKV wechseln. Das sagt aber noch nichts darüber aus, ob sie sich den PKV-Beitrag auch dauerhaft leisten können. Entscheidend für die Prämienhöhe ist der Gesundheitszustand des Versicherten und der hat mit dem Einkommen wenig zu tun. Wie stark die Prämien des jeweiligen Tarifs in der Zukunft steigen werden, hängt vom Gesundheitszustand der übrigen Versicherten im Tarif ab und wie konservativ der Versicherer die Einstiegsprämien kalkuliert hat. Je stärker die Prämien auf Kante genäht sind, desto größer ist das Risiko von massiven Beitragserhöhungen. Das sind jede Menge Unwägbarkeiten. Wer also in die PKV wechselt, sollte daher ausreichend finanzielle Polster in seinem Budget haben. Allein das Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze ist kein Argument für den Wechsel in die PKV.  

2. Die PKV leistet mehr als die GKV.

Zwar bietet die PKV grundsätzlich zusätzliche Leistungen an. Es gibt aber auch PKV-Tarife, die in einigen Leistungskategorien weniger Kosten für medizinische Leistungen übernehmen als die GKV. Das spricht dafür, sich in der PKV nicht für einen Billig-Tarif zu entscheiden. Tarife mit mehr Leistungen haben logischerweise höhere Prämien. Ein Grund mehr, genau zu kalkulieren, ob die PKV-Prämie zu schultern ist. 

3. Die PKV-Prämien sind niedriger als die Beiträge in der GKV.

In der Regel sind die PKV-Beiträge für junge Versicherte niedriger als in der GKV. Allerdings hinkt der Vergleich:

a) Weil die Prämien in der PKV im Alter stärker ansteigen können als in der GKV. Entscheidend ist die Beitragssumme über die gesamte Laufzeit.

b) Weil es in der PKV und der GKV um zwei unterschiedliche Leistungskataloge geht. Insofern ist die Prämienhöhe nur schwer vergleichbar.

c) Weil in der PKV die Prämie für einen Tarif mit einem begrenzten Pool an Versicherten berechnet wird, der ein ganz spezifisches Gesundheitsrisiko hat. Die Prämien unterschiedlicher Tarife können daher erheblich voneinander abweichen. In der GKV wird die Prämie dagegen über alle Kassenmitglieder berechnet.

Wie die privaten Krankenversicherer ihre Prämien im Detail kalkulieren, können Versicherte in einer Broschüre des PKV-Verbandes nachlesen.

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4. Je älter die Versicherten in einem PKV-Tarif sind, desto stärker steigen die Prämien.

Mit dem Alter steigt zwar grundsätzlich das Krankheitsrisiko. Ein höheres Durchschnittsalter im Tarif bedeutet aber nicht zwangsläufig stärkere Beitragserhöhungen. Sind die Versicherten überdurchschnittlich gesund und sind in der Prämie ausreichend Alterungsrückstellungen eingerechnet, können die Beiträge sogar unterdurchschnittlich steigen.

5. Alles, was der behandelnde Arzt für medizinisch notwendig hält, übernimmt die PKV.

Der Krankenversicherer muss grundsätzlich nur das zahlen, was der Tarif abdeckt. Auch bei abgedeckten Leistungen prüft er, ob er die vollen Kosten übernimmt. Im schlimmsten Fall bleibt der Versicherte auf einem Teil der Arztrechnung sitzen. Versicherte sollten sich daher vor der Behandlung den Heil- und Kostenplan des Arztes vom Versicherer absegnen lassen. Ab einem bestimmten Rechnungsbetrag schreiben viele PKV-Tarife einen Heil- und Kostenplan zwingend vor.

Einmal PKV - nie wieder GKV?

6. Bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung müssen Versicherte nur gravierende Vorerkrankungen angeben.

Wer in die PKV wechselt muss alle Vorerkrankungen der vergangenen zehn Jahre angeben. Gegen eine Gebühr stellen die behandelnden Ärzte eine Liste aus der Krankenakte zusammen. Schon das Verschweigen einer als nebensächlich empfundenen Allergie kann den Versicherungsschutz kosten. Versicherte sollten sich daher nicht von provisionshungrigen Beratern zu lückenhaften Angaben bei den Gesundheitsfragen überreden lassen.

7. Wer als PKV-Versicherter in einen günstigeren Tarif wechselt, muss Einschnitte bei den Leistungen hinnehmen.

Das gilt nicht automatisch. Viele Versicherer bieten mehrere Tarife mit vergleichbaren Leistungen an. Dennoch können die Unterschiede in den Prämien gravierend sein. Grund dafür ist, dass die Versicherer den Beitrag auch nach der Zahl der Krankheitsfälle in einem Tarif berechnen. Zwar sind die Versicherer verpflichtet, Wechselwilligen kostengünstigere, alternative Tarife anzubieten. Allerdings müssen sie nicht alle Alternativen offenlegen. Unabhängige Berater, die ausschließlich auf Honorarbasis arbeiten, können beim Tarifwechsel helfen (www.bvvb.de). Sie kennen in der Regel alle Tarife eines Anbieters, auch solche, die vergleichbare Leistungen für weniger Geld anbieten. Musterbriefe für den Tarifwechsel bietet beispielsweise der Bund der Versicherten an (www.bdv-beratung.de/musterbriefe)

8. PKV-Versicherte müssen sich bei einem Wechsel in einen Tarif mit besseren Leistungen erneut einem umfassenden Gesundheits-Check unterziehen.

Der Versicherer darf nur Gesundheitsfragen stellen, die sich auf die Mehrleistung des neuen Tarifs beziehen. Wer aufgrund von Vorerkrankungen mit Risikozuschlägen bei der Prämie im neuen Tarif rechnen muss, kann auch auf die Mehrleistung verzichten. Das kann sinnvoll sein, wenn der neue Tarif insgesamt günstiger ist als der alte. Selbst bei vergleichbaren Leistungen können Tarife eines Anbieters unterschiedlich teuer sein, weil je nachdem wie gesund die Versicherten eines Tarifes sind, mehr oder weniger Kosten anfallen.  

9. Wer als Kassenpatient eine private Zusatzversicherung abschließt, ist so gut versorgt wie ein Privatpatient.

Private Zusatzversicherungen verschaffen Kassenpatienten bei einzelnen Leistungen ein Extra wie beispielsweise die Chefarztbehandlung oder das Einbettzimmer. Damit sind sie aber noch nicht Patienten erster Klasse. Sinnvoll kann eine Zusatzversicherung fürs Krankenhaus sein. Aufwendige Operationen können sehr teuer werden. Ambulante Zusatztarife lohnen sich dagegen kaum, weil es in der Regel um weniger kostspielige Leistungen geht. Zudem sind die ambulanten Tarife unterschiedlicher Anbieter kaum vergleichbar, weil die Leistungskataloge zu stark voneinander abweichen. Es ist daher für Versicherte fast unmöglich, die für sie besten Tarife zu finden. Bei Zahnzusatztarifen hängt es ganz von der Gesundheit und dem Geldbeutel des Versicherten ab, ob sich eine Police lohnt. Wer diszipliniert genug ist, legt ausreichend Geld für besseren Zahnersatz zurück – ohne zusätzliche Versicherung.

10. Wer einmal in der PKV ist, kommt nicht wieder zu den gesetzlichen Kassen zurück.

Eine Rückkehr zu den gesetzlichen Kassen ist möglich, aber an Bedingungen geknüpft. Wenn das regelmäßige Einkommen eines Versicherten unter die Versicherungspflichtgrenze fällt, kann er zurück in die GKV. Ausgeschlossen ist dies bei vorübergehender Teilzeit- oder Kurzarbeit. Komplizierter wird es bei Versicherten, die bereits 55 Jahre oder älter sind. Bei ihnen reicht es nicht, wenn das Einkommen unter die Versicherungspflichtgrenze sinkt. Zusätzlich muss der Versicherte in den vergangenen fünf Jahren schon einmal Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse gewesen sein.

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