Wer im Spätherbst Post von seiner privaten Krankenversicherung bekommt, hat oft nichts Gutes zu erwarten. In den letzten Wochen des Jahres klären die Versicherer ihre Kunden traditionell über die nächste Gebührenerhöhung auf. Auch wenn es für viele Versicherte beim alten Preis bleiben dürfte, werden bei einigen Versicherern wie der Barmenia oder der ARAG Beitragserhöhungen für 2015 erwartet.
Ist die schlechte Nachricht eingetroffen, hilft nur Zähne zusammenbeißen und zahlen - oder zu versuchen, innerhalb der Kasse in einen anderen Tarif zu wechseln. Da dürfte es viele Versicherte freuen, dass der Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV) Anfang der Woche verkündete, mit neuen Leitlinien den Wechsel vereinfachen zu wollen. Aber Vorsicht: zwar soll das Tarif-wechsel-Dich-Spiel jetzt einfacher und schneller gehen. Dennoch müssen Privatversicherte aufpassen, dass sie am Ende nicht im falschen Tarif landen.
Vorteile der privaten Krankenversicherung
Mehr Leistungen beim Facharzt und im Krankenhaus:
Typische Angebote in den PKV-Tarifen sind etwa die Übernahme spezieller Behandlungsmethoden oder alternativer Heilverfahren, Chefarztbehandlung sowie Ein- oder Zweibettzimmer im Krankenhaus. Zudem zahlt die PKV auch häufig für besseren Zahnersatz.
PKV-Versicherte haben oft kürzere Wartezeiten auf einen Arzttermin. Viele Spezialisten nehmen überhaupt nur noch Privatpatienten an.
Warum wechseln?
Erst vor wenigen Monaten warnte die Stiftung Warentest davor, eine private Krankenversicherung könnte nicht weniger als den Ruin bedeuten. Vom Abschluss der Police bis zur Rente könnten sich die Beiträge gut verdreifachen, so die Verbraucherorganisation. Besonders im Rentenalter werden die finanziellen Belastungen schnell zum Existenzrisiko.
Während die Beiträge für junge Berufstätige oft günstig sind und viele von der gesetzlichen Versicherung (GKV) in die PKV locken, drohen im Laufe der Zeit hohe Kosten. Denn anders als in der GKV ist bei den Privaten die Höhe der Beiträge abhängig vom jeweiligen Krankheitsrisiko - und das nimmt nun mal im steigenden Alter zu. In der Theorie wollen die Versicherer diesen Preissteigerungen entgegenwirken, in dem sie aus den Beiträgen sogenannte Altersrücklagen bilden, und diese am Kapitalmarkt anlegen. Da die Niedrigzinsphase die Rendite der Anlagen allerdings kräftig eingedampft hat, müssen eben immer öfter die Beiträge erhöht werden, Versicherte berichten von Zuwächsen von jährlich bis zu 20 Prozent.
Da der Wechsel von der PKV zurück in die GKV nur in wenigen Ausnahmefällen funktioniert - etwa bei Arbeitslosigkeit - sind viele Versicherte an die PKV gebunden, der Wechsel in einen anderen Tarif ist oft die einzige Möglichkeit, die Kosten zumindest etwas zu senken.
Was wird geändert?
Bisher gilt so ein Tarifwechsel als ziemlich kompliziert. Trickreich wehren sich die Versicherer gegen die Ersparnisse ihrer Kunden. Oft ließen die Assekuranzen deren Wechselwunsch einfach unbeantwortet. "Obwohl das Problem seit Jahren bekannt ist, hat sich die Situation nicht gebessert", sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV). Einige Assekuranzen würden den Wechsel weiterhin erschweren. „Es gibt immer wieder Fälle, in denen Versicherer ihren Kunden nicht genug alternative Tarife zur Auswahl stellen, in die die Versicherten wechseln könnten“, sagt Rita Reichard, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein Westfalen.
Dabei ist das Recht auf den Wechsel innerhalb einer Assekuranz in einen anderen Tarif mit ähnlichen Leistungen, bei dem die bisher erworbenen Altersrückstellungen angerechnet werden, in Paragraf 204 des Versicherungsvertragsgesetzes geregelt. Denn wer gleichzeitig den PKV-Anbieter wechseln will, verliert normalerweise den Anspruch auf das für den Ruhestand zurückgelegte Geld. Außerdem fällt dann eine erneute Gesundheitsprüfung an - Zipperlein im Alter sorgen automatisch für eine Einstufung in eine teurere Kohorte.
Neue Leitlinien ab 2016
Zumindest offiziell soll der Wechsel nun besser klappen. Laut der neuen Richtlinien, die Versicherer ab 2016 anwenden wollen, soll der Wechsel nun schneller, sogar innerhalb eines Monats, funktionieren. Zudem wollen einige Versicherer proaktiver auf ihre Kunden zugehen. In einer Erklärung der PKV heißt es, die teilnehmenden Unternehmen verpflichten sich, "bei Anfragen von Versicherten nach Tarifalternativen das gesamte Spektrum an möglichen Zieltarifen aufzuzeigen oder geeignete Tarife im Kundeninteresse auszuwählen". Beispielsweise sollen Mitglieder ab 55 Jahren auf günstigere Tarife hingewiesen werden. Bisher verlangt der Gesetzgeber diesen Service erst ab dem 60. Lebensjahr.
Verbrauchernah mit Tücken
Was zunächst verbraucherfreundlich klingt, hat aber Tücken. Viele Versicherer haben ein großes Repertoire an verschiedenen Tarifen. Zu unterscheiden, welcher Tarif welche Leistungen bietet, ist für Laien so schwierig wie das Verstehen von Medikamenten-Beipackzetteln. „Jeder Tarif hat unzählige Merkmale, das ist für Verbraucher kaum verständlich“, sagt Reichard.
Wer in die private Krankenversicherung wechseln kann
Wechseln kann jeder, der im Jahr vor dem Wechsel mehr als 53 550 Euro brutto verdient hat.
Umzusatteln lohnt meist nur bis zum 40. Lebensjahr. Denn:
- Finanzpuffer: Je später der Versicherte zu den Privaten wechselt, desto weniger Zeit hat er, Rückstellungen aufzubauen, damit Beiträge im Alter langsamer steigen.
- Gesundheit: Je älter die PKV-Einsteiger sind, desto mehr Vorerkrankungen bringen sie mit. Sind die gravierend, berechnen die Versicherer Risikozuschläge. Entsprechend höher sind die Einstiegsprämien.
Denn vielfach sind Verträge zwar günstiger, dafür fehlen aber Leistungen, die der Versicherer dann nicht mehr übernimmt. Versicherte müssen sich vor einem Wechsel genau überlegen, wo sie bereit sind, Abstriche zu machen. Wer beispielsweise statt eines noblen Einzelzimmers auch ein Doppelzimmer im Krankenhaus in Kauf nimmt, kann beim neuen Tarif Geld sparen. Auch eine höhere Selbstbeteiligung führt häufig zu niedrigeren Beiträgen und kann insgesamt zu einer Erleichterung führen - wenn sie gut durchgerechnet wird.
Oftmals sind die Tarifbedingungen allerdings so verklausuliert, dass Betroffene erst im Nachhinein merken, dass ihnen im neuen Tarif wichtige Leistungen, wie beispielsweise der gewünschte Zahnersatz, fehlen. Besonders gefährlich ist das, weil vor allem ältere Versicherte wechseln wollen, wenn ihre Beiträge steigen. Im Zweifel wechseln die Kunden also genau dann, wenn sie altersbedingt mehr Leistungen beanspruchen müssen.
Wer profitiert?
Hinzu kommt, dass Versicherer mit einem unübersichtlichen Tarifwerk die neuen PKV-Leitlinien wohl nicht befolgen wollen. Zwar hat die Mehrheit der Unternehmen bereits angekündigt, die neuen Regeln umzusetzen, darunter Marktführer wie die Allianz, Debeka, Axa oder DKV. Laut PKV-Verband profitierten schon jetzt mehr als sieben der insgesamt neun Millionen Privatversicherten in Deutschland. Die teilnehmenden Versicherer kämen zusammen auf einen Marktanteil von mehr als 82 Prozent, weitere Unternehmen mit fünf Prozent Anteil hätten ihren Beitritt angekündigt.
Allerdings sind es ausgerechnet die schwarzen Schafe, die sich bisher zurückhalten. Für Versicherungsexpertin Bianca Boss besteht Nachholbedarf. "Es darf sich kein Versicherer aus der Verantwortung ziehen", sagt Boss. Der BdV bemängelt, dass sich die Central Versicherung vorerst nicht an die Leitlinien halten will. "Der Versicherer hat mit immer neuen Tarifen Neukunden angelockt und so eine Vielzahl an verschiedenen Tarifen angehäuft", sagt Boss. Langfristig würden diese aber für die Kunden immer unattraktiver.
Die Central erklärte dazu auf Nachfrage von WirtschaftsWoche Online, sie unterstütze die Initiative des PKV-Verbandes "ausdrücklich". Kunden, die den Tarif innerhalb einer Gesellschaft wechseln wollen, müssten bestmöglich beraten werden. Dennoch zähle die Central augenblicklich noch nicht zu den Unterzeichnern, weil unter anderem einzelne prozessuale Anforderungen derzeit nicht erfüllt werden könnten.
Vorsicht bei Optimierungskünstlern
Das Dilemma: den Tarifdschungel können auch die neuen Leitlinien nicht lichten. Viel einfacher wird der Wechsel daher womöglich nicht, da es normalen Verbrauchern nahezu unmöglich ist, die ihnen angebotene Wechseloption inhaltlich zu hinterfragen. "Ohne Beratung ist ein Tarifwechsel für Kunden kaum möglich", sagt Bianca Boss. Wer wechseln wolle, der müsse sich Hilfe suchen. Umsonst ist die allerdings nicht. Unterstützung bieten unter anderem die Verbraucherzentralen und der BdV.
Entscheidungshilfe: Gesetzlich oder privat versichern?
Ja: PKV geht
Nein: Sie dürfen aus gesetzlichen Gründen nicht in die PKV
Ja: spricht für die PKV,
Nein: überlegen Sie es sich zwei Mal - Drin gefangen, drin gehangen
Ja: in der GKV sind ihre Kinder kostenlos mitversichert, in der PKV kosten sie im Schnitt 120 Euro pro Kind und Monat extra
Nein: dann ist die PKV für Sie vermutlich günstiger als die GKV
Ja: GKV übernimmt sie unter Voraussetzungen
Nein: spricht für die PKV, in der Kinderbetreuung nicht als Standardleistung gilt
Ja: diese Leistung übernimmt nur die GKV
Nein: dann kann eine private Krankenversicherung günstiger sein
Ja: davon zahlt die GKV nichts, nur die PKV
Nein: spräche für GKV
Ja: die GKV spart daran, dort bräuchten Sie eine private Zahnzusatzversicherung, bei der PKV brauchen Sie diese in der Regel nicht
Nein: dann reichen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aus
Ja: achten Sie auf die Wahl des GKV-Anbieters, einige erstatten auch Akupunktur und andere Verfahren. Oft ist die PKV aber kulanter
Nein: GKV reicht aus
Ja: die GKV zahlt. Die PKV zahlt Krankentagegeld nur, wenn diese Leistung zusätzlich vereinbart und über höhere Beiträge bezahlt wird
Nein: dann spielt dieser Aspekt bei der Entscheidung GKV oder PKV keine Rolle
Ja: das spricht für eine Privatversicherung
Nein: dann genügen die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse
Ja: Dann ist die PKV kein Problem
Nein: dann ist der Abrechnungsmodus der GKV besser. Sie zahlt sofort.
Wer im Internet auf die Suche geht, findet schnell zahlreiche Angebote für Hilfestellung beim Wechsel. In den letzten Jahren hat es immer mehr Unternehmen an den Markt gedrängt, die aus der unterlassenen Hilfeleistung der Versicherer Kapital schlagen wollen. Allerdings bestehen hohe Preisunterschiede, der Markt ist umkämpft. Besetzt wird er zum einen von zugelassenen Versicherungsberatern, die genau wie Honorarberater für ihre Leistungen beim Wechsel eine Gebühr verlangen. Diese sind unabhängig von bestimmten Versicherungen. Hinzu kommen Versicherungsmakler und -vermittler, welche sich oft mit Provisionen finanzieren.
Billiger ist nicht immer besser
Problematisch ist, dass die Höhe der Provision sich in der Regel nach dem Ersparten richtet. Je höher die Differenz zwischen altem und neuem Beitrag, desto höher der Verdienst des Tarifoptimierers. Ein Vergütungsbeispiel: Die Vermittler kassieren von der Ersparnis, die der Versicherte im ersten Jahr nach dem Wechsel erreicht, jeweils die Hälfte. Kostete die PKV bisher 400 Euro monatlich und nach dem Wechsel nur noch 200 Euro, bekommt der Makler 1200 Euro für seine Vermittlung. Je größer die Differenz zwischen altem und neuem Beitrag, desto höher sein Ertrag.
Für Versicherte besteht also die Gefahr, dass die Helferlein zwar zunächst für mehr Geld im Portemonnaie sorgen. Im Anschluss stellen Wechsler allerdings fest, dass ihnen nun wichtige Leistungen nicht mehr zustehen. „Die Bezahlung für den Tarifwechsel sollte unabhängig sein von der jeweiligen Ersparnis“, rät Verbraucherschützerin Reichard. Versicherungsberater würden auf Stundenbasis bezahlt, dann bestehe kein Anreiz, Kunden in einen zwar günstigen, aber leistungsschwachen Tarif zu schicken.
Fazit: Wechseln ja, allerdings wird das trotz neuer Leitlinien wohl mit viel Aufwand und Kosten verbunden bleiben.