Private Vorsorge Bloß nichts Kritisches zur Berufsunfähigkeitsversicherung

Zwei in einem Interview geäußerte Sätze zur Berufsunfähigkeitsversicherung dieses Autors haben heftige Reaktionen unter Versicherungsvermittlern ausgelöst. Eine Erwiderung.

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Der gesetzliche und private Schutz bei Beeinträchtigung der Arbeitskraft unterscheidet sich deutlich. Quelle: Imago

Vor allem Versicherungsvertreter und -makler haben mich wegen einer Aussage zu Berufsunfähigkeitsversicherungen in den vergangenen Tagen in sozialen Netzwerken oder auch per E-Mail kritisiert. Mein Xing-Profil erreichte Rekord-Aufrufzahlen. Meinem Arbeitgeber wurde nahegelegt, mich doch besser vor die Tür zu setzen. Die Fachpresse berichtete.

Warum die Aufregung? Wörtlich hatte ich in einem Videointerview mit einem Redakteur des Handelsblatt-Jugendportals Orange gesagt:

„Dann wird vielen jungen Leuten gerade empfohlen, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Aber da würde ich schon einen zweiten Blick mal drauf werfen, weil je nachdem was man für einen Beruf hat, ist es vielleicht auch gar nicht so gefährlich in dem Job, den man hat.“

Das reichte, dass mir im Lager der Versicherungsverkäufer die Kompetenz abgesprochen wurde, mich zum Thema zu äußern. Natürlich sind diese zwei Sätze nicht alles, was sich zum Thema Berufsunfähigkeitsversicherung sagen ließe – die Kürze der Aussage müsse das natürlich klar machen. Und ja, vielleicht war es auch nicht perfekt formuliert.

Dennoch müssten sich Experten, die mir Naivität vorwerfen, doch auch distanziert mit den Aussagen auseinandersetzen können. Ein häufiger Vorwurf der Kritiker meiner Aussage: Wie könne ich nur von einer Berufsunfähigkeitsversicherung abraten? Jede Verbraucherzentrale halte schließlich die „BU“ für ein Muss, gerade für junge Leute.

Dazu erst einmal nur so viel: Ich habe überhaupt nicht von der Versicherung abgeraten, ich habe einen zweiten Blick empfohlen. Denn eine BU abzuschließen, ist keinesfalls trivial. Es gilt sich mit „abstrakter“ und „konkreter“ Verweisung zu beschäftigen, mit komplexen Tarifen, mit den Vor- und Nachteilen einer Dynamisierung, mit der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente und so weiter.

Ein weiterer Vorwurf sei hier exemplarisch wörtlich zitiert: „GANZ GROBER UNFUG! Was hat der Beruf mit dem Risiko berufsunfähig zu werden zu tun???“

Um diese heftige Reaktion muss man verstehen, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung zunächst einmal vor dem allgemeinen Lebensrisiko schützt, etwa durch einen Krankheit oder einen Unfall nicht mehr den eigenen Beruf ausüben zu können. Die BU zahlt dann eine monatliche Rente in einer individuell vereinbarten Höhe. Das Risiko, außerhalb der Arbeit einen Unfall zu erleiden oder eine Krankheit, hat natürlich tatsächlich nichts mit dem Beruf zu tun.

Dass der Beruf aber sehr wohl etwas damit zu tun hat, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, berufsunfähig zu werden, haben aber gerade die Versicherungen erkannt. Schließlich sind zum Beispiel die Tarife für Maurer oder Gerüstbauer – wenn diese überhaupt versichert werden – ein Vielfaches teurer als etwa für Bürotätigkeiten. Gäbe es diese Tarifunterschiede wirklich, wenn der Beruf nichts mit dem Risiko zu tun hätte, berufsunfähig zu werden? Anders formuliert: Wer eine BU besonders nötig hat, muss dafür am meisten zahlen. Wer sie günstig bekommt, hat statistisch ein geringes Risiko, betroffen zu sein.

Die Folgen einer Berufsunfähigkeit können tatsächlich drastisch sein. Gerade wenn sie in jungen Jahren eintritt, haben Betroffene kaum Chancen, Gehaltseinbußen durch andere bereits gebildete Rücklagen abzufedern. Anders mag das sein, wenn erst jenseits der 60 Jahre der Rücken eine Beschäftigung unmöglich oder nur stark eingeschränkt möglich macht.

Das Risiko, selbst einmal berufsunfähig zu werden und ohne ausreichende Versorgung dazustehen, schätzt jeder für sich unterschiedlich ein. Tatsächlich dürften gerade junge Leute dazu tendieren, die Gefahr zu unterschätzen. Dennoch mag jemand zu dem Ergebnis kommen, dass er eine solche Absicherung nicht braucht oder möchte.

Einige Gründe seien hier skizziert:

  • Die recht hohen monatlichen Belastungen, vor allem wenn die von Versicherungen empfohlenen 75 Prozent des Nettoeinkommens oder mehr abgesichert werden
  • Die höheren Preise bei Vorerkrankungen, risikoreichen Berufsbildern oder gefährlichen Hobbys
  • Die Unsicherheit, ob die Versicherung im Zweifelsfall tatsächlich leisten wird
  • Die Sorge, Ansprüche in möglicherweise jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen durchsetzen zu müssen. Schließlich geht es vor allem bei Leistungsfällen bereits in jungen Jahren um hohe Summe, die Versicherungen über Jahre leisten müssen. Das birgt Konfliktpotenzial.
  • Die Abschlusskosten und die jährlichen Kosten als Bestandteil der BU-Beiträge
  • Die Aussicht im Notfall ohne BU von der Familie gestützt werden zu können
  • Eine positive Beurteilung der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente
  • Eine mögliche Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten im Leistungsfall
  • Die Anrechenbarkeit von BU-Renten bei Bezug von Arbeitslosengeld-II-Bezug („Hartz IV“)

Die Verbraucherzentralen raten zu Berufsunfähigkeitsversicherungen, um ein großes Lebensrisiko auszuschließen – und das aus sehr guten Gründen. Denn tatsächlich hat die gesetzliche Absicherung (Erwerbsminderungsrente) deutliche Nachteile gegenüber der privaten Variante. Doch auch letztere ist bei weitem nicht frei von Fehlern. Ein Abschluss muss gründlich vorbereit sein - und kann durchaus auch verworfen werden.

Weitere Informationen zu Berufsunfähigkeitsversicherungen finden Sie beispielsweise hier:

Sie haben positive Erfahrungen mit ihrer BU gemacht? Oder negative? Melden Sie sich gerne - in der Kommentarspalte zu diesem Artikel, bei Facebook oder per E-Mail dowideit@handelsblatt.com

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