Privatpatienten Vorsicht, neue Provisionsjäger in der PKV!

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Ein Tarif, der wenig kostete

Diese Leistungen müssen private Krankenversicherer übernehmen
Zunächst einmal sollten Privatpatienten und solche, die es werden wollen, wissen, dass die Versicherung sich weigern kann, Rechnungen eines bestimmten Arztes zu bezahlen. Dieser Ausschluss kommt in der Regel dann vor, wenn der Mediziner mehrmals durch falsche Abrechnung aufgefallen ist oder deutlich höhere Rechnungen stellt, als die Konkurrenz. Die Versicherung muss ihre Kunden allerdings darüber informieren, wenn sie bestimmte Ärzte ausschließt und kann sich nicht erst nach der Behandlung weigern, die Kosten zu übernehmen. Quelle: Fotolia
Wann eine Arztrechnung eingereicht wird, spielt übrigens keine Rolle. Die Versicherung muss zahlen, auch wenn der Patient die Rechnung erst Jahre nach der Behandlung einreicht. Quelle: Fotolia
Wer für eine Operation nicht in eine Uniklinik oder ein städtisches Krankenhaus, sondern in eine Privatklinik gehen möchte, kann das tun. Die Versicherung übernimmt die Kosten - auch wenn die oft deutlich über denen der anderen Spitäler liegen. Quelle: dpa/dpaweb
Neben den Kosten für Arztbesuche und Klinikaufenthalte übernehmen die Versicherer in der Regel auch hohe Laborkosten. Selbst wenn diese über dem von den gesetzlichen Kosten akzeptierten Satz liegen. Privatversicherte sollten allerdings ihren Vertrag genau prüfen: Manche Unternehmen schließen hohe Laborkosten aus beziehungsweise zahlen nur den regulären Satz. Die Kunden müssen dann die Differenz selber tragen. Quelle: dpa
Außerdem übernimmt die Versicherer Leistungen von fachfremden Ärzten. Wenn beispielsweise der Hautarzt seinen Patienten gegen Tetanus impft, zahlt die Private die Behandlung anstandslos. Quelle: dpa
Wo sich Kassenpatienten mit den günstigen Modellen abfinden oder selbst tief in die Tasche greifen müssen, übernehmen die privaten Krankenversicherer auch teuren Zahnersatz. Die Patienten dürfen günstige Modelle ablehnen, wenn diese beispielsweise einen schlechten Tragekomfort haben. Quelle: AP
Auch Massagen und Krankengymnastik muss die private Krankenversicherung bezahlen. Jedoch übernehmen die Versicherer nur die am Markt üblichen Preise. Wer eine Behandlung in Anspruch nimmt, die teurer ist als in Deutschland üblich, muss die Differenz aus eigener Tasche zahlen. Quelle: Fotolia

Genau dies nutzen Verkäufer nun aus. „Die Höhe dieser Anpassungen ist schon enorm. Für viele Kunden bedeutet dies eine erhebliche finanzielle Verschlechterung oder sogar eine Bedrohung der Existenz“, erklärte Ozan Sözeri, Gründer der Widge.de. GmbH. Und er fragt populistisch: „Warum müssen immer allein die Versicherten diese falschen Kalkulationen ausbaden?“ Doch ist dies wirklich ein Skandal? Der Tarif, dessen prozentuale Steigerung Sözeri anprangert, liegt weit unter dem Niveau der meisten Versicherten in der Krankenversicherung. Bisher zahlten die Kunden dort 100 Euro, künftig sind es rund 150 Euro. Das ist selbst in der PKV ein sehr geringer Beitrag, erläutert Branchenexperte Güssler.

Tarifexperte Güssler bestätigt damit die Angaben des Versicherers. Nur in einem einzigen Vollversicherungstarif (Tarif EL-Bonus) könne es zu Anpassungen in einer Höhe von 50 Prozent kommen, erklärte Axa. Das Beitragsniveau liege nach Anpassung bei maximal 153 Euro. Gegebenenfalls kämen gesetzlicher Zuschlag und Risikozuschlag hinzu. Über alle rund 780.000 Vollversicherte hinweg werde die Axa Krankenversicherung die Beiträge ab 2014 um durchschnittlich knapp drei Prozent anpassen, erklärte eine Sprecherin darüber hinaus. Zudem sei die Darstellung falsch, auch Axa-Kunden, die im vergangenen Jahr eine Beitragsanpassung von 40 Prozent erhalten hätten, wären von der neuerlichen Beitragserhöhung betroffen.

Gleichwohl bleibt festzuhalten: Mit seiner Pressemitteilung hat Widge.de im Internet und über manche Medien enorme Aufmerksamkeit für sein Geschäftsmodell erzeugt. Das da lautet: „Durch einen Tarifwechsel sind oftmals Einsparungen von 40 Prozent und mehr möglich – und das bei gleichem Leistungsniveau.“ Der Versicherer Axa stellt dagegen fest: Einzelfallbetrachtungen bei Beitragsanpassungen seien grundsätzlich nicht sachgerecht. Denn dabei hingen die Preise immer vom jeweiligen Tarif und den Voraussetzungen des Kunden ab. Also von: Geschlecht, Alter, individuellen oder gesundheitsbedingten Risikozuschlägen sowie der Versicherungshistorie.

Wann sich der Wechsel zur PKV lohnt und worauf zu achten ist

Genauso kritisch zu sehen sei, wenn bei Beitragsanpassungen allein auf die prozentuale Veränderung geschaut werden, erklärte die Axa. Und Branchenexperten wie Güssler stimmen da zu. „Wir geben Anpassungen deshalb in Euro und somit in absoluten Zahlen an“, erklärte die Axa-Sprecherin. Sehr hohe prozentuale Steigerungen würden zudem in der Regel bei Personen auftreten, die mit einem Tarifwechsel die Beiträge vorher reduziert hätten. Dann sei die gleiche absolute Steigerung prozentual deutlich höher als bei einem vergleichbaren Kunden ohne Tarifwechsel, erklärte die Axa-Sprecherin.

Eine ähnliche Werbestrategie wie Widge verfolgt auch Delegare, ein anderes Unternehmen der Tarifwechselbranche. „Im Namen von www.beitragsoptimierung24.de bitte ich Sie heute darum, die privat Krankenversicherten unter Ihren Lesern bzw. Zuhörern und Zuschauern zur Teilnahme an einer Online-Umfrage einzuladen“, lautete eine Anfrage, die Anfang Dezember bei Handelsblatt Online landete. Wer sich beteiligt, dem versprach Delegare: „Wir bedanken uns bei den Medien, die den Aufruf zur Teilnahme veröffentlichen, dadurch, dass wir Ihnen die Ergebnisse einen Tag früher zur Verfügung stellen als der allgemeinen Öffentlichkeit. Vermutlich wird dies für die allgemeine Öffentlichkeit der 18.12. und für Sie entsprechend der 17.12. sein.“

Eine Pressemitteilung zum Thema veröffentlichte Delegare dann am 28. Dezember. Ein Sprecher von Delegare stellte dazu fest: "Die Umfrage verfolgt nachweislich nicht das Ziel, Einzelfälle zu skandalisieren." Das wird in der Branche allerdings ganz anders gesehen, insbesondere die Pressemitteilung von Widge gilt als Beleg für die Strategie: Einzelfälle zu skandalisieren – und mögliche Kunden auf die eigene Dienstleistung aufmerksam machen. Beides gefällt den Versicherern ganz und gar nicht.

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