Profi-Investoren Überlebensstrategien der Investment-Elite

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Jens Erhardt Quelle: LAIF/Tim Wegner

Mit Jens Ehrhardts Vertrauen ist es so eine Sache. Sein Selbst-Vertrauen ist ihm nicht zugeflogen wie Andreas Utermann, er kann es nicht aus der DNA seiner Familie schöpfen, so wie der Fürst. Selbst-Vertrauen, das ist für Ehrhardt kein natürliches Attribut, sondern ein Lernprozess, das Ergebnis harter Arbeit. Jens Ehrhardt hat es fraglos geschafft. Er zählt zu den größten unabhängigen Vermögensverwaltern in Europa; seine Fonds überragen den Marktdurchschnitt seit Jahrzehnten mit Traumrenditen; der Wert der von ihm und seiner Firma DJE (Dr. Jens Ehrhardt) Kapital AG verwalteten Vermögens liegt bei zehn Milliarden Euro.

Der Preis des Geldes

Und doch weht Jens Ehrhardt im Spätherbst seiner Karriere der Hauch von Vergeblichkeit an; immer wieder begegnet ihm die Frage: Und das, dieses erfolgreiche Berufsleben, dieses ständige Vermehren von Geld, soll alles gewesen sein?

Der Tsunami in Thailand, sagt Ehrhardt, am 26. Dezember 2004, hat sein Leben geändert, ein für alle Mal, das war wie eine Zäsur im Kopf, wie der Beginn eines neuen Lebens. Ehrhardt hat die Katastrophe kommen sehen, das Wasser war weg, bevor die Wellen kamen, die Fische zappelten auf dem Land, es war klar, das etwas Ungewöhnliches vor sich ging.

Ehrhardts Hotel blieb von der Springflut verschont, er selbst unverletzt, aber nicht unbeeindruckt. „Ich habe mich früher übers Geld definiert“, sagt Ehrhardt, „ich war ehrgeizig, stolz auf mein Vermögen, wollte ein Großer sein. Das ist heute nicht mehr so.“ Heute weiß Ehrhardt, dass der Preis des Geldes sehr hoch sein kann. Er hat sich vor 20 Jahren von seiner Frau getrennt und den Beruf endgültig zu seiner Geliebten gemacht; seither lebt er allein in einer Villa in München-Solln.

Den Porsche hat er längst verkauft, was soll so ein Auto, sagt Ehrhardt, allein „Sylvia“ ist ihm geblieben, seine englische Herzdame, ein Holzsegler, Baujahr 1925.

Dieter Schnaas: Kleine Kulturgeschichte des Geldes

Geld, sagt Jens Ehrhardt, das war für ihn immer Freiheit, Sicherheit, Selbstständigkeit. Früh hat er sich etwas zum kleinen Taschengeld dazuverdient, mit Teppichklopfen bei Oma, als Cola-Verkäufer beim HSV im Volksparkstadion, als Platzanweiser beim Tennisturnier am Rothenbaum. Sein solitärer Vater Alfred, Dozent an der Kunsthochschule Hamburg, ein hochbegabter Maler, Fotograf und Filmemacher, hielt Jens nicht nur kurz; er warf auch einen mächtigen Schatten auf ihn. Nie konnte Jens die bestimmten Erwartungen des Vaters erfüllen, immer waren ihm seine künstlerischen Defizite nur zu bewusst. Ein Jahr hat er seinen Vater schließlich begleitet, als er 20 war, nach Island, ein letztes Mal, um auszuprobieren, ob es doch noch was werden könne mit dem Künstlerleben – dann war Jens klar, dass er seinen Weg gehen muss: „Unter einem starken Baum gedeiht nicht viel.“

Erst in München, fernab der Heimat, wächst Jens Ehrhardt selbst zu einem starken Baum heran. Er studiert Betriebswirtschaft, wird Asta-Sprecher, fährt an den Wochenenden Delikatessen für Dallmayr aus, kalte Menüs für die gute Gesellschaft: „Ich wollte dahin, wo das Geld war.“

In seinem ersten Job sorgt Ehrhardt mit dem Verfassen von Börsenbriefen „für den halben Umsatz und den ganzen Gewinn“ der Firma seines Chefs; 1974 gründet er sein eigenes Unternehmen; 1987 legt er, kurz vor dem Crash, mit einer Serie von Verkaufsoptionen „eine meiner Glanzleistungen“ hin. Natürlich, sagt Jens Ehrhardt, sei er seither nicht schlechter geworden, im Gegenteil: Schon im Jahre 2000, als die Unze noch keine 300 Dollar kostete, habe er seinen Kunden geraten, sich mit Gold einzudecken. Das Geschäft selbst jedoch sei immer problematischer geworden. „Es gibt keine langen Linien mehr“, sagt Ehrhardt, „und die kurzfristigen Trends drehen immer schneller.“

Europa in zwei Sackgassen

Im Moment, so Ehrhardt, laufe Europa in zwei Sackgassen zugleich: Einerseits werde die lockere Geldpolitik in eine Inflation münden. Andererseits würden Länder wie Griechenland kaputtgespart. „Eigentlich“, sagt Ehrhardt, „müsste ich meinen Kunden sagen, dass es in den nächsten Jahren nicht um Vermögensvermehrung gehen kann, sondern nur noch um Kapitalerhalt.“ Doch die Kunden, sagt Ehrhardt, verlangen fünf bis zehn Prozent Rendite, „ganz gleich, was da draußen los ist“, und diese fünf bis zehn Prozent, die werde er auch schaffen.

Nur für ihn selbst, da gelten künftig andere Maßstäbe. Ehrhardt hat zwei Stiftungen gegründet, die seinen Eltern gewidmet sind, spendet hie und da was für Greenpeace, die tibetische Sache, für Werte, die ihm wichtig sind. Er möchte etwas zurückgeben, sagt Ehrhardt, auch wenn er nicht wisse, warum. Er wisse nur, dass Geld einen abnehmenden Grenznutzen hat: „Irgendwann hat man genug, will nicht noch mehr.“

Ehrhardts Sohn Jan steht bereits in den Startlöchern, um seinen Vater zu beerben. Er ist noch jung. Und will mehr.

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