Schon Ende 2011 meldete die Deutsche Rentenversicherung Rekordzahlen bei der Frührente: So waren im Jahr 2010 von insgesamt 674.000 Neu-Rentnern 47,5 Prozent (320.000 Menschen) Vorruheständler. Diese Zahl ist jetzt noch einmal gestiegen - wie allerdings auch die Zahl derer, die erstmals Rente bezogen haben. Prozentual ist der Anstieg also eher gering: 48,1 Prozent der Neu-Ruheständler nahmen 2011 Abzüge in Kauf und verabschiedeten sich vorzeitig in den Ruhestand. In konkreten Zahlen gingen 2011 knapp 700.000 Menschen in den Ruhestand, davon quittierten fast 337.000 vorzeitig den Dienst.
Betrachtet man die Entwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg, ist der Anstieg deutlich stärker. So gab es im Jahr 2005 rund 41,2 Prozent Frührentner, 2000 dagegen waren es nur 14,5 Prozent. Experten sehen in der steigenden Zahl der Frühverrentungen und der steigenden Belastung am Arbeitsplatz einen Zusammenhang. So zeigte der erst in dieser Woche erschienene Stressreport 2012, dass sich rund jeder zweite deutsche Arbeitnehmer überfordert fühlt und dauerhaft unter Stress leidet. Die Krankschreibungen wegen stressbedingter psychischer Erkrankungen seien im Laufe der letzten Jahre stark gestiegen. Ganze 41 Prozent der Frühverrentungen haben psychische Erkrankungen als Ursache.
Dazu passt, dass Menschen, die in zwar sehr stressigen, aber dennoch eher schlechter bezahlten Branchen tätig sind, besonders häufig die Frührente in Anspruch nehmen. So waren viele der Vorruheständler im Jahr 2011 Krankenpfleger, Erzieher und Arbeitnehmer aus dem Dienstleistungssektor.
Allerdings sind die Abschläge, die die Vorruheständler in Kauf nehmen müssen, nicht mehr ganz so hoch wie noch im Jahr 2010. Wer vor drei Jahren vorzeitig in Rente ging, musste monatlich auf rund 113 Euro verzichten. 2011 waren es durchschnittlich 109 Euro weniger Altersruhegeld.
Gefahr der Altersarmut
Die Abschläge für Frührentner gibt es übrigens erst seit 1992, spürbar wurden sie allerdings erst nach 1996. Bis dahin konnten Menschen ab 60 in den Ruhestand gehen, ohne finanzielle Einbußen zu fürchten. Derzeit gehen Frührentner statistisch gesehen drei Jahre und zwei Monate vor den magischen 65 in den Ruhestand. Das Bundessozialministerium erklärte dazu, dass es bei einer älter werdenden Gesellschaft und mehr Frauen in Arbeit nur natürlich sei, dass es mehr Frührentner gebe. "Die Zunahme ist alleine auf die Entwicklung bei den Frauen zurückzuführen", sagte ein Sprecher. Bei den Männern sei der Trend seit 2005 stark rückläufig.
Ruhestand unter Palmen: Geht das?
Nein, wer als Deutscher in ein EU-Land, nach Island, Liechtenstein, Norwegen oder in die Schweiz auswandert, bekommt seine volle Rente weitergezahlt - auf ein Konto in Deutschland oder im Ausland. Allerdings sollten die Rentner die Rentenversicherung etwa zwei Monate im Voraus über ihre Pläne informieren, damit die Zahlung dann eventuell umgestellt werden kann. Selbst wenn die Rente weiter auf das deutsche Konto fließen soll, ist ein rechtzeitiger Hinweis wichtig. So muss die Rentenversicherung die Bezieher im Ausland für einen "jährlichen Lebensnachweis" erreichen können.
In aller Regel bekommen Rentner auch dann ihre volle Rente gezahlt. 30 Prozent Renteneinbuße drohen nur, wenn die Auswanderer ihre Staatsangehörigkeit wechseln. Kein Problem ist es, wenn sie eine EU-Nationalität annehmen oder Staatsbürger in Island, Liechtenstein, Norwegen oder der Schweiz werden. Über spezielle Abkommen bekommen auch die neuen Staatsbürger folgender Länder weiter ihre volle Rente ausgezahlt: Australien, Bosnien-Herzegowina, Chile, Israel, Japan, Kanada und Quebec, Korea, Kosovo, Kroatien, Marokko, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Türkei, Tunesien und USA. Gleiches wird in Zukunft auch für Indien und Brasilien gelten, mit denen Gleichstellungsabkommen bereits existieren, die aber noch nicht in Kraft getreten sind. Wer aber die Nationalität eines hier nicht genannten Landes annimmt, muss mit Einbußen rechnen.
Indirekt kann das Folgen haben. So versuchen die EU-Länder, aber auch Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz die Rentenversicherungssysteme aufeinander abzustimmen. Wenn deutsche Rentenversicherte dann auch in diesen Ländern rentenversichert beschäftigt waren, können Sie davon profitieren. So werden diese Versicherungszeiten im Ausland dann zum Beispiel berücksichtigt, wenn bestimmte Mindestversicherungszeiten berechnet werden. Etwa die Mindestversicherungszeit von 35 Jahren für eine vorgezogene Altersrente.
Die speziellen Auslandsvorschriften spielen dann keine Rolle. Solange der "gewöhnliche Aufenthalt" in Deutschland bleibt, etwa weil Rentner zeitlich befristet ins Ausland ziehen und ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland beibehalten, hat dies in keinem Fall Auswirkungen auf ihre Rente.
Insgesamt hat die Deutsche Rentenversicherung 2011 rund 1,7 Millionen Renten ins Ausland gezahlt, das sind rund sieben Prozent aller Rentenzahlungen. Rund 90 Prozent der Auslandsrentner sind keine deutschen Staatsbürger.
Insgesamt hätten sich die Chancen Älterer deutlich verbessert. So sei die Beschäftigungsquote der 60- bis 64-Jährigen von 16,6 Prozent (2005) auf 26,4 Prozent (2011) gestiegen. Auch im Jahr 2012 ging es laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) noch einmal hoch auf 29,3 Prozent. Bei den 64-Jährigen sah es deutlich schlechter aus. Von ihnen hatten im Juni vergangenen Jahres nur 14,2 Prozent einen Job. Wer ab einem gewissen Alter erst einmal arbeitslos geworden ist, findet nur sehr schwer wieder einen neuen Job, bestätigt ein Sprecher der BA. Da ist die Frührente schlicht die Alternative zur Arbeitslosigkeit. Viele haben Haus oder Wohnung abbezahlt, eine private Altersvorsorge und können die Abschläge auch finanziell verkraften.
Nur geht aus den Zahlen der Rentenversicherung leider nicht hervor, wer freiwillig den Job aufgibt, um die freie Zeit zu genießen und wie viele krank oder arbeitslos waren. Deshalb warnen Sozialverbände vor der zum 1. Januar 2012 eingeführten schrittweisen Anhebung des Rentenalters auf 67. Für viele Experten ist die Rente ab 67 schlicht eine versteckte Rentenkürzung.
So sagte beispielsweise Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): "Solange die Beschäftigten kaum eine Chance haben, bis 65 zu arbeiten, ist die Rente mit 67 ein reines Rentenkürzungsprogramm." Und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte bereits 2011, das Renteneintrittsalters erst dann anzuheben, wenn mindestens die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Davon ist man in Deutschland allerdings noch weit entfernt.
Deshalb sind sich Gewerkschaften und Sozialverbände sicher, dass die Rente mit 67 zu Altersarmut führt. So äußerte sich auch Matthias Birkwald von den Linken: "So sicher, wie die Rente mit 67 nicht mehr Jobs für Ältere schafft, so sicher führt sie zu schmaleren Renten und mehr Altersarmut", sagte er.