Es ist schon erstaunlich: Obwohl die Riester-Rente in verschiedensten Varianten vom Bausparvertrag bis zum Fondssparplan angeboten wird, ziemlich kompliziert und zudem bürokratisch aufwendig ist, ist sie sehr weit verbreitet. 16,5 Millionen Verträge gibt es in Deutschland.
Der Grund für die weite Verbreitung sind die staatlichen Zulagen. 2002 wurde sie vom damaligen Arbeitsminister Walter Riester in Leben gerufen, um die private Altersvorsorge neben den demografisch belasteten gesetzlichen Renten und der wenig verbreiteten betrieblichen Altersversorgung zu etablieren. Um Anreize zu schaffen, wurden Riester-Verträge mit staatlichen Zulagen und Steuervorteilen ausgestattet. Für viele Deutsche Sparer ist das ein unwiderstehliches Angebot, selbst wenn die reine Anlagerendite von Riester-Verträgen oftmals die Mühe kaum wert ist.
Weit verbreiteter Zulagenverzicht
Gerade die für die Gesamtrendite so entscheidenden staatlichen Zulagen kommen jedoch oft nicht oder nur teilweise zum Tragen. So erreichen nach Angaben der Bundesregierung nur sechs Millionen Riester-Verträge die vollen Zulagen, nach Angaben der Zulagenstelle bei der Deutschen Rentenversicherung sind es 55 Prozent der Sparer. 62 Prozent der Sparer erreichen 90 Prozent und mehr der Zulagen. Mehr als ein Drittel der Riester-Sparer lassen somit Zulagen, auf die sie Anspruch hätten, ganz oder teilweise liegen, obwohl sich über die lange Einzahlungsphase jeder Zehntel Prozentpunkt in der Anlagerendite der Riester-Rente positiv bemerkbar macht.
Typische Irrtümer von Riester-Sparern
Sie übersehen, dass die Verzinsung variabel ist. Die Bank kann also die Zinsen jederzeit senken. Nur Lebens- und Rentenversicherungen müssen laut Gesetz mindestens 1,25 Prozent Zinsen garantieren, ab 2017 sind es nur noch 0,9 Prozent. Für Banksparpläne gilt dieser Garantiezins nicht beziehungsweise erst, wenn das Sparguthaben in eine Rentenversicherung überführt wird. Dann sind die Versicherungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt gültig. Garantiezins, Sterbetafeln, etc. können sich also während der Ansparphase noch deutlich zu Ungunsten des Sparers ändern.
Ihnen ist nicht klar, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Sparvertrag oder eine vorgezogene Rentenphase die Auszahlung drastisch schmälert. Denn es fehlen nicht nur Einzahlungsjahre, sondern auch die Rentenbezugsdauer steigt gleichzeitig. Es ist also weniger Geld für mehr Rentenjahre im Topf.
Die Riester-Rente lockt Sparer mit zwei Garantien: Der Auszahlung einer lebenslangen Rente, selbst wenn der Kapitalstock aufgebraucht ist, und der Garantie, dass die Einzahlungen, staatlichen Prämien und die bis zum Rentenbeginn aufgelaufenen Zinsgewinne für die Rente bereit stehen. Das bedeutet aber nicht, dass der Sparer die volle Summe nach zu Lebzeiten ausgezahlt bekommt. Es ist nur eine Garantie dafür, dass der Kapitalstock durch Investition in die falschen Anlagemärkte Verluste erleidet und dahinschmelzen könnte.
Sparer gehen häufig von einer halbwegs realistischen Lebenserwartung aus. Die Anbieter müssen jedoch so kalkulieren, dass sie auch bei Erreichen eines weit überdurchschnittlichen Alters noch eine Rente zahlen können, ohne das Geld anderer Sparer oder ihr eigenes Kapital aufzuwenden, sprich ohne Verluste zu machen.
Sie verwechseln Prognosen und Anlagevorschläge der Anbieter mit Garantien. Dabei gibt es zahlreiche Faktoren, die erheblichen Einfluss auf die Rente haben können. Zum Beispiel ein allgemein sinkendes Zinsniveau, gesetzliche Rahmenbedingungen, Änderungen in den Versicherungsbedingungen, im Steuerrecht und in den Sterbetafeln.
Sie vertrauen auf ihre Bank und ihren Kundenberater. Dabei ist ein Riester-Vertrag eine komplizierte Angelegenheit, bei deren Berechnung auch schnell Fehler passieren. Eine gründliche Prüfung aller Vertragsunterlagen ist Pflicht, am besten durch einen unabhängigen Berater, der gegen Honorar und nicht für eine Verkaufsprovision berät.
Sie konzentrieren sich auf die staatlichen Zulagen und unterschätzen die Steuern in der Auszahlphase. Dabei wird der volle Steuersatz auf das gesamte Guthaben fällig, egal ob Verrentung oder Einmalauszahlung. Vorteilhaft ist diese sogenannte nachgelagerte Besteuerung nur, weil der persönliche Steuersatz mit Renteneintritt in der Regel deutlich sinkt.
Über die Gründe für die verpassten Zulagen können auch die Verbraucherschützer vom Bund der Versicherten nur spekulieren. „Die verfügbaren Daten zum staatlich geförderten Riester-Sparen sind extrem dürftig“, klagt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher beim Bund der Versicherten. „Derzeit wird eine Erhöhung der Riester-Zulagen gefordert, dabei lässt sich überhaupt nicht mit Sicherheit sagen, ob die Riester-Rente für Sparer und Steuerzahler nun ein Erfolg ist oder nicht. Dazu müssten wir genauer wissen, wie viel Geld in Riester-Verträge insgesamt fließt und wie viel die Rentner zurückbekommen. Eine Erfolgskontrolle des Riester-Modells gibt es nicht.“
Es gibt also verschiedene Gründe, warum nur in ein gutes Drittel aller Verträge die vollen Zulagen fließen. Zum einen gibt es Verträge, die von den Sparern beitragsfrei gestellt wurden und somit ruhen. Zum anderen passieren Fehler bei der Beantragung der Zulagen und bei der Anpassung des Mindesteigenbeitrages.
Ohne Antrag des Sparers fließen ohnehin keine staatlichen Zulagen in den Vertrag. Immerhin muss dieser Antrag nicht mehr wie anfangs jedes Jahr neu gestellt werden, sondern nur einmalig mit einem Dauerzulagenantrag. Dann werden zwar wichtige Angaben, etwa zum Einkommen, direkt an die Zulagenstelle in Berlin übermittelt, Riester-Kunden jedoch nicht auf notwendige Anpassungen hingewiesen. Ändern sich nun das Einkommen des Sparers, die Zahl der Kinder oder auch das Einkommen des Ehepartners, hat dies meist zur Folge, dass sich auch die Voraussetzungen für die Gewährung voller Riester-Zulagen ändern und der Sparbetrag dafür angepasst werden muss.
Riester-Vertrag prüfen, Änderungen mitteilen
Um die Zulagenberechtigung auszuschöpfen, lohnt es sich daher, den Riester-Vertrag noch deutlich vor Jahresende zu prüfen und nötigenfalls die zu erhöhen. Wer statt des jährlichen Zulagenantrags an die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) einen Dauerzulagenantrag gestellt hat, kann sich nur scheinbar zurücklehnen. Er darf zwar darauf vertrauen, dass sein Einkommen den Daten der Deutschen Rentenversicherung entnommen wird, muss aber jede förderungsrelevante Änderung seines Einkommens oder seiner Familienverhältnisse – vor allem in Bezug auf Kinder – dem Anbieter des Riester-Sparvertrags und der ZfA mitteilen. Zahlt der Sparer die davon abhängigen Mindestbeiträge, bekommt er auch für das laufende Jahr noch die vollen Zulagen.
Die volle Grundzulage von 154 Euro gibt es nur, wenn mindestens vier Prozent des rentenversicherungspflichtigen Vorjahreseinkommens eingezahlt werden, maximal jedoch 2100 Euro im Jahr. Für Kinder gibt es zusätzliche Zulagen: Wer zulagenberechtigt ist, erhält 300 Euro im Jahr pro Kind, für vor 2008 geborene Kinder sind es je 185 Euro im Jahr, solange Anspruch auf Kindergeld besteht. Die staatlichen Zulagen mindern wiederum den Mindestsparbetrag, den der Riester-Sparer aus eigener Tasche einzahlen muss.
Jahresbeitrag für volle Zulagen berechnen
Der jährliche Sparbeitrag, der für eine vollständige Zulagenberechtigung nötig ist, hängt vom rentenversicherungspflichtigen Vorjahreseinkommen ab. Wie hoch das ist, können Angestellte am einfachsten ihrer Dezember-Gehaltsabrechnung entnehmen. Viele Arbeitgeber weisen darin die Jahressumme als sozialversicherungspflichtiges Bruttoeinkommen für die Rentenversicherung (z.B. als „SV-Brutto RV“) aus. Ist das rentenversicherungspflichtige Einkommen nicht extra aufgeführt, kann das sozialversicherungspflichtige Einkommen herangezogen werden, das ebenfalls aufgeführt wird.
Alternativ finden Angestellte das relevante Einkommen in ihren „Meldebescheinigungen zur Sozialversicherung“, die sie von ihrem Arbeitgeber bekommen, wenn sich die Beiträge zu den Sozialversicherungen geändert haben, üblicherweise am Jahresende für das gesamte Jahr. Dort steht in der letzten Zeile das „Entgelt in Euro“, das den Sozialversicherungsträgern mitgeteilt wurde. Manche Arbeitgeber versenden aber mehrere Meldebescheinigungen im Jahr. Dann ist immer auf den abgedeckten Zeitraum zu achten. Für alle zwölf Monate des Vorjahres zusammen ergibt sich aus den Meldungen ebenfalls das sozialversicherungspflichtige Jahreseinkommen für den Zulagenantrag.
Lohnersatz, Beamte und Selbständige
Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Krankengeld zählen ebenfalls zum relevanten Einkommen, wirken sich aber wie in allen Fällen erst im Folgejahr auf den Riester-Vertrag und die staatlichen Zulagen aus. Bezogenes Elterngeld wird hingegen nicht eingerechnet.
Beamte müssen das relevante Einkommen bei ihrer Besoldungstelle erfragen, die immer bis Ende März des Folgejahres entsprechende Berechnungen vornehmen muss. Selbständige sind nur dann zulagenberechtigt, wenn sie in der Rentenversicherung pflichtversichert sind, ebenso über die Künstlersozialkasse versicherte Künstler. Bei ihnen gilt das der Rentenversicherung mitgeteilte Einkommen.
Mindestens vier Prozent im Jahr einzahlen
Von diesem Einkommenswert müssen mindestens vier Prozent als Eigenbeitrag abzüglich der staatlichen Zulagen in den Riester-Vertrag fließen, damit die vollen Zulagen gewährt werden.
Ein Beispiel:
Ein alleinstehender, kinderloser Angestellter hat im Jahr ein rentenversicherungspflichtiges Bruttoeinkommen von 40.000 Euro. Er muss im Jahr 1600 Euro abzüglich der 154 Euro in den Riester-Vertrag einzahlen, also 1464 Euro.
Hat der gleiche Angestellte jedoch eine Gehaltserhöhung von beispielsweise zehn Prozent, also 4000 Euro im Jahr erhalten, steigt der geforderte Eigenbeitrag bereits auf 1760 Euro abzüglich der Grundzulage, also 1606 Euro. Passt der Sparer seine Einzahlungen nicht an, wird die Zulage um 8,9 Prozent gekürzt – ebenso viel wie wenn der Sparbeitrag zu niedrig ausfällt.
Hat der gleiche Angestellte zudem Kinder, für die noch Kindergeldanspruch besteht, bekommt er auch für diese Zulagen. Hat er etwa zwei Söhne, die 2009 und 2012 geboren wurden, kommen auf die Grundzulage nochmals 600 Euro vom Staat drauf. Hätte er bei seinem alten Gehalt also im Jahr nur 846 Euro einzahlen müssen (1600 Euro abzüglich Grund- und Kinderzulagen von 754 Euro) einzahlen müssen, kürzt ihm die Zulagenstelle die Riester-Zulagen, wenn er nicht fortan 1006 Euro im Jahr in den Riester-Vertrag spart. Unterlässt er die Anpassung, fallen die Zulagen um 8,4 Prozent, also um 63,34 Euro im Jahr, niedriger aus.
Etwas komplizierter wird es, wenn es sich um einen vom Ehepartner abgeleiteten Riester-Vertrag handelt und sich Einkommens- oder Familienverhältnisse geändert haben. Ehepartner oder Partner aus einer eingetragenen Lebenspartnerschaft erhalten die volle Grundzulage von 154 Euro nämlich schon, wenn sie nur einen Sockelbetrag von 60 Euro im Jahr in einen eigenen Riester-Vertrag einzahlen. Das gilt auch, wenn der Partner gar kein eigenes Einkommen vorweisen kann. Kommt ein Kind hinzu, entsteht zunächst ein Anspruch auf Kindergeld und damit grundsätzlich auch Anspruch auf die Kinderzulage. Diese mindert aber zugleich den Mindesteigenbeitrag für den Riester-Vertrag. In solchen Fällen ist eine Beratung durch den Anbieter des Riester-Produkts dringend zu empfehlen. Denn wer mehr als nötig einzahlt, drückt zugleich die Rendite seiner Riester-Rente.
Altersvorsorge: So viel Rente darf der Standardrentner erwarten
Die Prognosen beziehen sich auf den sogenannten Standardrentner, der 45 Jahre Beiträge gezahlt und immer das Durchschnittseinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdient hat. Die angegebene Bruttostandardrente versteht sich vor Steuern. Das Sicherungsniveau vor Steuern gibt das Verhältnis der Renten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen der beitragszahlenden Beschäftigten abzüglich der durchschnittlichen Sozialversicherungsbeiträge an.
Quelle: Rentenversicherungsbericht 2015, Deutsche Rentenversicherung Bund, Stand: November 2015
Beitragssatz zur GRV: 19,9 %
Bruttostandardrente: 1224 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 51,6 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1372 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,7 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1517 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,6 %
Beitragssatz zur GRV: 20,4 %
Bruttostandardrente: 1680 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 46,0 %
Beitragssatz zur GRV: 21,5 %
Bruttostandardrente: 1824 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 44,6 %
Erzielt der bislang nicht erwerbstätige Partner nun aber ein Einkommen – etwa nach einer Rückkehr in den Job nach längerer Erziehungszeit - muss dies der Zulagenstelle mitgeteilt und der Eigenbeitrag in einem eigenen Vertrag auf vier Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens erhöht werden, um volle Zulagen zu erhalten. Da aber das Vorjahreseinkommen für die Zulagenbewilligung entscheidend ist, genügt im Jahr des Einkommenszuwachses noch der Sockelbetrag von 60 Euro, um volle Zulagen zu erhalten.
Wer aufgrund der geänderten Umstände unsicher ist, kann sich an die – allerdings kostenpflichtige – Beratungsstelle der ZfA unter der Rufnummer 03381 / 21222324 wenden.
Der einfachste Weg, eine Anpassung des Einzahlungsbetrages vorzunehmen, führt über die Kontaktaufnahme zum Anbieter des Riester-Vertrags. Dort wird nachgerechnet, die nötige Erhöhung, etwa durch Abbuchung, eingeleitet und der Zulagenantrag angepasst. Wichtig ist dabei nur, dass die Erhöhung noch in diesem Jahr verbucht wird, wenn sich das Einkommen im Vorjahr erhöht hat. Dann fließen die vollen Zulagen auch noch für 2016.
Ob sich ein Riester-Vertrag damit unter dem Strich lohnt, ist aber auch bei vollen Zulagen keinesfalls sicher, sondern sehr vom Einzelfall abhängig. „Im persönlichen Einzelfall kann riestern gut sein. Generell lässt sich nicht sagen, ob sich ein Riester-Vertrag rentiert oder nicht“, konstatiert Kleinlein vom Bund der Versicherten. „Aber wenn man in einen Riester-Vertrag spart, sollte man es auch optimiert tun – und das heißt, keine Zulagen zu verschenken.“