Riester-Rente Warum absurde Regeln die Rendite vermiesen

Niedrigzins, Kosten und schädliche Regeln vermiesen die staatlich geförderte Altersvorsorge. Die Renditen der Riester-Produkte sind bescheiden – mit einer Ausnahme. Warum sich eine Riester-Rente nur selten lohnt.

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Riester-Rente ist scheinbar unattraktiv.

Eines hat die Riester-Rente geschafft: Sie ist bekannt. 89 Prozent der Deutschen kennen die staatlich geförderte private Altersvorsorge. 16,5 Millionen riestern bereits. Doch einen neuen Vertrag schließen immer weniger ab: Um schlappe 53.000 stieg die Anzahl der Riester-Sparer im vergangenen Jahr. So wenig Neuverträge gab es nie seit der Riester-Einführung 2002. Allein Wohn-Riester, also geförderte Bausparverträge und Immobilienkredite, brachte mit 127.000 Abschlüssen noch Wachstum. Die Zahl der Rentenversicherungen fiel ebenso wie die der Banksparpläne. Und Fondssparpläne legten nur leicht zu.

Wovor sich die Deutschen im Alter fürchten
Rentner Quelle: dpa
Rentner am Laptop Quelle: dpa
Gesundheit im Rentenalter Quelle: dpa
Einsamer Rentner Quelle: dpa
Rentner mit Geldscheinen Quelle: dpa
Rentner im Urlaub Quelle: dpa
Senioren gehen Arm in Arm spazieren Quelle: dpa

Dabei ist Altersvorsorge wichtiger denn je. Angesichts der schrumpfenden Bevölkerung wird die Rente künftig weniger stark steigen als die Löhne. Während ein Angestellter, der 45 Jahre zum Durchschnittsverdienst gearbeitet hat, derzeit als Neurentner nach Steuern und Sozialabgaben 62 Prozent des letzten Nettogehalts bekommt, dürften es für Neurentner 2030 nur noch 55 Prozent sein, hat der Finanzmathematiker Werner Siepe errechnet. Tendenz: weiter sinkend.

Für Riester-Skepsis gibt es trotzdem gute Gründe. Entgegen aller Versprechen sichert die staatliche Förderung keine hohen Renditen – trotz der Zulagen und Steuervorteile von Riester, auf die Pflichtversicherte in der Rentenversicherung und Beamte Anspruch haben. Riester sei gescheitert, sagte CSU-Chef Horst Seehofer im vergangenen Jahr.

Ertrag von Riester-Rentenversicherungen je nach Lebensdauer

Zwar streicht ein 25-jähriger Sparer mit einer klassischen Riester-Rentenversicherung nach 95 Lebensjahren etwa 0,7 bis 0,8 Prozentpunkte mehr Rendite pro Jahr ein als mit einer ungeförderten Rentenversicherung. Verglichen wurden dabei jeweils die aus eigener Tasche zu zahlenden Nettobeiträge und die Nettorenten, nach Steuern.

Doch die nach 95 Jahren erzielten Erträge wären auch bei Riester so gering, dass der Abschluss nicht lohnt. Verschiedene Musterfälle, mit 25 oder 45 Jahren beim Abschluss, würden nur auf etwa ein Prozent Rendite nach Steuern kommen, wenn allein die garantierten Leistungen angesetzt werden. Erst inklusive nicht garantierter und angesichts des Zinsverfalls unsicherer Überschüsse wären bis zu drei Prozent pro Jahr machbar.

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von Andreas Toller

Ein Grund: Im Gegenzug zur Riester-Förderung in jungen Jahren wird die Rente im Alter voll besteuert. Während Versicherte auf ungeförderte Zusatzrenten – deren Beiträge anders als bei Riester allerdings aus versteuertem Einkommen gezahlt werden – normalerweise nur bis zu etwa acht Prozent Steuer zahlen, können es bei Riester bis zu 44 Prozent sein. Nur bei niedrigem Steuersatz im Alter ist das egal. „Davon erfahren Riester-Kunden aber meist nichts“, sagt Christian Mallmann, Honorarfinanzanlagenberater bei WertFabrik in Köln. „In Verkaufsgesprächen wird die Rentenphase selten betrachtet.“

Versicherer legen das Riester-Geld ihrer Kunden zudem fast ausschließlich zu festen Zinsen an; die Niedrigzinsen treffen Kunden in Verträgen mit Garantiezins stark. Außerdem zahlen Versicherte hohe Kosten, etwa für Vertrieb und Verwaltung. Riester ist Bürokratie pur. Auch für die Anbieter, etwa dann, wenn gewährte Zulagen von der zentralen Zulagenstelle wieder storniert werden.

Einige Versicherer, wie CosmosDirekt, bieten mittlerweile kein Riester mehr an. Dies sei auch den „zunehmenden regulatorischen Anforderungen“ geschuldet. Andere schicken ältere Interessenten nach Hause. Bei Ergo werden neuerdings nur noch Neukunden bis 50 Jahre bedient, bei der Hannoverschen liegt das Höchstalter bei 49 Jahren. Grund: Die garantierten Erträge – der Garantiezins liegt nur noch bei 0,9 Prozent – reichen bei Älteren nicht aus, um die Kosten aufzufangen. Die Garantie, dass zu Rentenbeginn wenigstens die Summe aus Einlagen und Zulagen erhalten ist, wird bei der dann kurzen Einzahlung nicht sicher erfüllt.

Garantie treibt Sparer aus Aktien

Staatliche Förderung macht aus einer schlechten Altersvorsorge also noch längst keine gute. Schlimmer noch: In vielen Fällen macht sie selbst aus einer guten eine schlechte, etwa bei Fondssparplänen.

Die sollten Sparern eigentlich die Chance geben, bei hoher Sicherheit – auch hier greift die Garantie – von den hohen Renditen mit Aktien zu profitieren. Nur ein kleiner, erst mit nahender Rente steigender Anteil soll in Festzins-Papieren angelegt werden. In der Praxis liegen aber oft nur Anleihen im Riester-Depot.

Angesichts der Niedrigzinsen reichen die sicheren Erträge der Anleihen sonst auch hier nicht, um die Kosten auszugleichen – die Riester-Garantie gibt genau das jedoch vor. Sparer hätten erst ab 35 Jahren Spardauer die Chance, auch nur eine geringe Aktienquote zu sehen, sagt Frank Breiting, Leiter Altersvorsorge bei Deutsche Asset Management, der Fondstochter der Deutschen Bank. Zumindest gelte das für das hauseigene „Hauptprodukt“, RiesterRente Premium.

In Sachsen-Anhalt ist Ihre Rente am meisten wert
Große UnterschiedeRente ist nicht gleich Rente. Je nach Preisgefüge einer bestimmten Region sind 1000 Euro Rente in Deutschland unterschiedlich viel wert. Um bis zu 50 Prozent variiert die Kaufkraft der Ruheständler, das ergab eine Studie des Forschungsunternehmens Prognos im Auftrag der Initiative „7 Jahre länger“. Für die Analyse wurden die Lebenshaltungskosten in insgesamt 402 Landkreisen verglichen. Im Bundesdurchschnitt liegen diese bei 1000 Euro. Der statistische Warenkorb für Lebenshaltungskosten wurde dafür an die Bedürfnisse von Rentnern angepasst. Unter anderem wurden Ausgaben für Ärzte und Medikamente stärker gewichtet. Quelle: dpa
Dom Magdeburg, Sachsen-Anhalt Quelle: dpa
Saarschleife, Saarland Quelle: dpa/dpaweb
Schweriner Schloss, Mecklenburg-Vorpommern Quelle: dapd
Silhouette der Stadt Hannover, Niedersachsen Quelle: dpa
Dom Erfurt, Thüringen Quelle: dpa
Bremer Stadtmusikanten, Bremen Quelle: dpa

Zum Verhängnis wird den Kunden, dass vor allem die Provisionen Premium sind: Die werden über die komplette Vertragslaufzeit berechnet, aber zu Beginn abgezogen, ähnlich wie bei Rentenversicherungen. Anfang April hat die Fondsgesellschaft die dem Kunden abgezogenen Vertriebskosten erneut gesenkt. Sonst kann sie durch Kosten entstehende Löcher kaum noch stopfen.

Auch Fondssparer bei Union Investment, mit 1,9 Millionen Verträgen Marktführer, profitieren oft nicht von den Aktienrenditen. 40 Prozent der Kunden mit UniProfiRente haben ausschließlich Anleihen im Depot. Anfang Juli stellt die Fondsgesellschaft der Volksbanken das System daher um: Neukunden bekommen eine garantierte Mindestaktienquote, je nach Restzeit bis zur Rente bis zu 30 Prozent. Bestandskunden mit wenigen Aktien legt Union Investment einmalig zehn Prozent Aktien ins Depot. Diese Quote wird bei ihnen künftig angestrebt, aber nicht garantiert.

Viel zu wenig. Nur mit hohen Aktienquoten können sich die Sparpläne bewähren. Ebenfalls 40 Prozent der Kunden, meist Jüngere, haben ausschließlich Aktienfonds im Depot. Ein 37-jähriger Sparer mit 40.000 Euro Bruttoeinkommen, der vor zehn Jahren eingestiegen ist, sei dann ohne Zulagen auf 8,7 Prozent Rendite pro Jahr vor Steuern gekommen, rechnet Union Investment vor. Nur, wie lange bleibt das so?

Union Investment versucht, die Kunden möglichst lange in Aktien zu halten. Im August 2015 hatte die Gesellschaft den bisher eingesetzten Aktienfonds gegen einen neuen getauscht. Der kann seinen Aktienanteil je nach Marktlage variieren, Minimum sind 51 Prozent. Bislang wären Kunden mit dem alten Fonds in Sachen Ertrag aber besser gefahren. Union Investment wertet die Umstellung trotzdem als Erfolg, weil der neue Fonds weniger schwankt.

Wie es besser geht, führt das Berliner Start-up Fairr.de vor, das einen relativ kostengünstigen Riester-Fondssparplan mit Indexfonds anbietet. Bis 23 Jahre vor Rentenbeginn soll die Aktienquote hier bei 90 Prozent gehalten werden. Für die Beitragsgarantie steht die Sutor Bank ein, eine Hamburger Privatbank.

Attraktiv, aber sehr komplex

Auch Wohn-Riester ist interessant, also die Förderung einer Immobilienfinanzierung. Vor allem die Kreditvariante, bei der Kunden dank Förderung Kredite schneller abzahlen, lohnt sich. Kunden ersparen sich mit jeder Rate die sonst anfallenden Kreditzinsen.

Die allerdings sind in den vergangenen Jahren gesunken. Außerdem habe sich der Gesetzgeber bei den Wohn-Riester-Regeln „so sehr ausgetobt“, dass das sinnvolle Produkt „fast zu Tode geritten wurde“, sagt Heinrich Bockholt, Baufinanzierungsexperte der Fachhochschule Koblenz. Ohne einen Experten an der Seite solle sich daher niemand an Wohn-Riester wagen. Schon bei einem Umzug drohe sonst der Verlust der Förderung.

Auf einfachere und günstigere Regeln sollten Riester-Kunden, unabhängig von der Vertragsart, nirgendwo hoffen. Einzig Geringverdiener sollen 2018 gesetzlich besser gestellt werden: Bis zu 200 Euro Rente aus privater Altersvorsorge sollen künftig nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet werden. Hartz-IV-Bezieher sind bei Riester bereits vor Pfändung geschützt. Zudem soll die Riester-Grundzulage im nächsten Jahr von 154 auf 165 Euro steigen.

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von Andreas Toller

Das aber klingt lukrativer, als es ist: Da Zulagen vom rechnerischen Steuervorteil abgezogen werden, bringt der Aufschlag kinderlosen Singles nur bei unter 16.000 Euro Brutto-Jahreseinkommen einen Vorteil. Ein verheirateter Sparer mit Kind würde allenfalls bei unter 41.000 Euro Einkommen profitieren, trotz zusätzlicher 300 Euro Kinderzulage (bei einer Geburt seit 2008).

Wie es nach der Bundestagswahl im September weitergeht, hängt von CDU und SPD ab – ohne wenigstens eine der Parteien wird es keine neue Bundesregierung geben. Im Fokus ihrer Rentenreformen wird aber die gesetzliche Rente stehen, nicht Riester.

Zwar beklagt das Rentenkonzept von Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD), immerhin Grundlage des SPD-Renten-Wahlprogramms, die „Stagnation“ bei Riester. Doch als Verbesserung wird nur eine Kostenbegrenzung diskutiert – und nur für den Fall, dass nicht schon die neuen Produktinformationsblätter für Transparenz und niedrigere Kosten sorgen.

Die Kostenbegrenzung wiederum schließt der Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker aus – der Eingriff sei zu stark. Whittaker sitzt dem CDU-Fachausschuss vor, der das Rentenprogramm vorbereitet. Dafür denkt Whittaker über die Garantie nach: „Ein Großteil der Deutschen kann die Vorsorge-Chancen, die in Aktien liegen, bei Riester nicht oder zu wenig nutzen. Die Möglichkeit, künftig von der Beitragsgarantie abzuweichen, sollten wir deshalb intensiv prüfen.“

Berater Mallmann fände dies gut. „Sparer sollten selbst wählen, ob sie eine Garantie wünschen.“ Er glaubt aber nicht an Reformen. Anleger sollten aktiv werden: „Wer Altersvorsorge als langfristigen Vermögensaufbau betrachtet, der braucht nicht zwingend Riester.“ Das könne ein Baustein sein, genau wie „ein eigenes Aktiendepot, eine vermietete Immobilie oder Gold“. Flexibler bleiben Sparer damit auf jeden Fall.

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