Riester, Rürup und Lebensversicherung „Die Versicherer haben in der Altersvorsorge versagt“

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„Einige bezeichnen mich als Nestbeschmutzer“

Axel Kleinlein mit den Redakteuren Jens Hagen und Thomas Schmitt (rechts). Quelle: Frank Beer für Handelsblatt

Spüren Sie Verständnis für Ihre Kritik bei Vorständen?
Die Branche ist nicht mehr solch ein solider Block wie noch vor einem Jahrzehnt. Sie ist inhomogener geworden. Viele Versicherungsvereine fühlen sich zum Beispiel vom Branchenverband GDV nicht gut vertreten. Leider hat das Nachdenken noch keine besseren Produkte hervorgebracht.

Öffentlich reiben Sie sich besonders häufig mit dem Versichererverband GDV und dem Marktführer Allianz. Ist solch ein Dauerstreit produktiv?
Die Allianz ist zurecht oft im Fokus, denn viele Produkte sind nicht transparent. Doch auch deren Vorstände suchen das Gespräch. Es wäre schön, hier eine vernünftige Ebene zu finden. Auch mit dem GDV fände ich eine konstruktivere Ebene gut.

Nicht alle können mit Ihrer teils harschen Kritik umgehen. Mussten Sie schon mal persönliche Repressalien erdulden?
In meiner aktuellen Position nicht. Vorher war ich selbstständig, als unabhängiger Versicherungsmathematiker. Da musste ich schon mal wegen Rufschädigung klagen. Ein Versicherer hatte unter meinem Namen falsche Zahlen in seinen Werbeprospekten verbreitet. Ein anderer meine Kunden angeschrieben und verkündet, ich sei aus meinem vorherigen Job rausgeflogen, was aber Unfug ist.

Ihr Verein hat 50.000 Mitglieder, die Mittel sind begrenzt. Haben sie überhaupt eine Chance gegen die Lobby der milliardenschweren Versicherer?
Die Ausgangsposition ist natürlich eine andere, trotzdem sind wir schlagkräftig. Man kann die Versicherer für Ihre Lobbyarbeit natürlich nur beneiden. Sie haben es geschafft, dass fast jeder Deutsche glaubt, die Lebensversicherung sei unabdingbar für die Altersvorsorge. Das steht sogar in Schulbüchern. Das verdient in gewisser Weise meinen Respekt.

Sie kennen die Branche auch aus eigener Erfahrung.
Stimmt, ich war nach meinem Studium der Mathematik und Philosophie an der FU Berlin für knapp zwei Jahre bei der Allianz angestellt. Als Aktuar fand ich diese Aufgabe höchst spannend. Stuttgart hat mir auch als Stadt auch zugesagt. Nette Menschen, gutes Essen.

Was haben sie bei der Allianz gelernt?
Man benötigt als Aktuar eine hohe Frustrationstoleranz. Wer alle Details der Berechnung einer Überschussbeteiligung lernen möchte, braucht Ausdauer. Das prägt fürs Leben. Mathematisch war der Job natürlich hoch interessant.

Was denken Ihre alten Kollegen, wenn sie dieses Interview lesen?
Die Reaktionen auf mich sind sehr unterschiedlich. Einige haben mich schon als Nestbeschmutzer beschimpft. Andere sind mir etwas wohler gesonnen.

Das gilt auch für den Vorstand der Allianz Lebensversicherung?
Da sind wir stets in einem intensiven Dialog. Es ist kein Geheimnis, das ich mich auch mit dem Mathematik-Vorstand Alf Neumann persönlich gut verstehe, wir sind per Du. Aber in der Sache streiten wir scharf. Da machen wir keinerlei Kompromisse, nur weil wir früher gemeinsame Kollegen waren.

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