Schmuck, Münzen, Barren Goldfieber: Was in den Tresor gehört

Der Goldpreis nimmt Kurs auf die 1000-Dollar-Marke. Kreditkrise, Aktiencrash und Inflation treiben Anleger in die sicherste Währung der Welt. Warum Gold-Investments selbst nach sieben Jahren Hausse noch sinnvoll sind.

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Papier verliert, Gold gewinnt

Der mürrische Junggeselle ist Stammkunde im Goldkaufhaus Berlin-Mitte. Grußlos blättert er 5000 Euro auf den Tisch und verlangt Gold, „was Sie gerade da haben“. Seinen Namen will er nicht nennen. Das muss er auch nicht. Bis 15.000 Euro lassen sich Goldbarren und Münzen anonym kaufen. Anfang 40 sei er, Immobilienkaufmann. Lächeln fällt ihm sichtlich schwer. Gold kaufe er, „weil der Kondratieff-Zyklus auf Winter steht“. Aha.

„Jeden Monat taucht der hier auf “, sagt Heiko Ganß, Chef des Edelmetallhändlers Pro Aurum. Der Kunde ist Verschwörungstheoretiker: Griesgrämig, gepeinigt von Verlustängsten – einer der damit rechnet, dass morgen das Weltfinanzsystem zusammenbricht und Aldi nur noch Goldmünzen akzeptiert. Dennoch liegt der Mann auf lange Sicht immer noch richtig mit der Entscheidung, Gold zu kaufen. Wer in Gold investiert, schützt sich vor Finanzkrisen und Wertverlust seiner Währung.

Die Welt ist im Goldrausch. Je schlimmer die von faulen US-Hypotheken ausgelöste Finanzkrise in den Bankbilanzen wütete, desto stärker zog in den vergangenen Monaten der Goldpreis an. Als im September 2007 in der Tagesschau Bilder von Kunden-Schlangen vor Filialen der britischen Hypothekenbank Northern Rock zu sehen waren, standen Goldkäufer auch in Berlin ungeduldig an. „Bis zu zwei Stunden warteten die Kunden auf dem Bürgersteig, um sich mit Barren und Münzen einzudecken“, erinnert sich Goldhändler Ganß. Jetzt steht Gold bei 900 Dollar je Unze, so hoch wie nie zuvor. Gold hat sich als stärkste Währung der Welt etabliert .

Barren und Münzen sind, anders als Anleihen, an kein Zahlungsversprechen einer Regierung oder eines Unternehmens gebunden. Während die Rückzahlung einer Anleihe oder eines Zertifikats von der Kreditwürdigkeit des Emittenten abhängt, stehen Gold keine Schulden gegenüber. Der Besitz von physischem Gold ist eine Versicherung gegen Geldentwertung und fallende Vermögenspreise zugleich. Als Notfallreserve gehört Gold in jedes Depot.

Das bedeutet aber nicht, dass der Goldpreis nicht zeitweise fallen kann. Auch bei Gold mischen Spekulanten mit, gibt es Überhitzungen und heftige Korrekturen. Gefragt sind dann Steherqualitäten.

Behutsam öffnet die alte Dame ihre kleine Schatulle. „Was geben Sie mir für meine Münzen?“ Ganß von Pro Aurum prüft die gut 33 Gramm schweren Krügerrand, rechnet zusammen: „Genau 6550,50 Euro.“ Die Kundin ist zufrieden: „Ich verkaufe.“

Der Goldpreis jagt von Rekord zu Rekord – und trotzdem steigt sie aus? „Gerade deshalb. Wer weiß, ob ich so viel noch mal dafür bekomme“, sagt die 73-Jährige, setzt ihr Hütchen auf und verlässt erhobenen Hauptes den Kassenraum.

„Auf einen Käufer kommen bei uns derzeit drei Verkäufer“, sagt Ganß. Viele sehen nach fast drei Jahrzehnten ihre Einstandspreise wieder – zumindest nominal und in Dollar gerechnet. Wenn aber Kaufkraftverluste mit einkalkuliert werden, dann fehlen bis zum alten Goldpreis-Hoch von 1980 noch gut 1000 Dollar. Doch solche Feinheiten interessieren nicht, jetzt wird verkauft – weg damit. Wie vor der Jahrtausendwende bei Technologiewerten sprangen auch in den Siebzigerjahren beim Gold viele Privatanleger zu spät auf den Zug. Erst heute kommen sie aus der Verlustzone – und steigen aus.

Vor allem die Kreditexzesse der vergangenen Jahre haben den Goldpreis nach oben gebracht: Dank der lockeren Geldpolitik der Notenbanken stieg der Anteil der Kredite am Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA von 150 Prozent im Jahr 1969 auf aktuell 340 Prozent. Das Risikobewusstsein der Investoren schwand dahin. Sie konnten sich ja problemlos weiter verschulden und Zinsen auf bestehende Kredite durch neue Schulden bezahlen.

Ernst wird es erst, wenn der monetäre Treibstoff knapp wird und Schuldner nicht mehr in der Lage sind, ihre Schulden zu bedienen. Aus dem Desaster der US-Immobilien drohte eine deflationäre Abwärtsspirale zu wachsen, die auf andere Anlagemärkte und die Realwirtschaft übergreift.

2002, als Ben Bernanke noch freier sagen konnte, was er dachte, hielt der heutige US-Notenbankchef vor dem National Economics Club in Washington eine Rede, die sich im Nachhinein liest wie eine Empfehlung zur Goldanlage: „Wie Gold haben US-Dollar nur in dem Maße einen Wert, wie sie in ihrem Angebot strikt limitiert sind. Aber die US-Regierung hat eine Technik, nämlich die Druckerpresse, was es ihr ermöglicht, so viele US-Dollar zu produzieren, wie sie wünscht, und dies praktisch zu Nullkosten.“ In einem Papiergeldsystem ohne Edelmetalldeckung könne die Regierung jederzeit die Ausgaben erhöhen und somit eine positive Inflation schaffen.

Gold lässt sich nicht beliebig vermehren. Beim Papiergeld aber läuft die Inflationierung; die Druckerpressen der Zentralbanken rotieren. „Die kombinierte fiskal- und geldpolitische Konjunkturstimulation in den USA ignoriert die Anstiege an der Preisfront“, sagt Jochen Hitzfeld, Goldexperte bei UniCredit in München. Mit der Brechstange kappte Notenbankchef Bernanke den US-Leitzins im Januar binnen einer Woche von 4,25 auf 3,0 Prozent. Dazu passierte das von US-Präsident George W. Bush vorgeschlagene 168 Milliarden Dollar schwere Konjunkturprogramm im Rekordtempo den US-Kongress. Die Schecks aus Washington bringt der Postbote im Mai unters US-Wahlvolk. „Die Maßnahmen werden helfen, eine Rezession zu verhindern“, glaubt Thomas Straubhaar.

Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts sieht mit den US-Maßnahmen zugleich die nächste Blase anschwellen, die irgendwann platzen wird. Schon sagen die Analysten der Citigroup einen neuen Zyklus globalen Kreditwachstums voraus, der einen Abwertungswettlauf unter den Papierwährungen nach sich ziehen werde. Europa und Asien werden nicht ewig tatenlos zusehen, wie ein weiter fallender Dollar die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Unternehmen bedroht und den Wert ihrer Dollar-Reserven mindert. Der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), die Zinsen zu senken, ist gewachsen.

Am Ende dürfte EZB-Chef Jean-Claude Trichet nachgeben. Schon nach der letzen EZB-Ratssitzung verzichtete er auf den Hinweis, die EZB sei bereit, „präventiv“ zu handeln, um die Preisstabilität zu sichern. Dafür ließ Trichet Konjunktursorgen durchblicken. Im Jargon der Zentralbanker werden so Zinssenkungen vorbereitet, welche die Inflationsgefahr weiter treiben.

Schon heute wachsen die Papiergeldmengen in den USA und der Euro-Zone zweistellig. Die breite Geldmenge M3 stieg im Dezember in der Euro-Zone um 11,5 Prozent – weit stärker, als es der EZB-Zielwert von 4,5 Prozent vorsieht. M3 wird seit 2006 nicht mehr von der US-Notenbank veröffentlicht – ihre Erhebung sei angeblich zu kostspielig. Der unabhängige US-Statistiker John Williams aber hat M3 mithilfe offiziell zugänglicher Daten rekonstruiert und kommt für die USA auf eine Jahresrate von mehr als 15 Prozent.

Williams misstraut auch den offiziellen US-Inflationszahlen. Wenn heute noch mit den statistischen Methoden aus dem Jahr 1980 gearbeitet würde, dann läge die US-Inflationsrate nicht bei den für Dezember ausgewiesenen 4,1 Prozent, sondern bei fast 12 Prozent, sagt Williams.

Bei einem Leitzins von 3,0 Prozent und einer Rendite von 3,7 Prozent für zehnjährige US-Staatsanleihen zahlen Zinsanleger, selbst nach den offiziell gemeldeten US-Inflationsdaten, heute kräftig drauf. Gold bringt zwar keine Zinsen. Ein Kilo wiegt aber auch nach einem Jahr immer noch 1000 Gramm.

Am rasantesten stieg der Goldpreis bisher immer in Phasen geringer oder negativer Realverzinsung, das heißt immer dann, wenn die Inflationsrate deutlich über den gezahlten Zinsen lag. Da mit steigenden Zinsen vorerst nicht zu rechnen ist – der Terminmarkt wettet, dass die Fed den Leitzins weiter herunterschraubt – werden die Realrenditen in den nächsten Monaten kaum nennenswert steigen.

Neben Inflationsangst treibt vor allem die Nachfrage aus Schwellenländern den Goldpreis. In den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens können sich immer mehr Menschen Schmuck, Münzen und Barren leisten. So ist die Nachfrage Chinas seit der Liberalisierung des Goldmarktes 2002 auf inzwischen fast 300 Tonnen pro Jahr gestiegen. Zuvor waren dort Handel und Privatbesitz von Gold verboten. Indien ist mit mehr als 700 Tonnen Jahresnachfrage der größte Goldmarkt der Welt. Goldbesitz gilt dort als Lebensversicherung für Ehefrauen und dient der Altersvorsorge. Im Westen aber haftet Gold immer noch etwas Exotisches an — ein Fehler.

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