Silber Das Gold des kleinen Mannes

Edelmetalle schützen vor Papiergeldentwertung. Warum der Silberpreis steigt, wie Anleger den Silberanteil ihres Depots am besten mit Münzen, börsengehandelten Fonds und Aktien bestücken.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Silbermünzen: Beliebtheit bei Anlegern nimmt zu

Zur Sorge um die Schieflage des Papiergeldsystems kommt jetzt auch noch die vor dem Achsbruch des Porsche Cayenne: Nachdem Gerhard Bamberger (*Name geändert) beim Münchner Edelmetallhändler ProAurum schon fast eine halbe Tonne Silber geladen hatte, geriet sein Geländewagen in Schieflage. Besser mal bei Porsche nachfragen, was denn maximal so reingeht an Gewicht. Von dort kam Entwarnung: „Bis zu 855 Kilo sind schon möglich.“ Also weitermachen. Am Ende hat der schwäbische Malermeister 600 Kilo Silber in Barren und Münzen im Wert von 210.000 Euro verstaut. Noch ein Druck auf den Knopf in der Mittelkonsole, ein Surren, das Heck geht hoch, die Straßenlage ist perfekt. „Gut, dass ich das Modell mit Luft-Fahrwerk genommen habe“, sagt Bamberger – und fährt zufrieden vom Hof.

Misstrauen gegenüber Papiergeld

Ein Spinner? Mag sein. Doch Malermeister Bamberger hat auch Grund dazu, der Wertbeständigkeit von Papierwährungen zu misstrauen. Die Finanzkrise scheint erst einmal gebändigt, doch der Preis dafür war hoch: Die Staaten sind verschuldet wie nie zuvor, und die Notenbanken schöpfen weiter Geld im Übermaß. Staatsschulden und Gelddrucken aber haben in der Geschichte – vom alten China bis hin zum Simbabwe unserer Tage – bisher noch jede Papierwährung ruiniert. Silberkäufer zahlen auf Barren und Münzen, unter anderem wegen der Mehrwertsteuer, Aufschläge von 20 bis 30 Prozent auf den reinen Silberwert. Gold, das Anlagezwecken dient – also Barren und in hohen Stückzahlen aufgelegte Münzen –, ist dagegen in der EU von der Mehrwertsteuer befreit. Damit die Rechnung der Silberfans aufgeht, müsste das Edelmetall deutlich stärker steigen als Gold.

Lehren der Vergangenheit

Warum aber könnte das passieren? Der Weg zu einer möglichen Antwort beginnt im 19. Jahrhundert.

Über viele Jahrhunderte war Silber das gängigste Zahlungsmittel für alltägliche Transaktionen. Bis ins 19. Jahrhundert hinein galt in vielen Ländern ein reiner Silberstandard oder ein Bimetall-Standard mit Gold und Silber. Beim Silberstandard waren die umlaufenden Banknoten zu 100 Prozent durch Silber gedeckt. Papiergeld konnte jederzeit in einem festen Umtauschverhältnis in Silber getauscht werden. In Ländern mit Bimetall-Standard galt zudem ein festes Tauschverhältnis zwischen Silber und Gold.

Von Mitte des 19. Jahrhunderts an sorgten Goldfunde in Kalifornien und in Australien für eine starke Ausweitung der Goldförderung, der Goldpreis fiel. Wegen der steigenden Goldmengen ersetzten viele Länder von 1870 an den Silber- oder den Bimetall-Standard durch einen reinen Goldstandard. Silber verlor seine Währungsfunktion.

Angebot und Nachfrage: Woher das Silber kommt

Als Werterhaltungsmittel überstand Silber alle Papierwährungskrisen, das Metall entwickelte sich aber immer mehr von einem Edelmetall zu einem Industriemetall. Gold dagegen behauptete seinen monetären Stellenwert bis heute, selbst nachdem US-Präsident Richard Nixon 1971 den Gold-Dollar-Standard gebrochen hatte und Papiergeld somit die letzte Bindung an ein Edelmetall verlor. So halten Regierungen und internationale Organisationen heute noch im Schnitt ein Zehntel ihrer Währungsreserven in Gold vor, insgesamt 950 Millionen Unzen. Die offiziellen Silberbestände schmolzen dagegen zusammen auf nur noch 56 Millionen Unzen, so Schätzungen des New Yorker Rohstoff-Researchhauses CPM Group.

Noch 1940 besaß die US-Regierung danach 3135 Millionen Unzen Silber. Das Staatssilber der USA aber wurde verkauft, bis auf bescheidene 20 Millionen Unzen, die noch als strategische Reserve für Industrie und Militär gebunkert werden. Über erwähnenswerte Bestände verfügt ansonsten nur noch Mexiko. Das zweitwichtigste Förderland von Silber besitzt noch etwa sieben Millionen Unzen.

Industrie verbraucht viel Silber

Früher wurde Silber ausschließlich zu Schmuck, Münzen oder Tafelsilber verarbeitet. Es wurde, wie Gold heute noch, gehortet oder wieder verwertet und verschwand nicht für immer auf der Müllhalde. Heute wird Silber verbraucht, geht die Hälfte des jährlichen Silberangebots in die Industrie.

Für viele industrielle Anwendungen ist Silber wegen seiner physikalischen Eigenschaften unverzichtbar geworden und schwer durch andere Metalle zu ersetzen. Silber besitzt von allen Metallen die höchste Leitfähigkeit für Wärme und Energie sowie das höchste Reflexionsvermögen. Durch Versilbern von Glas werden Spiegel hergestellt, Silber findet sich in elektrischen Kontakten, Katalysatoren, Solar-Paneelen oder Batterien. Da Silber-Zink-Batterien mehr Energie speichern können, gelten sie als Alternative zu Lithium-Batterien. Selbst in Kühlschränken und in der Wasseraufbereitung sind Silberbeschichtungen anzutreffen – Silber wirkt keimtötend. Allein von 1999 bis heute stieg die industrielle Nachfrage um 75 Prozent auf 450 Millionen Unzen.

Dieser Nachfrageschub verhinderte den wegen des Siegeszugs der digitalen Fotografie immer wieder befürchteten Zusammenbruch der Silbermarktes. Silber wird vor allem in klassischen Analog-Filmen verarbeitet. Weil herkömmliches Filmmaterial zunehmend durch digitale Bilder ersetzt wurde, schrumpfte der Silberbedarf der Fotoindustrie dramatisch, zuletzt um 20 Prozent pro Jahr. Der Anteil der Fotoindustrie an der Silber-Gesamtnachfrage sackte von 26 Prozent 1999 auf nur noch 12 Prozent Ende 2008. Der Trend wird sich vermutlich weiter beschleunigen.

Angebot und Nachfrage: Wohin das Silber geht

Weiter beschleunigen wird sich aber auch die Industrienachfrage: In einer Studie für das Bundeswirtschaftsministerium untersuchte das Fraunhofer-Institut zusammen mit dem Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung die Auswirkungen von Zukunftstechnologien auf die Rohstoffnachfrage. Silber bescheinigt die Studie hohes Potenzial. Das größte Mengenwachstum sei beim Einsatz von Silber in RFID-Tags zu erwarten, über Funk lesbare Chips, die künftig klassische Etiketten ersetzen sollen. Der Silberbedarf der sieben untersuchten Zukunftstechnologien könnte sich von 156 Millionen Unzen 2006 bis zum Jahr 2030 mehr als verdreifachen, so die Forscher – auf dann 508 Millionen Unzen. Das entspräche drei Vierteln der aktuellen Jahresproduktion in den Minen.

Aber: Dem steigenden Verbrauch steht auch eine zunehmende Produktion gegenüber. Von 1999 bis 2008 legte die Minenproduktion um gut ein Viertel zu, auf zuletzt 681 Millionen Unzen. Berücksichtigt man die Expansionspläne bestehender Minen und die geplante Eröffnung neuer Bergwerke, könnte die weltweite Förderung bis 2013 um rund 120 Millionen Unzen zulegen, schätzt CPM-Geschäftsführer Jeff Christian.

Nebenprodukt Silber

Ob das so kommt, hängt stark von der Weltkonjunktur ab. Silber wird meist als Nebenprodukt in Bergwerken gewonnen, die Blei, Zink oder Kupfer fördern. Die Silberproduktion hängt somit am Tropf der Produktion von zyklischen Industriemetallen. Ein Boom bringt mehr Output, eine schwache Konjunktur bremst die Förderung. So lag die Silberproduktion in Mexiko im April gut 20 Prozent niedriger als im Vorjahr.

In einer Rezession sinkt deshalb mit der Förderung von weniger nachgefragten Industriemetallen auch das Silber-Angebot. Weil Silber bei vielen neuen Anwendungen für die Industrie unverzichtbar geworden ist, werde die Nachfrage aber selbst in einer Rezession nicht dramatisch fallen, sagt der ehemalige Investmentbanker Thorsten Schulte, der heute einen Silber-Börsenbrief herausgibt. Auch sorgen die geringen Einsatzmengen in den Endprodukten dafür, dass die industrielle Nachfrage relativ preisunelastisch auf Veränderungen des Silberpreises reagiert.

Ein Beispiel: In einem Auto sind etwa zwei Unzen Silber verarbeitet. Stiege nun der Silberpreis von aktuell 11 auf 22 Euro, macht das pro Auto 22 Euro Mehrkosten. Bezogen auf den Listenpreis von Malermeister Bambergers Cayenne S, wären das nicht spürbare 0,032 Prozent.

Silber ist nicht nur in Münzform, sondern auch als Rohstoff für die Industrie gefragt Quelle: Sascha F. - fotolia.com

Selbst wenn die analoge Fotografie komplett verschwinden sollte, wird sich der Zusatzbedarf der Industrie allein aus den Minen nicht decken lassen. Auf Basis der aktuellen Minenproduktion reichen die vom US Geological Survey als wirtschaftlich abbaubar eingestuften Silberreserven nur noch 13 Jahre. Auch Regierungen können nicht gegensteuern – weil sie kein Silber mehr haben. Geschlossen werden könnte die Lücke durch Recycling. Das lohnte sich bisher kaum. Nur ein Fünftel der weltweiten Silbernachfrage wird aus recyceltem Altsilber bedient.

Nach Schätzungen der CPM Group wurden auf der Welt bisher gut 44 Milliarden Unzen Silber gefördert. 22 Milliarden Unzen wurden entweder industriell eingesetzt, verbraucht oder kamen sonst irgendwie abhanden, weitere 22 Milliarden sind noch erhalten: als Schmuck, Besteck oder in religiösen Objekten und zu einem kleinen Teil in Form von Barren und Münzen. Zusammen mit gut 18 Milliarden Unzen, die noch im Boden liegen, kommt man auf 40 Milliarden Unzen – das Fünffache der vergleichbaren Goldmenge. Zu aktuellen Marktpreisen ist das auf der Welt vorhandene Gold aber nicht fünfmal, sondern zehnmal höher bewertet als das ober- und unterirdisch verfügbare Silber. Sicher, die Daten sind geschätzt, die Tendenz aber dürfte stimmen: Gemessen an den Mengenverhältnissen der beiden Edelmetalle, lässt sich für Silber tatsächlich ein höheres Steigerungspotenzial ableiten als für Gold.

Silber schlägt Aktien

Gegenüber Standardaktien liegt Silber längst auf der Überholspur. Das zeigt die sogenannte Dow/Silber-Ratio. Die Kennzahl lässt sich einfach ermitteln, indem der aktuelle Stand des aus 30 US-Aktien zusammengesetzten Dow Jones durch den aktuellen Silberpreis in US-Cent geteilt wird. Fällt die Kennzahl, läuft Silber besser als US-Aktien – und umgekehrt. Seit 2001 schlägt Silber die Aktien. Die Dow/Silber-Ratio fiel seither von 25 auf aktuell gut 6. Der letzte Abwärtszyklus der Dow/Gold-Ratio endete 1980 bei 0,2. Daran gemessen hätte Silber bei unverändertem Dow Jones Potenzial bis 500 Dollar.

Aktuell nehmen nicht nur die Silber-bestände in deutschen Kellern zu, sondern auch in Londoner oder Zürcher Tresoren. Dort lagern die Barren, mit denen die börsennotierten Silberfonds besichert sind – mittlerweile fast 400 Millionen Unzen oder 60 Prozent der Jahresfördermenge. „Es sind starke Hände, die hier kaufen und die sich auch von traditionell hohen Preisschwankungen bei Silber nicht abschrecken lassen“, glaubt Börsenbriefschreiber Schulte. Beeindruckend sei gewesen, dass die Zuflüsse selbst beim Einbruch des Silberpreises im Vorjahr nicht stoppten.

Silber: Edelmetalle schützen vor Papiergeldentwertung Quelle: © Cerae - Fotolia.com

Für die börsennotierte Silberware fällt keine Mehrwertsteuer an. Beim ETFS Physical Silver, der als Inhaberschuldverschreibung konstruiert wurde, werden beim Verkauf vom möglichen Gewinn 25 Prozent Abgeltungsteuer abgezogen. Die steuerliche Behandlung des Silber-ETF der Zürcher Kantonalbank, den Anleger an der Schweizer Börse kaufen können, ist in Deutschland immer noch nicht geklärt. Die Aufsicht BaFin sagt, der Schweizer ETF sei kein Investmentfonds, weil er nur eine Vermögensklasse enthält. Eine Strafsteuer auf den ETF ließe sich aber kaum durchsetzen, weil das Produkt steuerlich absolut transparent ist. Logisch wäre, den ETF als Silber einzustufen, sodass Gewinne nach einem Jahr steuerfrei wären. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Abgeltungsteuer zur Anwendung kommt.

Alte Spekulationssteuer

Gewinne mit Barren und Münzen sind dagegen nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei, weil bei physischem Edelmetall weiter die alte Spekulationssteuer gilt. Die gezahlte Mehrwertsteuer lässt sich zumindest bei kleineren Verkaufsmengen problemlos wieder reinholen, etwa durch einen Privatverkauf über Ebay. Die WirtschaftsWoche hat das getestet, es hat funktioniert: Wir wurden unser Silber plus Mehrwertsteuer-Aufschlag wieder los.

Cleveres Silberportfolio

Abrunden lässt sich ein Silberportfolio mit Aktien von Minenunternehmen, die primär Silber aus dem Boden holen und auf hohen Reserven sitzen. In einer Silberhausse werden ihre Kurse wahrscheinlich noch stärker zulegen als der Unzenpreis selbst – weil ihr Gewinn überproportional zum Silberpreis steigt und ihre Reserven aufgewertet werden. Der Effekt wirkt natürlich auch umgekehrt: Fällt der Silberpreis, verlieren die Minen überproportional. Der Silbermarkt ist ein Markt mit wenigen Akteuren und heftigen Preisausschlägen. Zusätzliche Risiken entstehen, wenn Minen und Reserven in Ländern liegen, die nicht unbedingt Rechtssicherheit garantieren.

Interessant ist deshalb die Aktie von Silver Wheaton. Die Kanadier betreiben selbst keine Bergwerke, sondern machen mit Minengesellschaften gegen Einmalzahlung Verträge, die ihnen das Recht geben, neu gefördertes Silber für etwa 3,90 US-Dollar je Unze – ein Viertel des aktuellen Silberpreises – zu kaufen. Seit Erstempfehlung in WirtschaftsWoche 51/2004 hat die Aktie 285 Prozent zugelegt. Ein Investment in die lupenreine Silberaktie ist spekulativ. Aber es spart Silber-Lagerraum im Keller und schont die Stoßdämpfer – auch von schwäbischen Transportern Marke Porsche.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%