Spekulanten Das Geschäft mit dem Börsenabsturz

Niemand mag die Spekulanten, die von Aktiencrash und Schuldenkrise profitieren. Doch Verbote bringen nichts. Im Gegenteil: Die Wetten auf fallende Aktienkurse sind gut für die Märkte. Wie Spekulanten arbeiten und Privatanleger davon profitieren.

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Leerverkäufe Bankaktien

James Chanos, so scheint es, macht mit allem Geld, was fällt. Er verdiente am Niedergang des Energiehändlers Enron vor zehn Jahren, profitierte vom Absturz des US-Immobilienmarkts 2007, der letztlich die Finanzkrise auslöste, und hat jetzt China ins Visier genommen: Alles aufgeblasen, sagt er – und wettet munter auf den Absturz von Chinas Immobilienwirtschaft.

Chanos, 53, dunkle Hornbrille, graue Haare, rundlich, Typ Harvard-Professor, ist Shortseller. Mit seinem sechs Milliarden Dollar schweren Hedgefonds Kynikos Associates setzt er bevorzugt auf fallende Kurse von Aktien, die er sich nur geliehen hat: Leerverkauf oder „Shorten“ nennt sich das. Und funktioniert nicht nur mit Aktien, sondern auch mit Staatsanleihen.

Spekulanten wie Chanos würden mit ihren Wetten Unternehmen, Banken und am Ende auch Staaten in den Ruin treiben, sagen Politiker. „Unsere Entschlossenheit, diese Phänomene zu bekämpfen, ist ungebrochen, unerschöpflich und umfassend“, tönte etwa Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach dem Gipfel mit Angela Merkel in der vergangenen Woche. Als die Aktien französischer Banken abstürzten, verhängten Paris und mehrere andere europäische Regierungen ein Leerverkaufsverbot. Die Kurse beruhigten sich. Die aller anderen Aktien, für die es keine neuen Regeln gab, allerdings auch.

Leerverkäufer, sagt Chanos, sind nützlich. Sie bemerken früher als andere, wenn bei Finanzpapieren etwas faul ist. So schützen sie Investoren davor, Papiere zu teuer zu kaufen. Das Feindbild des kapitalistischen Aasgeiers bekommt bei ihm eine ganz andere Färbung. Was aber sind Shortseller nun wirklich, skrupellose Gierhälse oder nützliche Gesundheitspolizei? Sind sie so gefährlich, wie Manager, Banker und Politiker sagen? Oder führen Verbote von Leerverkäufen ins Leere, sind womöglich sogar schädlich und lenken von anderen, viel gefährlicheren Phänomenen ab?

Prügelknaben der Politik

Für die Politik, die die Schuldenkrise nicht in den Griff bekommt, ist klar: Spekulanten sind schuld am Kursverfall von Staatsanleihen und Aktien. Wirtschaftsminister Philipp Rösler verlangt, „dass hochspekulative Finanzgeschäfte nicht nur in Europa, sondern auch auf der Ebene der G7-Staaten verboten werden“. SPD-Chef Sigmar Gabriel stößt ins gleiche Horn.

Chanos kontert. „Politiker in Europa sind sich offenbar nicht im Klaren über die Folgen derartiger Verbote. Vielfach verkaufen Banken oder Investoren Bankaktien leer, um Risiken aus anderen Geschäften abzusichern“, sagte er der WirtschaftsWoche. Können sie dies nicht mehr, drohe ein erneutes Austrocknen des Geldmarktes zwischen Banken, so wie 2008.

Je mehr ein Staat unter Druck ist, desto stärker schlägt er zurück. Vorgeprescht ist Griechenland, das schon vor zwei Wochen Leerverkäufe für zwei Monate verbot. Bis dahin hatten griechische Aktien allerdings schon den niedrigsten Stand seit 14 Jahren erreicht. Da ist die Spekulation für Shorties ohnehin nicht mehr verlockend. Italien, Frankreich, Belgien und Spanien zogen mit unterschiedlich harten Regeln am 12. August nach. Einschränkungen bei Leerverkäufen gibt es vor allem für Bankaktien. Weil Staaten Banken stützen, sind Short-Attacken auf Bankpapiere faktisch auch Angriffe auf die Staaten. Zwar hat es auf das Geschäft einer Bank keine Auswirkungen, wenn ihr Aktienkurs fällt. Doch Banken leben vom Vertrauen, das alle, die bei ihnen Geld deponieren, in sie setzen. Fallende Aktienkurse signalisieren sinkendes Vertrauen und können deshalb tödlich sein.

Hinzu kommt, dass Banken, etwa in Italien, viele Staatsanleihen ihres Landes halten. Lässt das Vertrauen in die Bonität des Landes nach, wanken dessen Banken. Als an den Börsen das Gerücht die Runde machte, Frankreich werde, wie zuvor die USA, sein AAA-Rating verlieren, ging die Aktie der Société Générale in den Keller.

Kursmanipulation

Eilfertig erklärte die in Paris angesiedelte EU-Börsenaufsichtsbehörde ESMA im Fall Société Générale sogleich, Leerverkäufer, die Gerüchte verbreiteten, manipulierten die Märkte. Beweise dafür, dass Shortseller tatsächlich Gerüchte gestreut haben, blieben die Aufseher schuldig.

„Strafbar ist es, bei Leerverkäufen mit falschen Angaben den Aktienkurs bewusst nach unten zu treiben“, sagt Gerson Trüg von der Kanzlei Gillmeister Rode Trüg in Freiburg. Wenn also jemand wahrheitswidrig verbreite, die Société Générale benötige Staatshilfe, weil sie zu viel auf portugiesische Staatsanleihen abschreiben müsse, und der Aktienkurs daraufhin einbricht, sei dies strafbar. Bekannte Shortseller wie Manuel Asensio und Florian Homm gerieten wegen zweifelhafter Behauptungen mit der Finanzaufsicht in Konflikt.

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