Tool der Woche Pensionsfonds müssen bei Nachhaltigkeit aufholen

Kaum ein Firmenpensionsfonds in Deutschland orientiert sich an nachhaltigen Anlageleitlinien. Das geht aus einer Handelsblatt-Umfrage hervor. Positiv ragen die Firmen-Fonds von Nestlé sowie der Deutschen Telekom heraus.

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Passen Altersvorsorge und nachhaltige Geldanlage zusammen? Nur wenige Pensionsfonds in Deutschland berücksichtigen Umweltaspekte oder soziale Kriterien bei ihrer Vermögensverwaltung. Quelle: dpa

Frankfurt Es ist ein Anlageerfolg, der auch hierzulande für Aufsehen sorgt – und das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit auf Pensionsfonds lenkt: Der weltweit größte seiner Art, Japans staatlicher Altersvorsorgefonds, hat das jüngste Berichtsquartal von Oktober bis Dezember mit einem Rekordergebnis abgeschlossen. Umgerechnet 87,5 Milliarden Euro hat der Fonds maßgeblich durch die jüngste Rally an den Aktienbörsen verdient.

Auch die in Deutschland zugelassenen Firmenpensionsfonds können stärker als andere Varianten der betrieblichen Altersvorsorge an Aktienmärkten investieren und von den Chancen der Kapitalmärkte profitieren. Doch kaum einer legt dabei Wert auf nachhaltige Anlageleitlinien, die etwa Umweltaspekte und soziale Prinzipien bei der Geldverwaltung gezielt berücksichtigen.

Das zeigt eine Umfrage des Handelsblatt-Newsletters „Business Briefing Nachhaltige Investments“ unter elf unternehmerischen Pensionsfonds und –kassen.

Demnach hat keiner der befragten Pensionsfonds deutscher Unternehmen die UN-Prinzipien für verantwortliches Investieren unterzeichnet, obwohl die Konzerne mit einer Ausnahme in der UN-Initiative Global Compact sind. Folglich müssten sie auch die Kapitalanlage nach diesen Umwelt-, Sozial- und Governance-Prinzipien (englisch kurz ESG) ausrichten.

Nur die Deutsche Telekom stimmt internationalen juristischen Studien zu, wonach die Beachtung von ESG-Aspekten zur treuhänderischen Verantwortung gehört. Und nur zwei Unternehmen, Nestlé und die Telekom, haben die Beachtung von ESG-Kriterien vorgeschrieben. Nestlé bezieht sich dabei auf den Global Compact.

Die anderen schweigen sich zu ihrer treuhänderischen Verantwortung aus, obwohl ESG-Kriterien nachweislich Risiken senken und Rendite-Risiko-Profile verbessern, wie jahrzehntelange wissenschaftliche Forschung ergab. Damit entgehen ihnen Chancen auf langfristig höhere Erträge oder stabilere Ertragsentwicklungen.

Wer also als Arbeitnehmer seiner Altersvorsorge nachhaltig investierende Bausteine beimischen möchte, muss seine Geldanlage in der Regel selbst in die Hand nehmen. Zum Beispiel durch den Einsatz geeigneter Investmentfonds. Eine Möglichkeit sich über einzelne Produkte zu informieren, bietet die Handelsblatt-Fondssuche.


Die Details zur Handelsblatt-Umfrage

Die Details zur exklusiven Umfrage: Nur drei Pensionsverwalter scheinen ESG-Aspekte zu beachten. Alle anderen drücken sich um deutliche Antworten oder schließen bloß geächtete Waffensysteme aus (siehe Tabelle). 23 Milliarden Euro verwalten neun von der Aufsichtsbehörde Bafin kontrollierte Pensionsfonds deutscher Unternehmen. Das sind drei Viertel der von ihr beaufsichtigten Pensionsfondsgelder. Die verwaltete Summe betrug Ende 2015 stolze 30 Milliarden Euro. Fraglich ist, wie diese Gelder angelegt sind. Sie bilden lediglich einen Ausschnitt der immensen Summe für die Altersvorsorge ab. Das zeigen beispielhaft BASF, Nestlé und Siemens: Milliardenbeträge liegen nicht in Pensionsfonds, sondern sind anderweitig verwaltet.

Viele der befragten Unternehmen dürften über Pensionsfonds hinaus wesentlich mehr Altersvorsorgegelder in anderen „Durchführungswegen“ verwalten, wie das auf Beamtendeutsch heißt. Aus der Umfrage lässt sich schließen, dass der größte Teil dieses Kapitals derart angelegt ist, dass weder Umwelt- oder Sozial-Risiken beachtet sind, geschweige denn, dass die Gelder neben finanziellen Renditen eine positive Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt erzielen sollen.

Die Firmenpensionsfonds gaben sich überaus zugeknöpft. Auf die Umfrage des „Handelsblatt Business Briefing Nachhaltige Investments“ reagierten sieben von elf ablehnend, bezogen nur allgemein Stellung oder verwiesen auf wenig erhellende Geschäftsberichte. Lediglich vier Konzerne beantworteten die zehn Fragen zumindest großenteils. Nur drei legten dar, welchen Weg Pensionsfonds gehen können.

Im Siemens-Bericht finden sich zwar fünf Seiten Informationen zum Pensionsvermögen. Doch die wenigen Hinweise zu Anlagepolitik, Risiken und Risikosteuerung enthalten keinerlei Angaben zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten. Sichtlich existieren keine Vorgaben dazu.

Die Deutsche Post DHL Group gab folgendes Statement ab: „In den Anlageleitlinien unseres deutschen Pensionsfonds finden Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (kurz ESG) Beachtung.“ So verschwurbelt formuliert, sieht es nicht danach aus, dass sie vorgeschrieben sind. Und weiter: „Unserer Ansicht nach sind insbesondere Governance-Themen für die Nachhaltigkeit des Anlageerfolges von Bedeutung.“

Daraus lässt sich zweierlei ableiten: Erstens können Umwelt- und Sozial-Kriterien berücksichtigt werden, haben aber womöglich keine große Relevanz bei Titelanalyse und Anlageentscheidungen. Zweitens wird Nachhaltigkeit auf "finanzielle Stetigkeit" verkürzt. Das ist beliebt unter Unternehmen, um zu vermeiden, die wesentlichen Inhalte von Nachhaltigkeit zu thematisieren: eine lebenswerte Umwelt und sozial verträgliche Gesellschaften.


LKW-Produzent MAN eher mit offenen Karten

Während sich viele Unternehmen um Antworten drücken, spielt der LKW-Produzent MAN eher mit offenen Karten: Der Pensionsfonds handhabt keine nachhaltigen Anlagekriterien und begründet das so: „Unsere Aktienanlagen sind ausnahmslos passiver Natur, das heißt wir bilden nur Benchmarks nach, die weit überwiegend Aktien der Developed Marktes beinhalten. Bei Investments in ETFs haben wir keinen Einfluss.“ Das klingt so, als ob es keine nachhaltigkeitsorientierten Indizes gebe, zu denen entsprechende ETFs existieren oder sich auflegen ließen. Das Gegenteil ist der Fall und somit erstaunt, dass die Lkw-Konstrukteure offensichtlich nicht einmal erwägen, sie einzubinden.

Auch hierzu liefert der Sprecher eine Grund: „Eine nachhaltige Outperformance von nach ESG-Kriterien verwalteten Aktienmandaten konnte uns bisher nicht nachgewiesen werden.“ Will heißen: Die Ergebnisse von mehr als 30 Jahren wissenschaftlicher Forschung, woraus sich tendenziell ein besseres Rendite-Risiko-Profil ergibt, werden in der Münchner Zentrale einfach ignoriert.

Peter Hadasch, Personalvorstand der Nestlé Deutschland AG, konstatiert für seinen Pensionsfonds: „Eine signifikant negative oder positive Wirkung konnten wir bislang nicht feststellen.“ Aber darum gehe es nicht: „Wir unterstützen nachhaltige Investments nicht zum Zweck der Ertrags- oder Risikooptimierung“, sondern ausschließlich weil „wir das verwaltete Versorgungskapital nicht als verselbstständigte Vermögensmasse sehen, sondern als Teil unserer gesamten Wertschöpfungskette. Aus diesem Grund wollen wir Kapital nur in Investments fließen lassen, die mindestens den Anforderungen entsprechen, die wir uns für unser eigenes Handeln gesetzt haben.“

Die Versorgungseinrichtungen der Nestlé fühlen sich den Angaben zufolge wie die Nestlé Deutschland AG an die Grundsätze des UN Global Compact gebunden. Doch bei dieser Umfrage ragt das Unternehmen heraus. Peter Hadasch redet als einziger Klartext: „In den internen Kapitalanlagerichtlinien der Nestlé Versorgungseinrichtungen ist die Beachtung von ESG-Kriterien enthalten und somit vorgeschrieben.“ Er erläutert, wie dies funktioniert. Der Pensionsfonds geht als Einziger über Ausschlusskriterien hinaus und nutzt auch andere nachhaltige Anlagestrategien.


Nestlé und die Deutsche Telekom als Wegweiser

Die Anlagestrategie setzt auf die Nachbildung von Bond- und Aktienindizes. Hierfür gibt es passive und aktive Mandate. Letztere sollen Indizes schlagen. „Zunehmend nutzen wir dabei auch breit angelegte Nachhaltigkeitsindizes“, erläutert Hadasch. „Wo dies nicht möglich ist, verpflichten wir unsere Asset Manager, mindestens 80 Prozent der Anlagen in Aktien und Bonds mit einem positiven Best-in-Class- Rating von Oekom Research zu halten.“ Best-in-Class-Konzepte sondieren aus den verschiedenen Branchen die jeweiligen öko-sozial leistungsstärksten Unternehmen.
Schwere Verstöße gegen Arbeits- und Menschenrechte und im Umweltbereich sowie geschäftsmäßige Korruption könnten Einfluss auf Anlageentscheidungen haben, so Hadasch. Daneben werde in nachhaltige Einzelmandate investiert. Anders als bei MAN und BASF klingt der Ausschluss international geächteter Waffensysteme bei Nestlé und Deutscher Telekom als kaum erwähnenswerte Selbstverständlichkeit.

Die Deutsche Telekom geht ebenfalls deutlich darüber hinaus: Ihre Kriterien untersagen Investments in Unternehmen, die wiederholt gegen die Global-Compact-Prinzipien verstoßen haben. Anlagestrategien und Portfolioentscheidungen müssen folglich neben den üblichen Finanzkennzahlen auch diesbezügliche Umwelt- und Sozialindikatoren berücksichtigen. Außerdem dürfen die Telekom-Versorgungsträger keine Anleihen von Staaten erwerben, die mit völkerrechtlichen Sanktionen belegt sind.
Die Motive hierfür sind vielfältig: Erstens mindere die Beachtung von ESG-Kriterien das Risiko, zweitens biete sie eine Chance auf langfristig höhere Erträge respektive stabile Ertragsentwicklung. Drittens stellten einige T-Systems Geschäftskunden diese Anforderungen – Compliance ist also nicht nur eine Frage von Regulierung. Und viertens erhofft sich der Konzern einen Reputationsgewinn innerhalb Dax-Unternehmen.

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