Tool der Woche Warum der Strom auf dem Land teurer ist

Gleicher Stromanbieter, aber unterschiedliche Preise? Das ist möglich. Vor allem auf dem Land ist Strom besonders teuer. Ein Wechsel zu einem neuen Anbieter lohnt sich dort besonders. Was Verbraucher tun können.

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Der Ausbau der erneuerbaren Energien findet vor allem in ländlichen Gebieten statt - dort steigen die Netzentgelte und damit der Strompreis besonders stark. Quelle: dpa

Frankfurt Für Millionen deutsche Haushalte ist es ein alljährliches Ärgernis: die Endabrechnung des lokalen Energieversorgers. Zwischen 2006 und 2016 ist der Strompreis, den ein Privathaushalt im Durchschnitt zahlen muss, nach Daten des Bundeswirtschaftsministeriums um 57 Prozent gestiegen. Konkret: Vor elf Jahren musste ein Vier-Personen-Haushalt für die Stromrechnung im Schnitt knapp 760 Euro berappen. 2016 waren es schon fast 1200 Euro.

Dabei sind die Kosten für die Stromherstellung seit 2009 fast unverändert – sie machen mittlerweile nur noch ein Viertel des Gesamtpreises aus. Der Rest entfällt auf Netzentgelte, Steuern, Abgaben und die EEG-Umlage, mit der Stromkunden an den Kosten für die Energiewende beteiligt werden. Diese Posten treiben den Strompreis seit Jahren nach oben.

Nun zeigt eine aktuelle Studie des Vergleichsportals Verivox: Diese Lasten werden in der Bevölkerung bei Weitem nicht gleich verteilt. In vielen ländlichen Gebieten müssen Verbraucher für Strom deutlich mehr zahlen als in der Stadt – selbst wenn sie Kunden beim gleichen Anbieter sind. Besonders groß sind die Preisunterschiede in Mecklenburg-Vorpommern: Ein Haushalt mit 4000 Kilowattstunden Stromverbrauch pro Jahr zahlt auf dem Land im Schnitt 177 Euro jährlich mehr als Stromkunden in der Stadt.

Auch in Brandenburg und im Saarland ist das Stadt-Land-Gefälle besonders ausgeprägt. Hier müssen Haushalte auf dem Land durchschnittlich 65 Euro jährlich mehr bezahlen. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein macht sich ein Wohnsitz im Grünen dagegen kaum auf der Stromrechnung bemerkbar. In Hessen ist der Strom in der Stadt mit einem Plus von 46 Euro sogar deutlich teurer.

Ein Grund für dieses Stadt-Land-Gefälle seien unterschiedliche Netzentgelte, sagt Mathias Köster-Niechziol, Energieexperte bei Verivox. Diese werden von den Stromnetzbetreibern erhoben und machen rund ein Viertel des Strompreises aus. Da auf dem Land, besonders in den neuen Bundesländern, die Einwohnerdichte gering ist, verteilen sich die Netzkosten auf weniger Einwohner, sagt Köster-Niechziol. Auch für die Energiewende werden Verbraucher in vielen ländlichen Region überproportional stark zur Kasse gebeten: „Windräder oder Solaranlagen werden besonders oft in ländlichen Gebieten gebaut. Die Netzkosten werden von den Verbrauchern des örtlichen Verteilnetzes getragen“, sagt Köster-Niechziol.


Wegziehen? Was Verbraucher tun können

Die Höhe der Netzentgelte hängen nicht vom Stromanbieter ab, sondern vom lokalen Netzbetreiber. Anders als den Stromlieferanten können sich Verbraucher den lokalen Netzbetreiber nicht aussuchen. „Das sind natürliche Monopole“, sagt Martin Brandis, Energiespar-Berater der Verbraucherzentralen. „Daher können die Netzentgelte sehr unterschiedlich sein“.

Dennoch: Niemand muss in die Stadt ziehen, weil ihm die Stromrechnung zu hoch ist. Verbraucherschützer Brandis sagt: Vor allem für Menschen, die noch beim Grundversorger den Standard-Tarif zahlen, könne sich ein Anbieter-Wechsel lohnen. Bei 4000 Kilowattstunden, dem Durchschnitts-Verbrauch eines Vier-Personen-Haushalts im Jahr, seien Einsparungen von mehreren hundert Euro realistisch. Damit hätten Verbraucher ihre Mehrausgaben für Strom auf dem Land mehr als wettgemacht. Selbst wer in einem langjährigen Vertrag gebunden ist, kann einfach wechseln: „Erhöht der Stromanbieter die Preise, hat der Kunde in der Regel ein Sonderkündigungsrecht“, sagt Brandis. Welcher Tarif für Sie passt, können sie etwa mithilfe dieses Tools herausfinden.

Auch wenn der Anbieterwechsel so simpel ist wie nie: Die deutschen Verbraucher bleiben bei diesem Thema lethargisch. „Manche wissen gar nicht, dass man den Stromanbieter wechseln kann. Andere sind schlicht zu faul“, sagt Christine Wallraf von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Manche seien auch besorgt, ohne Strom dazustehen, wenn ein Anbieterwechsel nicht reibungslos funktioniert. „Aber das kann nicht passieren“, sagt Wallraf. Die Grundversorger sind gesetzlich verpflichtet, im Notfall einzuspringen. Die Verbraucherschützerin versichert: „Niemand muss fürchten, auch nur eine Minute keinen Strom zu haben.“

Mittlerweile steigen sogar Banken ins Vermittler-Geschäft ein: Die Hypovereinsbank (HVB) bieten ihren Kunden auf Wunsch an, die Abbuchungen für Strom und Gas auf dem Girokonto zu analysieren und nach billigeren Angeboten zu suchen. Dafür kooperiert die Bank mit dem FinTech Moneymap.

Auch den Wechsel zum günstigeren Anbieter übernimmt Moneymap – „kostenlos und ganz ohne Papierkram“, wie die HVB auf ihrer Webseite verspricht. Der Hauptunterschied zum klassischen Vergleichsportal sei, dass der Kunde nicht aktiv auf einer Internetseite suchen müsse, sagt ein HVB-Sprecher. Der Kunde muss der Konto-Analyse aktiv zustimmen. Wer aus Datenschutzgründen auf das Angebot verzichten will, könne es einfach ignorieren, versichert der Sprecher. Wenn die Hausbank auf das Einsparpotenzial hinweist und den Wechsel gleich mitübernimmt, reißt das vielleicht ein paar Stromkunden mehr aus ihrer Wechsel-Lethargie.

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