TV-Kritik „Hart aber fair“ Beim Geld ist sich jeder der Nächste

Bankgebühren zum Wohle der Kunden? Bei „hart aber fair“ hatte diese Logik ihren Platz – genau wie jammernde Banker und hilflose Politiker. Die Kernfrage, ob sich Banken auf Kosten der Kunden retten, blieb dabei offen.

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Heftig diskutiert: Müssen Sparer das Zinstief ausbaden, um Banken zu Gewinnen zu verhelfen? Quelle: dpa

Moskau Die Frage des Abends kam zum Schluss: „Stellen Sie sich vor, ihre Mutter würde ihr Erspartes sicher anlegen wollen. An wen von den Gästen würden Sie sich wenden?“, fragte Moderator Frank Plasberg die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht am Ende seiner Talkshow „hart aber fair“ am Montag. Thema: „Minuszinsen, Extra-Gebühren – retten sich die Banken auf Kosten der Kunden?” Wagenknecht schaute verdutzt, antwortete, dass sie ihre Eltern selbst beriete und zog damit etwas unfreiwillig das Fazit der Sendung: Beim Thema Geld ist nur aufs eigene Geschick Verlass.

Die Runde der möglichen Anlageberater konnte sich durchaus sehen lassen: Neben Wagenknecht teilten sich Chef des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken, Uwe Fröhlich, NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans, Finanztest-Chefredakteur Heinz Landwehr und ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, die roten Sitze. Nur: Etwas, was Kunden ihr Erspartes wieder mit Zuversicht zur Bank bringen ließe, haben die Gäste nicht gesagt. Stattdessen: Banker-Gejammer und hilflose Politik-Statements.

Nach 75 Talk-Minuten verfestigte sich beim Zuschauer der Eindruck, dass die Geldpolitik der niedrigen Zinsen Mario Draghis hat die Bankenwelt sehr, sehr traurig gemacht. Wie passend, dass Moderator Plasberg den bevorstehenden Weltspartag (28. Oktober) kurzerhand zum „Geld-Trauertag” erklärte. Besonders betroffen präsentierte sich Chef-Genosse Uwe Fröhlich. Worte wie „leiden“ und „getroffen sein“ kamen so häufig von seinen Lippen, dass man am Ende fast geneigt war, den Mann zu trösten.

„Wir leiden alle unter der Niedrigzinspolitik der EZB“, sagte er in einem Ton, als seien Geldhäuser zarte Lebewesen, deren Gefühle verletzt werden könnten. Da müsse man auch verstehen, dass man als Kunde in dieser Situation kein Recht auf ein kostenloses Konto hätte. Und überhaupt: Für ein so gut ausgebautes Filialnetz, wie die deutschen Volks- und Raiffeisenbanken es hätten, solle man „bitteschön auch bezahlen”. Ein Recht auf ein kostenloses Konto ließe sich auch in einer sozialen Marktwirtschaft nicht durchsetzen. Kritik an der Gebührenpolitik einzelner Institute, etwa an der Volksbank Ermstal-Alb, die von ihren eigenen Kunden Geld fürs Geldabheben verlangt, findet Fröhlich „unfair”.


Dann doch lieber eine Vermögenssteuer?

Auch der Thomas Mayer, setzte bei seiner Rechtfertigung der neuen Kontogebühren auf Gefühle – allerdings auf die der Kunden. Ihm zufolge könnten die Banken gar nicht anders, als von jenen Geld für Leistungen zu verlangen, die früher kostenlos waren: „Die Kunden würden Negativzinsen emotional gar nicht verkraften”, so Mayer. Deshalb müssten die Banken die Strafzinsen, die ihnen von der EZB abverlangt werden, in Form von Entgelten und Gebühren vor ihren Kunden verstecken. Dabei offenbarte eine Umfrage für Plasbergs Sendung, dass diese Form der Rücksicht gar nicht nötig ist: Viele Kunden haben demnach keine Ahnung, was sie der ihrer monatlich Bank für den Service bezahlen.

Angesichts so vieler Emotionen auf Seiten der Banken fielen die Statements der Politiker und Verbraucherschützer blass und nüchtern aus. Sahra Wagenknecht bemühte für ihre Argumentation nicht die ärmsten Bundesbürger, sondern die durch Niedrigzinsen gebeutelte Mittelschicht. Für die würden sich die Strafzinsen wie eine indirekte Vermögenssteuer wirken und seien deshalb ungerecht. Besser wäre es gewesen, man hätte die Vermögenssteuer wirklich eingeführt – „gegen die wirklich Reichen“, so die Linke-Politikerin. Als reich definiert sie alle, deren Vermögen eine Million Euro übersteigt. Finanztest-Chefredakteur Heinz Landwehr betonte vor allem, dass das Problem nicht an den Gebühren selbst liege sondern an deren Höhe und Unübersichtlichkeit.

Wenig überraschend auch Wagenknechts Kommentar zur Deutschen Bank, die sie als kriminell bezeichnete. Die angespannte Lage des Geldhauses, das in den vergangenen Wochen wieder einmal mit den Folgen einer drohenden Milliardenstrafe in den USA zu kämpfen hatte, nahm einen vergleichsweise kleinen Teil der Sendung ein, entfachte allerdings die Frage, ob eine Bank scheitern dürfe oder nicht. Thomas Mayer hat mit seinem Kommentar, dass es an der Zeit sei, das kreditbasierte Geldschöpfungssystem der Banken generell zu hinterfragen, sicherlich einen der interessanteren Beiträge geliefert, wurde von Plasberg, der das Thema eher in einer Wirtschaftsvorlesung verortet sah, zum Schweigen gebracht.

Der hilfloseste Vorschlag zum Thema Bankenregulierung kam vom NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Dieser machte sich stark für die Idee eines Ethikrates für Banken. In diesem Gremium würden die Kreditinstitute den Politikern mögliche Lücken in ihren Gesetzen aufzeigen und erklären, wie sich diese aus Banker-Sicht umgehen ließen. „Die Banken müssen verstehen, dass sie nicht einfach nur Unternehmen sind. Sie sind auch ein Teil der Infrastruktur unserer Gesellschaft“, mahnte er. Schön, wenn es die Geldhäuser auch so sähen. Und so blieb es beim heimlichen Fazit: Beim Geld ist sich jeder selbst der Nächste.

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