Umfrage in Deutschland Viele Rentner leben über ihre Verhältnisse

Drei Viertel der Rentner in Deutschland haben finanzielle Probleme, wie eine Studie zeigt. Die meisten fahren Ausgaben zurück, die wenigsten bitten die Familie um Hilfe. Je älter sie werden, umso größer die Probleme.

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Die 10 schlimmsten Fehler bei der Vorsorge
Schlecht informiertDie Deutschen kaufen Autos, Computer, Küchengeräte und gehen auf Reisen. Vor dem Kauf werden oft zahlreiche Testberichte gelesen. Geht es allerdings um Versicherungen und die eigene Vorsorge, sieht dies anders aus. Dabei sind ausreichende Informationen wichtig, um teure Fehlabschlüsse zu vermeiden. Quelle: Institut GenerationenBeratung IGB Quelle: Fotolia
Lückenhafte VorsorgeOft werden einzelne, wichtige Teile der Altersvorsorge vergessen. Dazu gehören: 1) individuelle Vorsorgevollmacht 2) Patientenverfügung 3) Klärung der Finanzen im Pflegefall 4) Testament Quelle: Fotolia
Die falschen Berater„Freunde, Familie und Bekannte in alle Vorsorgefragen einzubeziehen, ist wichtig und stärkt die Bindung zueinander. Doch sich allein auf ihren Rat zu verlassen, wäre fatal“, sagt Margit Winkler vom Institut GenerationenBeratung. Denn nur ausgebildete Finanzberater könnten auch in Haftung genommen werden. Sie sind verpflichtet, alle besprochenen Versicherungen und Vorsorgeprodukte zu dokumentieren. Quelle: Fotolia
Vorsorge ist nicht gleich VorsorgeJeder sollte seine Altersvorsorge an seine eigenen Bedürfnisse anpassen, pauschale Tipps von Beratern oder Freunden taugen in der Regel wenig. Je nach Familiensituation können andere Versicherung und Vorsorgeleistungen wichtig sein. „Vor allem in Patchwork-Situationen oder bei angeheirateten Ehepartnern gelten andere Spielregeln in der Vorsorge", sagt Winkler. Quelle: Fotolia
Schwarze Schafe Deshalb ist bei der Auswahl des Beraters Vorsicht geboten, in der Branche sind schwarze Schafe unterwegs. Geht ein Berater nicht auf die persönliche Situation ein oder preist ein bestimmtes Produkt besonders an, sollten die Kunden hellhörig werden.
Informiert ins GesprächWer Fehlern im Zuge von Falschberatung entgehen will, der muss sich vorher selber informieren. Je besser der Kunde im Beratungsgespräch selber informiert ist, desto eher kann er schlechte Berater enttarnen. Quelle: Fotolia
Vorsorge-FlickenteppichBeraterin Winkler warnt davor, zu viele Verträge bei vielen verschiedenen Beratern abzuschließen. Am Ende drohten Versicherte, den Überblick zu verlieren, besser sei eine ganzheitliche Lösung, die auf die individuelle Situation abgestimmt ist. Quelle: Fotolia

Was passt so gar nicht, wenn man einen ruhigen und sorglosen Lebensabend verbringen möchte? Finanzielle Sorgen. Damit ist ein Großteil der Älteren in Deutschland aber konfrontiert. 73 Prozent aller Rentner und Pensionäre haben im Ruhestand bereits einen finanziellen Engpass erlebt. Nur 27 Prozent sagen, dass ihr Geldbedarf noch nie über den Einkünften lag.

Das ist das Ergebnis einer Studie des Versicherungskonzerns Axa, der die finanzielle Flexibilität von Senioren und Rentnern untersucht hat. Wie wichtig finanzielle Flexibilität - also Liquidität - im Alter ist, wird einem Großteil mit zunehmenden Lebensjahren bewusst. Bei den 65- bis 69-Jährigen sagen noch 36 Prozent, dass der Finanzbedarf im Alter steigt und nicht fällt. Bei den 70- bis 74-Jährigen sind es schon 49 Prozent, 63 Prozent bei den 75- bis 79-Jährigen und immerhin 80 Prozent bei Menschen jenseits der 80 Jahre.

Rentenprognosen für 2040

Als Hauptgründe für schwankenden Geldbedarf im Ruhestand geben Rentner eine möglicherweise auftretende Pflegebedürftigkeit sowie Kosten für Krankheiten an. Das erklärt auch, warum viele vor allem im späteren Jahren einen erhöhten Finanzbedarf sehen.

Geizen gegen Geldmangel

Die heutigen Berufstätigen schätzen das anders ein. Hier glaubt rund die Hälfte, dass schwankender Geldbedarf eher in den ersten Jahren des Ruhestands auftritt. Die Studie zeigt, dass sich viele Arbeitnehmer auf den Ruhestand freuen, insbesondere um reisen zu können und generell um mehr Zeit für womöglich kostenintensivere Freizeitaktivitäten zur Verfügung zu haben. Der Studie zufolge ist das aber eine Fehleinschätzung.

Wer an die Mindestrente glaubt - und wer nicht

Wenn es um die Bewältigung der Finanznot geht, haben die Rentner unterschiedliche Strategien. Fast zwei Drittel der Rentner schraubt die Ausgaben zurück, wenn sie in Finanznot geraten. Jeweils ein Viertel verkauft in solchen Situationen Geldanlagen oder greift auf Erspartes zurück. Nur die wenigsten leihen sich Geld von der Familie (zwölf Prozent) oder bei Freunden (sieben Prozent).

Die Axa-Studie berücksichtigt nicht, dass sich Ältere zunehmend einen Job trotz Rente suchen. Laut statistischem Bundesamt ist das in den letzten Jahren ein zunehmend stärker auftretendes Phänomen. Im Jahr 2014 gingen demnach 14 Prozent der 65- bis 69-Jährigen einer bezahlten Tätigkeit nach. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es noch sechs Prozent. Binnen weniger Jahre hat sich also der Anteil arbeitender Rentner verdoppelt.

Arbeiten bis ins hohe Alter

Finanznot ist dabei eines der Motive. In einer Befragung des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA) aus dem Jahr 2011 sagten 72 Prozent, sie arbeiten im Alter weiter, weil sie Spaß an der Arbeit haben. Knapp 56 Prozent verspürten den Wunsch nach einer neuen Aufgabe, 55 Prozent suchten den Kontakt zu Menschen. Immerhin 40 Prozent der Befragten gaben finanzielle Gründe an.

Was die Deutschen über die Rente denken
Die eigene Vorsorge hat einen hohen Stellenwert. Fast zwei Drittel der Befragten (61 Prozent) schätzen die private Altersvorsorge als (sehr) gut ein, um für die Rente finanziell ausreichend abgesichert zu sein.Quelle: Forsa hat im Auftrag der KAS Bank 1026 Arbeitnehmer ab 16 Jahre befragt, die nicht selbstständig, verbeamtet oder geringfügig beschäftigt sind und die einen Bezug zum Thema betriebliche Altersvorsorge haben. Quelle: imago images
Dagegen erachtet immerhin noch jeder Zweite, unabhängig von Alter oder Geschlecht, die betriebliche Altersvorsoge für „sehr gut“ oder „gut“ geeignet, um ausreichend für das Alter vorzusorgen (51 Prozent). Quelle: dpa
„Die Rente ist sicher“, versprach einst Arbeitsminister Norbert Blüm. Eine geflügelte Aussage, der nicht mehr viele Menschen vertrauen. Schlappe 15 Prozent halten die gesetzliche Rente noch für eine (sehr) gute Anlageform fürs Alter. Quelle: REUTERS
Frische Erkenntnisse für Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: Unmittelbar nach dem Arbeitsentgelt trägt eine betriebliche Altersvorsorge am stärksten zur Attraktivität und der Wahl eines Arbeitsgebers bei. Männern und Frauen ist die betriebliche Altersvorsorge dabei gleichermaßen wichtig. Quelle: dpa
Weniger bedeutend bei der Wahl des Arbeitgebers sind dagegen vermögenswirksame Leistungen (57 Prozent), das Jobticket (35 Prozent) oder der Dienstwagen (20 Prozent). Quelle: AP
Die Kosten der betrieblichen Altersvorsorge müssen transparent sein, meinen 86 Prozent der Befragten. Quelle: dpa
Hohe Wertsteigerungen haben auch einen großen Stellenwert (70 Prozent) – als weniger wichtig gelten nachhaltige Investitionen (47 Prozent). Quelle: imago images

Die Daten des Statistischen Bundesamtes lassen darauf schließen, dass aufgrund des demografischen Wandels künftig noch mehr Menschen aus finanziellen Gründen im Alter weiterarbeiten werden. Gab es Ende 2013 in Deutschland rund 17 Millionen Menschen über 65 Jahre, wird sich ihr Anteil von 21 Prozent auf voraussichtlich 33 Prozent bis zum Jahr 2060 erhöhen – ein Drittel der Gesellschaft.

In Sachen Finanzplanung im Alter gibt es je nach Region sehr unterschiedliche Einschätzungen. So hoffen je knapp ein Viertel der Menschen in Baden-Württemberg und Schleswig Holstein auf eine Erbschaft im Alter. In Mecklenburg-Vorpommern (zehn Prozent) und Berlin (acht Prozent) sind die Erwartungen am geringsten. Im Durchschnitt hoffen 17 Prozent der Bundesbürger auf einen Nachlass.

Deutschlandweit glauben zudem 38 Prozent der Menschen, dass Investitionen in die eigene Immobilie finanzielle Probleme nach sich ziehen könnten. Am stärksten schätzen die Saarländer diese Gefahr ein (50 Prozent), gefolgt von den Bremern (45 Prozent) und Hessen (44 Prozent). In den neuen Bundesländern wird diese Gefahr als weniger wichtig eingeschätzt. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und und Brandenburg glauben jeweils 32 Prozent der Befragten, dass im Alter ihr Eigenheim Kosten nach sich zieht. In Berlin meinen das sogar nur 28 Prozent.

Für die Untersuchung hat Axa deutschlandweit 3296 Erwerbstätige und Ruheständler im Rahmen von Online-Interviews befragt, darunter alle 16 Bundesländer. Die Befragung wurde im Oktober 2015 durchgeführt.

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