Verbraucherschutz Zweifel an der Idee eines Finanz-Tüvs

Milliarden verlieren Anleger jährlich durch Investitionen in zweifelhafte Finanzprodukte. Die Linken fordern jetzt eine zentrale Stelle, die alle Anlageprodukte zulässt. Viele Experten halten nicht viel von der Idee.

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Der Finanzausschuss hat über den Schutz von Verbrauchern diskutiert. Quelle: dpa

Berlin Für die Finanzpolitikerin der Linken, Susanna Karawanskij, sind die Parallelen offensichtlich. „Würde man eine Kopfschmerztablette nehmen, wenn man wüsste, dass das Medikament nicht zugelassen ist?“ Wohl nicht. Ein entsprechendes Korrektiv fehle auf dem Markt für Anlageprodukte. Für Abhilfe soll aus Sicht der Linken ein Finanz-Tüv sorgen, der allein über die Zulassung einer Kapitalanlage entscheiden soll. Zu einem entsprechenden Antrag der Linken fand am Mittwoch eine Anhörung im Bundestagsfinanzausschuss statt. Angesiedelt werden sollte der Tüv bei der Europäischen Behörde für Wertpapieraufsicht (Esma).

Für Verbraucheranwalt Peter Mattil hat die Idee Charme. „Viele Produkte sind für den Privatkunden nicht nur fraglich, sondern auch unverständlich“, so der Anwalt. Eine Aufklärung über Risiken allein sei unzureichend. Nach den Erfahrungen seiner Kanzlei würden 95 Prozent der Kleinanleger und Verbraucher auf ihren Schäden sitzen bleiben, wenn ein Insolvenz- oder Betrugsfall eingetreten sei. Ein präventiver Ansatz ist daher aus seiner Sicht sehr sinnvoll.

Diese Auffassung kann Jochen Kindermann, Finanzaufsichtsrechtler bei der Kanzlei Simmons & Simmons, nicht teilen: „Ich halte die Einführung eines Finanz-Tüvs für abwegig. Eine Risikoeinschätzung für die Allgemeinheit gibt es nicht. Das würde auf eine Bevormundung des Anlegers hinauslaufen.“

Auf einen anderen Aspekt macht die Kreditwirtschaft aufmerksam: „Die Einführung einer Ex-ante-Zulassungspflicht für Finanzprodukte wäre mit hohen Kosten und zusätzlichem bürokratischem Aufwand verbunden“, und deren zusätzlicher Nutzen sei fraglich, so ein Experte. Da wollten die Vertreter der Finanzaufsicht Bafin nicht widersprechen. Sie wiesen darauf hin, dass es in Deutschland 3,2 Millionen Finanzprodukte für private Anleger gebe. Diese zu prüfen wäre aufwendig.

Unabhängig von den Kosten ist die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen, Nicole Maisch, nicht vom Konzept eines Tüvs überzeugt: „Ob ein Produkt Schäden verursacht, lässt sich meist nicht allein vorab und pauschal feststellen. Wichtig sind vor allem systematische und flächendeckende Kontrollen während des Vertriebs.“

Das wäre auch das Instrument, das die Verbraucherschützer bevorzugen würden. „Je nach Gefährlichkeit des Produkts sprechen wir uns für Vertriebsbeschränkungen bis zu einem Verbot aus“, so Lars Gatschke von der Verbraucherzentrale Bundesverband.

Die Verbraucherschutzbeauftragte der Union, Mechthild Heil, weist darauf hin, dass die Bafin davon bereits Gebrauch gemacht habe. Durch die Finanzgesetze Mifid und Mifir würden zudem weitere Anforderungen an die Zulassung und Geeignetheit von Finanzprodukten ab Januar 2018 gestellt. Die Wirkung dieser neuen Anforderungen sollte erst einmal abgewartet werden.

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