„Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ...“ Wir alle kennen derlei Empfehlungen seitens der einschlägigen Online-Plattformen wie Amazon oder Ebay. Die individuelle Kundeninteraktion wird vollautomatisiert mit Big Data-Power verknüpft. Eine Analogie zu den Finanzmärkten liegt nahe, gerade wenn man an das Kauf- beziehungsweise Verkaufsverhalten passiver Investmentvehikel denkt. Aber auch darüber hinaus lässt sich die Daten-Technologie in der Anlagestrategie gezielt nutzen.
Bei einer passiven Anlagestrategie wird regelmäßig ein Index mit dem Ziel nachgebildet, dessen Wertentwicklung möglichst exakt und kostengünstig darzustellen. Die Abwicklung des Geschäfts erfolgt dabei auf computergesteuerter Basis. Hier haben sich die Kräfteverhältnisse innerhalb der Vermögensverwaltung in den letzten Jahren deutlich verschoben. Durch den Kostendruck innerhalb der Branche, befeuert durch das regulatorische Umfeld und das anhaltend niedrige Zinsniveau, scheint die Bedeutung traditionell aktiv verwalteter Anlagevehikel weiter rückläufig zu sein.
Zur Person Tavernaro
Alexander Tavernaro, CFA, ist Senior Portfolio Manager bei Invesco Quantitative Strategies und Mitglied der CFA Society Germany.
Diese sind oft nur eingeschränkt skalierbar und werden daher meist zu höheren Kosten angeboten. Außerdem sehen sich die zugrundeliegenden Anlagestrategien dem Risiko ausgesetzt, dass eine oder mehrere Personen, vor allem die Fondsmanager, nicht mehr zur Verfügung stehen. Um genau dieses Manager-Risiko zu reduzieren, verteilen viele Investoren ihr Vermögen breit über verschiedene Vermögensverwalter. Das Anlageergebnis nähert sich dann häufig wieder dem eines breit gestreuten Index an. Darüber hinaus vermindert sich das Ergebnis noch um die Kosten für das Management. Daraus schlussfolgern Anleger häufig, dass aktive Manager in der Summe ihre Benchmark nicht schlagen können.
Faktorbasierte Strategien: Die dritte Säule als Königsweg zwischen passiv und aktiv?
Als Reaktion darauf haben sich in der Anlagepraxis sogenannte faktorbasierte Anlagestrategien als dritte Säule in der Vermögensverwaltung etabliert. Sie bewegen sich zwischen traditionellen aktiven und passiven Strategien und kombinieren häufig eine systematische Herangehensweise an die Auswahl der Vermögenswerte mit einer Steuerung des Portfoliorisikos.
Während der Zusammenhang von Käufen und Verkäufen im Fall index-replizierender Fonds nachvollziehbar ist, ist es weniger offensichtlich, dass es auch im traditionellen aktiven Fondsmanagement konkrete Zusammenhänge geben kann. Häufig suchen Vermögensverwalter nach bestimmten Charakteristika, die einen Einzeltitel gegenüber einem breiten Index oder gegenüber einem Durchschnitt attraktiver erscheinen lassen. Solche Charakteristika sind zum Beispiel das Trendverhalten, die Größe, die Bewertung, die Schwankungsanfälligkeit, die laufende Ausschüttung oder die Qualität eines Vermögenswerts, die langfristig für dessen Rendite stehen.
Durch eine breite Streuung über verschiedene Assets hinweg reduziert sich das Risiko einer einzelnen Fehleinschätzung. Abweichungen zu einem Standard-Index werden bewusst eingegangen, um durch die gezielte Berücksichtigung der erwähnten Renditefaktoren einen Mehrwert erzielen zu können. Insoweit unterscheiden sich auch computergestützte Modelle nicht von der Herangehensweise traditionell fundamental agierender Vermögensverwalter.
Datenzusammenhänge als Grundlage für Anlageentscheidungen
Die Vernetzung von Daten bietet jedoch noch weit größere Anwendungsmöglichkeiten. So lassen sich beispielsweise Rückschlüsse auf die Geschäftsentwicklung aus Beziehungen zwischen Zulieferern und Abnehmern ziehen. Anhaltspunkte für das Konsumklima liefern Daten von Online-Shopping-Portalen. Informationen aus dem E-Commerce bieten darüber hinaus eine Indikation für den Absatz einzelner Produkte. Sie können sogar mittelbar zur Prognose der Geschäftsentwicklung bei einzelnen Unternehmen herangezogen werden
Mit Hilfe von Big Data Analytics können aber auch Unternehmenskommunikation oder –bilanzen besser untersucht und auf Inkonsistenzen überprüft werden. An dieser Stelle sind die Grenzen zwischen qualitativer und quantitativer Analyse fließend. Man wird weiterhin den Menschen brauchen, der fundamentale und verhaltenstheoretische Zusammenhänge technisch abbilden kann, jedoch erfolgt die Umsetzung der gewonnenen Einschätzungen im Rahmen einer Anlagestrategie größtenteils automatisiert.
Skalierbarkeit trotz Individualisierung
Das eigentliche Zuschneiden auf die anlegerspezifischen Bedürfnisse muss dabei nicht mit einem Verlust an Skalierbarkeit einhergehen. Durch die weitgehende Automatisierung in der Umsetzung der Anlagestrategie können die Parameter individuell gesetzt und bei Bedarf angepasst werden. In diesem Rahmen wird das Portfolio automatisiert gesteuert, was in der Folge zu einem konsistenteren Rendite-/Risikoprofil und einer geringeren Kostenbelastung im Vergleich zu traditionell aktiv gemanagten Anlagestrategien führen dürfte.
Durch die steigende Bedeutung des faktorbasierten Anlegens erhöht sich allerdings das Risiko, dass einzelne Faktoren aufgrund ihrer gestiegenen Popularität an Aussagekraft verlieren. Das Entwickeln und Verfeinern von Faktoren sollte also im Vordergrund stehen. Unterschiede zu standardisierten Verfahren und eine Differenzierung im faktorbasierten Segment sollten sich unter anderem durch den Einsatz neuer Datenquellen ergeben.
Die Zukunft liegt also in einer zumindest teilweisen Überführung traditionell aktiv gemanagter Strategien in eine stärker technologisch geprägte Umgebung. Dies dürfte dem Vermögensverwalter einige Anpassungsfähigkeit abverlangen. Angesichts des Kosten- und Wettbewerbsdrucks in der Branche bleibt Anbietern aber mittelfristig vermutlich keine andere Wahl.