Verkehrte (Finanz-)Welt
Big Data: Datenzusammenhänge können die Grundlage für Anlageentscheidungen sein. Quelle: gms

Wie Big Data die Anlagewelt durchschüttelt

Große Datensätze lassen sich auch in der Geldanlage gezielt nutzen. Wie aktive Fondsmanager von der Datenanalyse profitieren und gegenüber passiven Strategien punkten.

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„Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ...“ Wir alle kennen derlei Empfehlungen seitens der einschlägigen Online-Plattformen wie Amazon oder Ebay. Die individuelle Kundeninteraktion wird vollautomatisiert mit Big Data-Power verknüpft. Eine Analogie zu den Finanzmärkten liegt nahe, gerade wenn man an das Kauf- beziehungsweise Verkaufsverhalten passiver Investmentvehikel denkt. Aber auch darüber hinaus lässt sich die Daten-Technologie in der Anlagestrategie gezielt nutzen.

Bei einer passiven Anlagestrategie wird regelmäßig ein Index mit dem Ziel nachgebildet, dessen Wertentwicklung möglichst exakt und kostengünstig darzustellen. Die Abwicklung des Geschäfts erfolgt dabei auf computergesteuerter Basis. Hier haben sich die Kräfteverhältnisse innerhalb der Vermögensverwaltung in den letzten Jahren deutlich verschoben. Durch den Kostendruck innerhalb der Branche, befeuert durch das regulatorische Umfeld und das anhaltend niedrige Zinsniveau, scheint die Bedeutung traditionell aktiv verwalteter Anlagevehikel weiter rückläufig zu sein.

Zur Person Tavernaro

Diese sind oft nur eingeschränkt skalierbar und werden daher meist zu höheren Kosten angeboten. Außerdem sehen sich die zugrundeliegenden Anlagestrategien dem Risiko ausgesetzt, dass eine oder mehrere Personen, vor allem die Fondsmanager, nicht mehr zur Verfügung stehen. Um genau dieses Manager-Risiko zu reduzieren, verteilen viele Investoren ihr Vermögen breit über verschiedene Vermögensverwalter. Das Anlageergebnis nähert sich dann häufig wieder dem eines breit gestreuten Index an. Darüber hinaus vermindert sich das Ergebnis noch um die Kosten für das Management. Daraus schlussfolgern Anleger häufig, dass aktive Manager in der Summe ihre Benchmark nicht schlagen können.

Faktorbasierte Strategien: Die dritte Säule als Königsweg zwischen passiv und aktiv?

Als Reaktion darauf haben sich in der Anlagepraxis sogenannte faktorbasierte Anlagestrategien als dritte Säule in der Vermögensverwaltung etabliert. Sie bewegen sich zwischen traditionellen aktiven und passiven Strategien und kombinieren häufig eine systematische Herangehensweise an die Auswahl der Vermögenswerte mit einer Steuerung des Portfoliorisikos.

Alexander Tavernaro, CFA, ist Senior Portfolio Manager bei Invesco Quantitative Strategies und Mitglied der CFA Society Germany. 

Während der Zusammenhang von Käufen und Verkäufen im Fall index-replizierender Fonds nachvollziehbar ist, ist es weniger offensichtlich, dass es auch im traditionellen aktiven Fondsmanagement konkrete Zusammenhänge geben kann. Häufig suchen Vermögensverwalter nach bestimmten Charakteristika, die einen Einzeltitel gegenüber einem breiten Index oder gegenüber einem Durchschnitt attraktiver erscheinen lassen. Solche Charakteristika sind zum Beispiel das Trendverhalten, die Größe, die Bewertung, die Schwankungsanfälligkeit, die laufende Ausschüttung oder die Qualität eines Vermögenswerts, die langfristig für dessen Rendite stehen.

Durch eine breite Streuung über verschiedene Assets hinweg reduziert sich das Risiko einer einzelnen Fehleinschätzung. Abweichungen zu einem Standard-Index werden bewusst eingegangen, um durch die gezielte Berücksichtigung der erwähnten Renditefaktoren einen Mehrwert erzielen zu können. Insoweit unterscheiden sich auch computergestützte Modelle nicht von der Herangehensweise traditionell fundamental agierender Vermögensverwalter.

Datenzusammenhänge als Grundlage für Anlageentscheidungen

Die Vernetzung von Daten bietet jedoch noch weit größere Anwendungsmöglichkeiten. So lassen sich beispielsweise Rückschlüsse auf die Geschäftsentwicklung aus Beziehungen zwischen Zulieferern und Abnehmern ziehen. Anhaltspunkte für das Konsumklima liefern Daten von Online-Shopping-Portalen. Informationen aus dem E-Commerce bieten darüber hinaus eine Indikation für den Absatz einzelner Produkte. Sie können sogar mittelbar zur Prognose der Geschäftsentwicklung bei einzelnen Unternehmen herangezogen werden

Welche Potenziale und Herausforderungen Big Data birgt
Big Data optimiert die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Produktideen und Dienstleistungen Quelle: Fotolia
Big Data schafft Abhilfe bei noch nicht ausreichenden datenbasierten Analysemethoden Quelle: Fotolia
Big Data verbessert die Steuerung operativer Prozesse und optimiert strategische Entscheidungen Quelle: Fotolia
Die größte Herausforderungen liegen im Datenschutz und in der Datensicherheit Quelle: dpa
Das größte Potential liegt in der Mobilität und Industrie Quelle: dpa
Die größten Herausforderungen liegen im Gesundheitsbereich Quelle: dpa/dpaweb
Big-Data-Investitionen fließen vor allem in die Aus- und Weiterbildung des Personals Quelle: dpa/dpaweb

Mit Hilfe von Big Data Analytics können aber auch Unternehmenskommunikation oder –bilanzen besser untersucht und auf Inkonsistenzen überprüft werden. An dieser Stelle sind die Grenzen zwischen qualitativer und quantitativer Analyse fließend. Man wird weiterhin den Menschen brauchen, der fundamentale und verhaltenstheoretische Zusammenhänge technisch abbilden kann, jedoch erfolgt die Umsetzung der gewonnenen Einschätzungen im Rahmen einer Anlagestrategie größtenteils automatisiert.

Skalierbarkeit trotz Individualisierung

Das eigentliche Zuschneiden auf die anlegerspezifischen Bedürfnisse muss dabei nicht mit einem Verlust an Skalierbarkeit einhergehen. Durch die weitgehende Automatisierung in der Umsetzung der Anlagestrategie können die Parameter individuell gesetzt und bei Bedarf angepasst werden. In diesem Rahmen wird das Portfolio automatisiert gesteuert, was in der Folge zu einem konsistenteren Rendite-/Risikoprofil und einer geringeren Kostenbelastung im Vergleich zu traditionell aktiv gemanagten Anlagestrategien führen dürfte.

Wie Big Data Ihr Leben verändert
Dicht an dicht: Wenn die Autos auf der Straße stehen, lässt sich das mit moderner Technologie leicht nachvollziehen. Zum einen gibt es Sensoren am Straßenrand, zum anderen liefern die Autos und die Smartphones der Insassen inzwischen Informationen über den Verkehrsfluss. Diese Daten lassen sich in Echtzeit auswerten und mit Erfahrungswerten abgleichen – so wird klar, wo gerade ungewöhnlich viel los ist und beispielsweise eine Umleitung Sinn ergeben würde. Ein Pilotprojekt dazu lief in der Rhein-Main-Region, allerdings nur mit rund 120 Autos. Langfristig ist sogar das vollautomatische Autofahren denkbar – der Computer übernimmt das Steuer. Eines ist aber klar: Alle Big-Data-Technologien helfen nichts, wenn zu viele Autos auf zu kleinen Straßen unterwegs sind. Quelle: dpa
Fundgrube für Forscher: Google Books ist nicht nur eine riesige digitale Bibliothek. Die abertausenden eingescannten Texte lassen sich auch bestens analysieren. So kann nachvollzogen werden, welche Namen und Begriffe in welchen Epochen besonders häufig verwendet wurden – ein Einblick in die Denkweise der Menschen. Der Internet-Konzern nutzt den Fundus außerdem, um seinen Übersetzungsdienst Translate zu verbessern. Quelle: dpa Picture-Alliance
Schnupfen, Kopfschmerz, Müdigkeit: Das sind die typischen Symptome der Grippe. Aber wann erreicht die Krankheit eine Region? Bislang konnte man das erst feststellen, wenn es zu spät war. Der Internet-Riese Google hat ein Werkzeug entwickelt, mit dem sich Grippewellen voraussagen lassen: Flu Trends. Bei der Entwicklung hielten die Datenspezialisten nicht nach bestimmten Suchbegriffen Ausschau, sondern nach Korrelationen. Wonach also suchten die Menschen in einer Region, in der sich das Virus ausbreitete? Sie filterten 45 Begriffe heraus, die auf eine unmittelbar anrollende Grippewelle hindeuten – ohne dass irgendein Arzt Proben sammeln müsste. Quelle: dpa Picture-Alliance
Aufwärts oder abwärts? Die Millionen von Kurznachrichten, die jeden Tag über Twitter in die Welt gezwitschert werden, können Aufschluss über die Entwicklung der Börsen geben. Denn aus den 140 Zeichen kurzen Texten lassen sich Stimmungen ablesen – das hat ein Experiment des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) gezeigt. Je intensiver die Emotionen, desto stärker die Ausschläge. Marktreife Investitionsmodelle, die auf Tweets setzen, gibt es indes noch nicht. Quelle: dpa
Lotterie am Himmel: Die Preise von Flugtickets lassen sich für Laien kaum nachvollziehen. Auch eine frühe Buchung garantiert kein günstiges Ticket, weil die Fluggesellschaften ständig an der Schraube drehen. Das wollte sich der Informatiker Oren Etzioni nicht gefallen lassen: Er sammelte mit seiner Firma Farecast Millionen von Preisdaten, um künftige Preisbewegungen zu prognostizieren. 2008 kaufte Microsoft das Start-up, die Funktion ist jetzt in die Suchmaschine Bing integriert. Quelle: dpa Picture-Alliance
Jeder Meter kostet Zeit und Geld. Daher wollen Logistikunternehmen ihre Fahrer auf kürzestem Wege zum Kunden lotsen. Der weltgrößte Lieferdienst UPS führt dafür in einem neuen Navigationssystem Daten von Kunden, Fahrern und Transportern zusammen. „Wir nutzen Big Data, um schlauer zu fahren“, sagte der IT-Chef David Barnes der Nachrichtenagentur Bloomberg. Im Hintergrund läuft ein komplexes mathematisches Modell, das auch die von den Kunden gewünschten Lieferzeiten berücksichtigt. Quelle: dpa Picture-Alliance
Es waren nicht nur gute Wünsche, die US-Präsident Barack Obama 2012 zur Wiederwahl verhalfen: Das Wahlkampf-Team des Demokraten wertete Informationen über die Wähler aus, um gerade Unentschlossene zu überzeugen. Dabei griffen die Helfer auch auf Daten aus Registern und Sozialen Netzwerke zurück. So ließen sich die Bürger gezielt ansprechen. Quelle: dpa

Durch die steigende Bedeutung des faktorbasierten Anlegens erhöht sich allerdings das Risiko, dass einzelne Faktoren aufgrund ihrer gestiegenen Popularität an Aussagekraft verlieren. Das Entwickeln und Verfeinern von Faktoren sollte also im Vordergrund stehen. Unterschiede zu standardisierten Verfahren und eine Differenzierung im faktorbasierten Segment sollten sich unter anderem durch den Einsatz neuer Datenquellen ergeben.

Die Zukunft liegt also in einer zumindest teilweisen Überführung traditionell aktiv gemanagter Strategien in eine stärker technologisch geprägte Umgebung. Dies dürfte dem Vermögensverwalter einige Anpassungsfähigkeit abverlangen. Angesichts des Kosten- und Wettbewerbsdrucks in der Branche bleibt Anbietern aber mittelfristig vermutlich keine andere Wahl.

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