Verschleierte Anlagedepots Zweifelhafte Geschäfte mit Lebensversicherungen

Die Razzia bei der Commerzbank rüttelt an einem populären Steuersparmodell. Nach Insiderberichten ist die Finanzbranche alarmiert. Das Geschäft mit den Versicherungsmänteln könnte erneut einbrechen.

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So können Sie Ihre Lebensversicherung verkaufen
Viele KündigungenLebensversicherungen waren eines der Lieblingsprodukte des deutschen Sparers. Mittlerweile hat sich das allerdings aufgrund der niedrigen Zinsen geändert. Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland Lebensversicherungen im Wert von 14,4 Milliarden Euro gekündigt. Lohnt sich das? Quelle: dpa
Oft ein VerlustgeschäftLeider zahlt der Sparer bei einer Kündigung oft drauf. In der Regel bekommen Versicherte deutlich weniger, als sie an Beiträgen eingezahlt haben. Vor allem die hohen Kosten der Versicherungen für Vertrieb und Verwaltung schlucken einen Großteil der Beiträge. Hinzu kommen die Stornogebühren, die bei einer Kündigung fällig werden. Können die hohen Verluste vermieden werden? Quelle: dpa
Verkauf am ZweitmarktAuch für gebrauchte Lebensversicherungen gibt es einen Markt, den sogenannten Zweitmarkt für die Policen. Bei diesen speziellen Aufkäufern liegt der angebotene Kaufpreis in der Regel über dem Betrag, den Versicherer zahlen würden. Im Einzelfall können Verkäufer mit bis zu 15 Prozent mehr rechnen. Quelle: dpa
Kann jeder am Zweitmarkt verkaufen?Nein, nicht jede Police kommt für den Verkauf infrage, denn die Aufkäufer stellen Bedingungen. Ausgeschlossen sind in der Regel Riester- oder Rürup-Verträge, auch betriebliche Lebensversicherungen wird man am Zweitmarkt nicht los. Gute Chancen hat dagegen jemand, der seine Police schon eine Weile besitzt, so dass die Provisionen bereits finanziert sind. Quelle: dpa
Wer sind die Aufkäufer?Marktführer ist nach eigenen Angaben das Frankfurter Unternehmen Policen-Direkt. 2012 hat Policen-Direkt insgesamt Policen im Wert von rund 123 Millionen Euro aufgekauft. Auch die Zweitmarktsparte der zerschlagenen WestLB gehört mittlerweile zu den Frankfurtern. Pionier am Markt war ursprünglich Cash.Life, ein Anbieter aus Pullach. Mittlerweile hat das Unternehmen den regulierten Markt allerdings verlassen und ist in den weitgehend unregulierten Freiverkehr der Börse Hannover gegangen.  Quelle: dpa
Wovon hängt der Preis ab?Neben dem Rückkaufswert, den Versicherer bei einer Kündigung zahlen, hängt der Preis am Zweitmarkt von verschiedenen Kriterien ab. Etwa von der Assekuranz, bei der die Police abgeschlossen wurde. Für Policen von leistungsstarken Versicherern gibt es daher mehr Geld als für solche von leistungsschwachen Assekuranzen. Auch Zusätze, wie beispielsweise eine unkündbare Berufsunfähigkeitspolice, mindern den Preis. Außerdem gilt: Je höher der Beitrag ist, der in die Risikovorsorge fließt, desto weniger Geld bekommt der Verkäufer am Ende. Quelle: dpa
Wird auf dem Zweitmarkt viel verkauft?Im Moment kaufen die Ankäufer vergleichsweise wenig. Auch die genannten Einschränkungen führen dazu, dass relativ wenig Policen verkauft werden. Auch der Niedrigzins sorgt dafür, dass zumindest langjährige Lebensversicherungssparer ihre Police nicht verkaufen wollen. Quelle: dpa

Die Steuerfahnder gingen diskret vor, als sie diese Woche die Zentrale und Geschäftsräume von Deutschlands zweitgrößter Bank durchsuchten. Staatsanwaltschaft und Fiskus wollen bei ihren Ermittlungen vermeiden, die Commerzbank und deren Mitarbeiter als vermeintliche Täter vorzuführen, denn das Kreditinstitut ist derzeit nur Zeuge bei Ermittlungen zu mutmaßlicher Steuerhinterziehung mit als Lebensversicherungen getarnten Geldanlagen. Im Fokus der Ermittler steht der italienische Versicherungskonzern Generali, mit dem die Commerzbank bis 2010 kooperiert hatte.

Dennoch scheucht der Vorfall gerade die gesamte Branche auf. Sollten die Behörden bei ihren Untersuchungen eine tiefere Verstrickung der Commerzbank aufdecken, könnte sie vom Zeugen zum Mit-Verdächtigten werden. Der Vorwurf: Mitarbeiter des Versicherers Generali sollen Kunden ermöglicht haben, unberechtigt in den Genuss von Steuerprivilegien für Lebensversicherungen zu gelangen. Modelle dieser und ähnlicher Machart erfreuen sich bei deutschen Anlegern großer Beliebtheit, allerdings ist Vorsicht geboten, denn die von der Finanzbranche gestrickten Steuersparprodukte können den Kunden schnell schmerzhaft auf die Füße fallen.

Im Fall Generali-Commerzbank dürfte es für Selbstanzeigen in der Regel zu spät sein, weil die betroffenen Kunden jetzt damit rechnen müssen, aufzufliegen. „Die Ermittlungsbehörden unterstellen dies bereits bei konkreten Presseberichten unter Nennung der Bank und des Versicherers“, sagt Marcus Hornig, Steuerberater bei der Düsseldorfer Steuerberatungsgesellschaft WTS. Der Experte für Selbstanzeigen folgt der strengen Auslegung der Finanzverwaltung allerdings nicht. „Aus meiner Sicht ist eine Selbstanzeige noch möglich, weil aktuell wahrscheinlich noch kein Abgleich mit den Steuerakten der verdächtigten Kunden durchgeführt worden ist“, sagt Hornig. Außerdem sei eine Lebensversicherung normalerweise kein Verschleierungsinstrument wie von der Finanzverwaltung unterstellt.

Versicherungsvermittler und Makler sowie Vermögensmanager sind alarmiert: Einer schrieb am Donnerstag an seine Kunden:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
aktuell wird über die Medien das Thema Steuerhinterziehung und Schwarzgeld durch ausländische Lebensversicherungen in Verbindung mit der Commerzbank und eine Tochtergesellschaft der Generali publiziert (…). Dabei soll es sich in den Jahren 2003 bis 2008 um die Ummantelung von Wertpapierdepots und anderen Vermögensgegenständen, und wie man liest oft um Schwarzgeld handeln.
Zudem wird in dieser Gemengelage, insbesondere von "fachkundigen" Journalisten einiges durcheinander geworfen.
Aufgrund einiger Anrufe besorgter Kunden und Partner möchten wir Ihnen hierzu folgendes mitteilen:“

Danach folgt der vage Hinweis, alles, was man selber verkauft habe, sei selbstverständlich vollkommen legal.

Dossier Lebensversicherer


„Das Thema ist in der Branche ein ganz heißes Eisen“, sagt der ehemalige Mitarbeiter einer Privatbank, der bis vor kurzem für das Produkt „Vermögensverwaltung im LV-Mantel“ zuständig war und nach eigenen Angaben „zwischen 2004 und 2009 mehrere Hundert Versicherungsmakler darin geschult“ hat.

Besonders beliebt waren die so genannten LV-Mäntel unter wohlhabenden Anlegern kurz vor der Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 und vor der Änderung der Besteuerung von Lebensversicherungen, also vor 2005. Davor konnten Lebensversicherungen unter Umständen steuerfrei ausgezahlt werden; ab 2005 mussten die Auszahlungen vom Versicherten mit dem halben persönlichen Einkommensteuersatz versteuert werden.
Besonders 2004 habe es daher wegen der anstehenden Steuererhöhungen auf Lebensversicherungen einen regelrechten Run auf die Produkte gegen, so der Mann.

Steuersparvehikel für Reiche

Steuerhinterziehung: Vom Kavaliersdelikt zum Verbrechen
Die schweizer Flagge vor einer Bank Quelle: dpa
Ein Bild vom 11. September 2001 Quelle: REUTERS
Hans Eichel Quelle: REUTERS
Schweizer Käse Quelle: AP
Klaus Zumwinkel Quelle: dpa
Das Logo der UBS Quelle: dapd
Schweizer Fahne auf einer CD Quelle: dpa

Banken und Vermögensverwalter, aber auch Versicherungsmakler und die Assekuranzen selbst tourten bis 2009 durch Deutschland und bewarben die LV-Mäntel auf Roadshows als legale Art, dem Fiskus ein Schnippchen zu schlagen. Das Konzept ist einfach: Erträge aus Lebensversicherungen sind auch nach Einführung der Abgeltungssteuer weiterhin steuerbegünstigt. So muss während der Laufzeit keine Abgeltungssteuer auf Zinsen oder Dividenden oder Kursgewinne bezahlt werden. Wird die Versicherung nach mehr als zwölf Jahren ausbezahlt, muss der Zugewinn zwar versteuert werden, doch durch das Ausnutzen des vollen Zinseszinseffekts während der Laufzeit ergeben sich Renditevorteile gegenüber einem gleich aufgestellten Wertpapierdepot, dessen Erträge laufend mit 25 Prozent verteuert werden müssten. Der Mehrertrag liegt laut Berechnungen der Wirtschaftswoche aus dem Jahr 2008 bei bis zu 20 Prozent in 15 Jahren.

Geködert wurden nur wohlhabende Kunden. Meist lag die Untergrenze bei einer halben Million. Der Versicherungsmantel lohnte sich nicht für jeden. Aber für viele. Faustregel: Je mehr Geld man einzahlte, und je länger es nicht aus dem LV-Mantel herausgeholt wurde, desto eher rechnete es sich.

Auch nach der Umstellung der Steuern waren Lebensversicherungen zudem steuerlich etwas besser gestellt als normale Anlagedepots: wurde die Spekulationsfrist von zwölf Jahren eingehalten und – so das Gesetz - das Geld „altersnah“ entnommen (nach einer weiteren Verschärfung bedeutet dies heute im Klartext: frühestens mit 62 Jahren), mussten sie nur noch nach dem so genannten Halbeinkünfteverfahren (Hälfte des persönlichen Einkommenssteuersatzes) versteuert werden; selbst Spitzenverdiener stellten sich so besser als normale Anleger, die die volle Abgeltungsteuer bezahlten.

Das Konzept der LV-Mäntel zog: So verwaltete ein Versicherungskonzern 2005 erst rund 140 Millionen Euro in den LV-Mänteln; 2009 waren es bereits knapp neun Milliarden Euro. Swiss Life verwaltete nach eigenen Angaben Mitte 2009 fast sieben Milliarden Euro von Anlegern aus ganz Europa über Liechtensteiner LV-Mäntel. Auch Konkurrenten wie Bâloise und Swisspartners boten die Produkte an.

Der Fiskus erkannte, dass er reingelegt werden sollte: „In vielen Fällen einer individuellen Vermögensverwaltung tritt der Vorsorgecharakter einer Lebensversicherung so weit hinter den Zweck der Kapitalanlage zurück, dass eine privilegierte Besteuerung nicht weiter angemessen ist“, heiß es im Antrag des Bundesrates von 2008 auf eine „Lex Liechtenstein“, die dem Treiben ein Ende bereiten sollte. So kam es dann auch: 2009 verschärfte der Gesetzgeber die Regeln für die Vermögensverwaltung im LV-Mantel massiv. Im BMF-Schreiben vom 1.10.2009 wurde klipp und klar geregelt, wie ein Lebensversicherungsvertrag gestaltet sein muss, damit die Finanzbehörden einen solchen Vertrag weiterhin als Versicherung anerkennen. So durften ab 2009 die Anleger offiziell keinen Einfluss mehr auf die Anlagepolitik ihrer Versicherungsmäntel nehmen. Auch mussten die LVs mindestens zehn Prozent ihres Zeitwertes stets als Todesfallschutz zurückhalten.

Daraufhin seit das Geschäft mit den „Vermögen im Mäntelchen eingebrochen“, so der Insider. „Wir haben nach der Verschärfung keinen einzigen Vertrag mehr dafür geschrieben“, sagt er. „Danach konnte man in Deutschland auf legale Weise eigentlich nur noch „stinknormale fondsgebundene Lebensversicherungen verkaufen; die sind schon wegen der hohen prozentualen Gebühren für reiche Vermögensverwaltungskunden vollkommen uninteressant; die Rechnung ging danach in fast allen Fällen nicht mehr auf“, erklärt der Ex-Banker.

Denn die Vermögensverwaltungskunden hatten mit den LV-Mänteln meist ganz anderes im Sinn: Sie wollten ihre individuelle Vermögensverwaltung weiter haben – nur im steuerlich privilegierten Versicherungsmantel.

Geldwäscheverdacht und Störfeuer für Neugeschäft

Besonders die Swiss Life-Tochter Capital Leben aus Schwaaz in Liechtenstein machte vor 2009 ein Riesengeschäft mit den LV-Mänteln, denn die Liechtensteiner Gesetze waren besonders anlegerfreundlich. So konnten wohlhabende Anleger einfach ihre Wertpapierdepots in einen LV-Mantel wickeln und so vor dem regelmäßigen Zugriff des Fiskus schützen. In den Deckungsstock der Liechtensteiner LV konnte, anders als etwa in der Schweiz, so gut wie alles eingezahlt werden: Bestehende Konten und neues Geld, Aktien, Anleihen, Zertifikate und Fonds, selbst so genannte „steuerlich intransparente“. War das Vermögen erst im LV-Mantel verschwunden, war es dank großzügigem Liechtensteiner Recht sogar im Konkursfall der eigenen Firma oder einer Privatinsolvenz geschützt. „Wenn sie das hörten, bekamen unsere Handwerksmeister, Bauträger und Zahnärzte immer ganz rote Bäckchen in den Seminaren, die wir 2008 in ganz Süddeutschland abhielten“, erinnert sich ein Vermögensverwalter.

Später erwies sich dieses Versprechen allerdings als unhaltbar. Deutsche Gerichte erkennen den Liechtensteiner Konkursschutz-Passus im Versicherungsrecht des Kleinstaates nicht an.
2012 wurden die LV-Tricksereien zudem rund 4000 Kunden der Crédit Suisse zum Verhängnis, die über einen LV-Mantel mit Sitz auf den Bermudas weiterhin selbst bestimmen konnten, wie ihr Geld angelegt werden sollte. Das war ein klarer Verstoß gegen die verschärften Regeln. Die LVs der CS-Kunden mussten aufgelöst und das darin enthaltene Vermögen rückwirkend versteuert werden.

Nicht alles Geld im Mantel war weiß

„Eine ganz andere Frage ist natürlich, woher das Geld ursprünglich stammt, das in den Mantel gepackt werden soll“, so der Ex-Banker.

Wer sein Schwarzgeld in einen Lebensversicherungsmantel einzahlt, konnte laut Banken- und Vermittlerwerbung darauf vertrauen, dass seine Vergehen nach 12 Jahren Geldvermehrung in dessen Schutz verjährt seien, weil während der Laufzeit keine steuerpflichtigen Erträge anfallen. Hätte der Steuerhinterzieher dagegen seine Pfründe aktiv verwaltetet und Dividenden oder Zinsen auf das Schwarzgeld weiterhin nicht versteuert, so hätte er ständig neue Tatbestände geschaffen. So konnte im LV-Mantel auch noch prima Schwarzgeld weißgewaschen werden.

Noch 2010 sollen Schweizer Versicherungskonzerne Strategien entwickelt haben, um hohe Kundenvermögen anonym und steuerfrei anzulegen. "Der Trick war der alte Umweg über Liechtenstein; dort fallen im Gegensatz zur Schweiz keine Verrechnungssteuern an“, sagt ein ehemaliger Kundenberater aus Zürich. Sogar zum Verschleiern bestimmter strategischer Investoren-Interessen hätten sich die Mäntel geeignet, so der ehemalige Makler-Ausbilder.

2006 und 2007 überschritt ein LV-Mantel zweimal für kurze Zeit eine Meldeschwelle beim Aktienanteil an einem MDax-Wert.

Störfeuer durch Commerzbank und Generali

Nun ärgert sich der Vermittler über die Commerzbank und Generali. Denn gerade habe sich das Geschäft mit den LV-Mänteln wieder erholt, nachdem das Kundeninteresse 2009 schlagartig nachgelassen hatte, so ein Vermögensverwalter.

Und zwar auf ganz legale Art und Weise, so der Mann: „Gut verkauft haben wir in den letzten Monaten eine Sonderform der LV-Mäntel, so genannte Fixed-Term-Verträge“. Dabei bestimmt zum Beispiel ein Erblasser, wann die Erben an das Geld kommen sollen, zur Not auch erst Jahre nach seinem Ableben. Das sein "ein prima Produkt zur Nachlassregelung“ gewesen und habe auch, ganz legal, „Vorteile bei der Erbschafts- oder Schenkungssteuer“, ärgert sich der Mann, der das Geschäft seit dem Commerzbank-Fall einbrechen sieht. .„Nun werfen Medien und Kunden wieder alles in denselben Topf und rennen weg. Dieses mediale Störfeuer ist dabei ganz und gar nicht hilfreich“, sagt er.

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