Die Steuerfahnder gingen diskret vor, als sie diese Woche die Zentrale und Geschäftsräume von Deutschlands zweitgrößter Bank durchsuchten. Staatsanwaltschaft und Fiskus wollen bei ihren Ermittlungen vermeiden, die Commerzbank und deren Mitarbeiter als vermeintliche Täter vorzuführen, denn das Kreditinstitut ist derzeit nur Zeuge bei Ermittlungen zu mutmaßlicher Steuerhinterziehung mit als Lebensversicherungen getarnten Geldanlagen. Im Fokus der Ermittler steht der italienische Versicherungskonzern Generali, mit dem die Commerzbank bis 2010 kooperiert hatte.
Dennoch scheucht der Vorfall gerade die gesamte Branche auf. Sollten die Behörden bei ihren Untersuchungen eine tiefere Verstrickung der Commerzbank aufdecken, könnte sie vom Zeugen zum Mit-Verdächtigten werden. Der Vorwurf: Mitarbeiter des Versicherers Generali sollen Kunden ermöglicht haben, unberechtigt in den Genuss von Steuerprivilegien für Lebensversicherungen zu gelangen. Modelle dieser und ähnlicher Machart erfreuen sich bei deutschen Anlegern großer Beliebtheit, allerdings ist Vorsicht geboten, denn die von der Finanzbranche gestrickten Steuersparprodukte können den Kunden schnell schmerzhaft auf die Füße fallen.
Im Fall Generali-Commerzbank dürfte es für Selbstanzeigen in der Regel zu spät sein, weil die betroffenen Kunden jetzt damit rechnen müssen, aufzufliegen. „Die Ermittlungsbehörden unterstellen dies bereits bei konkreten Presseberichten unter Nennung der Bank und des Versicherers“, sagt Marcus Hornig, Steuerberater bei der Düsseldorfer Steuerberatungsgesellschaft WTS. Der Experte für Selbstanzeigen folgt der strengen Auslegung der Finanzverwaltung allerdings nicht. „Aus meiner Sicht ist eine Selbstanzeige noch möglich, weil aktuell wahrscheinlich noch kein Abgleich mit den Steuerakten der verdächtigten Kunden durchgeführt worden ist“, sagt Hornig. Außerdem sei eine Lebensversicherung normalerweise kein Verschleierungsinstrument wie von der Finanzverwaltung unterstellt.
Versicherungsvermittler und Makler sowie Vermögensmanager sind alarmiert: Einer schrieb am Donnerstag an seine Kunden:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
aktuell wird über die Medien das Thema Steuerhinterziehung und Schwarzgeld durch ausländische Lebensversicherungen in Verbindung mit der Commerzbank und eine Tochtergesellschaft der Generali publiziert (…). Dabei soll es sich in den Jahren 2003 bis 2008 um die Ummantelung von Wertpapierdepots und anderen Vermögensgegenständen, und wie man liest oft um Schwarzgeld handeln.
Zudem wird in dieser Gemengelage, insbesondere von "fachkundigen" Journalisten einiges durcheinander geworfen.
Aufgrund einiger Anrufe besorgter Kunden und Partner möchten wir Ihnen hierzu folgendes mitteilen:“
Danach folgt der vage Hinweis, alles, was man selber verkauft habe, sei selbstverständlich vollkommen legal.
„Das Thema ist in der Branche ein ganz heißes Eisen“, sagt der ehemalige Mitarbeiter einer Privatbank, der bis vor kurzem für das Produkt „Vermögensverwaltung im LV-Mantel“ zuständig war und nach eigenen Angaben „zwischen 2004 und 2009 mehrere Hundert Versicherungsmakler darin geschult“ hat.
Besonders beliebt waren die so genannten LV-Mäntel unter wohlhabenden Anlegern kurz vor der Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 und vor der Änderung der Besteuerung von Lebensversicherungen, also vor 2005. Davor konnten Lebensversicherungen unter Umständen steuerfrei ausgezahlt werden; ab 2005 mussten die Auszahlungen vom Versicherten mit dem halben persönlichen Einkommensteuersatz versteuert werden.
Besonders 2004 habe es daher wegen der anstehenden Steuererhöhungen auf Lebensversicherungen einen regelrechten Run auf die Produkte gegen, so der Mann.