Versicherer Alte Leipziger – neue Ideen

Der mittelständische Versicherer will sich mit neuen Produkten und Ideen auf veränderte Marktbedingungen in der Branche vorbereiten. Das laufende Jahr ist für das Unternehmen besonders spannend – aus zwei Gründen.

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Das Geschäft hängt bei vielen Versicherern zu einem Großteil von Bereichen ab, die es in der bisherigen Form beim Kunden immer schwerer haben. Quelle: imago/STPP

Der Titel lässt erahnen, was auf die Branche zukommt. „2017: Das Jahr, um Strategien neu zu bewerten“, schrieb Andreas Freiling, Chef der Versicherungssparte beim Beratungsriesen EY, über seinen Ausblick für Europas Assekuranzen. „2017 sollten Versicherer bereits an 2020 denken und sich auf veränderte Marktbedingungen vorbereiten“, schreibt er da.

Das gilt besonders, wenn das Geschäft zu einem Großteil von Bereichen abhängt, die es in der bisherigen Form beim Kunden immer schwerer haben. Die klassische Lebensversicherung gehört beispielsweise dazu, aber auch die private Krankenversicherung.

Beim Konzern Alte Leipziger-Hallesche in Oberursel bei Frankfurt scheinen sie sich dessen schon länger bewusst zu sein. Jedenfalls lief das vergangene Jahr dort weitgehend stabil. Auch wenn 3,5 Milliarden der insgesamt 4,4 Milliarden Euro aus Beitragseinnahmen und Mittelzuflüssen aus diesen beiden Bereichen stammten, blieb die Gesamtsumme so stabil wie im Jahr 2015.

„Das Neugeschäft bei Lebensversicherungen wird sogar leicht über dem Rekord-Neugeschäft für 2015 liegen“, sagte dabei Vorstandschef Walter Botermann. Während die Branche im vergangenen Jahr mit leichten Rückgängen zu kämpfen hatte, stiegen bei der Alten Leipziger die Beitragseinnahmen sogar um 0,7 Prozent. Auch das Neugeschäft dürfte leicht über den 912 Millionen Euro vom Vorjahr liegen, kündigte er an.

Noch spannender dürfte indes das Jahr 2017 werden. Und das gleich aus zwei Gründen. Seit gut drei Wochen ist das neue Lebensversicherungsprodukt am Markt, die sogenannte AL-Rente Flex. Das bisherige Klassik-Produkt mit der festen Garantieverzinsung ist für Privatkunden seither eingestellt.

Damit geht die Alte Leipziger den Weg, den viele Wettbewerber bereits beschritten haben. Und doch auch etwas anders. Mit dem neuen Produkt will der Konzern den Spagat zwischen der momentan angesagten fondsgebundenen Variante und der klassischen Rentenversicherung schaffen.

Letztlich entscheidet der Kunde dann, wieviel Risiko er bereit ist auszuhalten. Die Bandbreite geht von der ganz klassischen Anlage in das Sicherungsvermögen der Alten Leipziger bis hin zur kompletten Fondsanlage in Aktien. Ein Mix ist ebenso möglich wie die monatliche Anpassung zu mehr oder weniger Risiko.

Durch diese Flexibilität soll zudem verhindert werden, dass der Kunde wegen veränderter Lebensumstände vorzeitig aussteigt. Für Jochen Ruß, Professor am Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften in Ulm, ist eine Beschränkung auf wirklich benötigte Garantien heute wichtiger denn je.

„Je niedriger die Zinsen, desto teurer sind Garantien“, bringt er die aktuelle Lage auf den Punkt. Art und Höhe sollten deshalb auf die Garantien beschränkt werden, die der Kunde wirklich braucht.

Für die Alte Leipziger ist das neue Produkt zum einen der große Schritt in die veränderte Wirklichkeit der Lebensversicherung in Zeiten der Nullzinspolitik und den steigenden Kundenanforderungen in Zeiten der Digitalisierung. Dafür gibt es neuerdings auch eine App, auf der der Kunde all seine Finanzgeschäfte bündeln kann, also auch Versicherungen und Girokonten bei anderen Häusern. „Der Markt verteilt sich über diese App womöglich in einigen Jahren neu“, hofft Vorstandschef Botermann.

Aber auch an einem ganz anderen Ende des Lebensversicherungsgeschäftes will er mitspielen. Von den knapp 90 am deutschen Markt vertretenen Gesellschaften denken inzwischen immer mehr darüber nach, ihre Altbestände an sogenannten Run-Off-Gesellschaften auszulagern und wegen des schwierigen Marktes kein Neugeschäft mehr zu beginnen.

So war es beispielsweise bei der Düsseldorfer Arag. Deren Mitarbeiter verkaufen inzwischen Lebensversicherungen der Alten Leipziger – und zwar ganz offiziell auch mit deren Logo. „Wir haben auch schon mit zwei weiteren Gesellschaften gesprochen, wobei diese Gespräche natürlich auch noch scheitern könnten“, sagt Botermann zum aktuellen Stand.

Fakt ist jedoch, dass im Vertrieb plötzlich viele Mitarbeiter ohne das Angebot einer Lebensversicherung dastehen, wenn ihre Gesellschaft das Geschäft damit einstellt. Wenn dann die Möglichkeit besteht, offiziell die Produkte einer anderen Gesellschaft anzubieten, stößt das natürlich auf offene Ohren.
Im zweiten Standbein des Konzerns, der Halleschen Krankenversicherung, ist der Wandel ebenfalls nicht zu übersehen. Nach schweren Jahren seit 2013 mit zum Teil einer Halbierung der Neugeschäftsbeiträge ging es im abgelaufenen Jahr wieder deutlich bergauf. Bei 3,8 Millionen Euro lagen diese – nach lediglich 2,4 Millionen Euro im Jahr 2015. Zum einen waren Zahnzusatzversicherungen stark gefragt, zum anderen sind in diesem Bereich gerade die Online-Abschlüsse gewachsen.

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