Versicherungsombudsmann Klagen gegen VW nach Druck durch Streitschlichter bezahlt

Jedes Jahr prasselt auf den Versicherungsombudsmann eine Vielzahl von Beschwerden ein. In knapp der Hälfte der Fälle kann der Streitschlichter auch etwas für den Verbraucher herausholen – etwa im Streit mit VW.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Beim Versicherungsombudsmann gingen im vergangenen Jahr allein 200 Beschwerden gegen Rechtsschutzversicherer wegen VW ein. Quelle: dpa

Berlin Wenn die Arbeit des Versicherungsombudsmanns mal verfilmt werden sollte, böte sich der Titel „Mitten im Leben“ an. Denn auch im vergangenen Jahr beschäftigte sich die außergerichtliche Streitschlichtungsstelle der Versicherungswirtschaft mit einer Vielzahl von Beschwerden. Sie erlauben einen guten Einblick in die Sorgen und Nöte von Versicherungskunden in Deutschland. Seinen Ursprung hat der Name „Ombud“ übrigens im skandinavischen Sprachraum und bedeutet sinngemäß Treuhänder.

Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der zulässigen Beschwerden um 6,2 Prozent (Vorjahr 7,7 Prozent) auf 14.659 und erreichte damit den bislang höchsten Stand seit Gründung der Institution Versicherungsombudsmann vor 15 Jahren. Der Löwenanteil der Beschwerden entfiel auf Rechtsschutzversicherungen (26,2 Prozent) und Lebensversicherungen (25 Prozent).

Vom Skandal um die VW-Abgas-Manipulationen blieb der Ombudsmann nicht verschont. Allein 200 Beschwerden gegen Rechtsschutzversicherer gingen wegen VW ein. So wollten die Kunden ihren Kaufvertrag rückabwickeln und gaben sich mit den vom Konzern zugesagten Nachbesserungen nicht zufrieden. Die Rechtsschutzversicherer lehnten eine Deckung des Rechtsstreits wegen geringer Erfolgsaussichten ab. Da einige Gerichte jedoch zwischenzeitlich zugunsten von Verbrauchern entschieden, hatten die Versicherer ein Einsehen. „Sämtliche Beschwerden konnten beendet werden“, sagte der Ombudsmann Günter Hirsch am Dienstag in Berlin. Guter Wille ist dabei Voraussetzung: „Hier wird kein Kampf ums Recht geführt, wir streben eine gütliche Einigung an“, beschreibt der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofes die Praxis.

Das gelingt häufig: Aus gesundheitlichen Gründen musste ein Versicherungsnehmer aus seinem Reihenaus ausziehen. Der Sohn des Versicherungsnehmers zeigte dem Gebäudeversicherer den Leerstand an und unterrichtete ihn von der Absicht, das Haus zu verkaufen. Wasserführende Leitungen hatte er entleert, die Frischwasserzufuhr abgesperrt. Daraufhin schloss der Versicherer das Leitungswasserrisiko aus, erhöhte den Beitrag aber gleichwohl um 50 Prozent mit Verweis auf erhöhte Gefahren durch den Leerstand. Daraufhin beschwerte sich der Sohn. Da es sich bei der Immobilie um ein Reihenmittelhaus in einem Wohngebiet handelte, waren die erhöhten Gefahren nicht wirklich nachzuweisen. Der Versicherer hatte ein Einsehen.

Knapp 14.200 Beschwerden gegen Versicherungsunternehmen beendete der Ombudsmann 2016. Dabei hatten 46,9 Prozent (Vorjahr 44,3 Prozent) der Beschwerden Erfolg, sofern sie nicht die Lebensversicherung betrafen. Beschwerden aus der Lebensversicherung haben eine geringere Erfolgsquote, da sie sich häufig auf Standmitteilungen, die Höhe der Überschüsse oder gegen Ablaufleistungen richten. Im vergangenen Jahr lag sie bei 23,2 Prozent.

In einem Fall beschwerte sich ein Versicherungsnehmer, weil sein Versicherer sich weigerte, die Lebensversicherung auszuzahlen. Er gab sich als „Reichsbürger“ aus, der sich also als Angehöriger des Deutschen Reiches nach dem Staatsangehörigkeitsgesetzes aus dem Jahr 1913 sieht. Er begründete den Wunsch nach Auflösung mit einem bevorstehenden Crash des Finanzsystems, auf den eine Hyperinflation folgen würde. Zuvor verlangte er, den Gegenwert seiner Versicherung als Feingold in einem Safe für ihn zu hinterlegen.

Der Versicherungsombudsmann musste ihn allerdings darauf hinweisen, dass der Versicherungsnehmer 2005 selbst die Nutzung des wirtschaftlichen Wertes der Versicherung vor Vollendung des 60. Lebensjahres unwiderruflich ausgeschlossen hatte. Gründe, diese Erklärung anzufechten, seien nicht ersichtlich. „Ihre Befürchtung einer Geldentwertung gibt Ihnen kein Recht zur außerordentlichen Kündigung“, beschied der Ombudsmann dem „Reichsbürger“.

Der Versicherungsombudsmann ist eine privat organisierte Schlichtungsstelle. Mitgliedsunternehmen finanzieren die Schlichtungsstelle durch Beiträge und Fallpauschalen. Die Aufwendungen beliefen sich 2016 auf 3,8 Millionen Euro. Der Versicherungsombudsmann ist für Beschwerden bis zu einem Streitwert von 100.000 Euro zuständig. Seine Entscheidungen sind bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro für die Versicherungsunternehmen verbindlich. Mehr als 95 Prozent der Versicherer im Privatkundenbereich akzeptieren dieses „Regime“. Der ADAC gehört beispielsweise nicht dazu. Dem Versicherungsnehmer bleibt unbenommen, auch den Rechtsweg zu beschreiten.

„Verbraucherschlichtung ist ein einfacher, schneller und risikoloser Weg für Verbraucher, ihre Rechte gegenüber Unternehmen geltend zu machen“, urteilt Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium. Und auch die Versicherungswirtschaft sieht die Streitschlichtung als „Gewinn für die Unternehmen und unsere Kunden“, so der Präsident des Branchenverbands GDV, Alexander Erdland. Zur Akzeptanz trägt auch bei, dass die Schlichtungsstelle nie etwas über die Identität der Beschwerdeparteien verlauten lässt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%