Versicherungspolicen Der überschätzte Schutz vor Berufsunfähigkeit

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Wettbewerb über den Preis

Wie Versicherungen ihre Vertreter heiß machen
Vorher: "Kein Unterschied mehr?"Der Finanzvertrieb MLP ist beim Thema Unisex auf allen Kanälen präsent. Wer lieber etwas in der Hand hält, bekommt die Kundenzeitschrift "Forum MLP". Wer dagegen lieber im Internet surft, kann dem Titel-Modell am Computer sogar live mit der Maus die Augen öffnen... (siehe letztes Bild)Bildquelle: Internetausgabe der Kundenzeitschrift "Forum MLP" Quelle: Handelsblatt Online
Warum werden Unisex-Tarife Ende 2012 überhaupt eingeführt? Grundlage ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 01.03.2011, das geschlechtsabhängige Tarife als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsprinzip ansieht, erklärt der Versicherer Gothaer.Bildquelle: FAQ Unisex in der Krankenversicherung der Gothaer. Sicherheit für Berater „Wird die Versicherung mit Unisex teurer für mich? Soll ich noch schnell eine Versicherung abschließen? Soll ich meinen dringend benötigten Versicherungsschutz noch bis nächstes Jahr hinausschieben?“ Das seien die Fragen, die sich der Verbraucher angesichts der Einführung der Unisex-Tarife aktuell stelle, stellt die Gothaer in einer Pressemitteilung fest. Nichts überstürzen, sondern ganz genau prüfen, welche Policen für wen günstiger werden und welche teurer werden, warne der Verbraucherschutz. Doch wie soll der Berater dies für seine Kunden prüfen, wenn ihm eine konkrete Vergleichbarkeit von Angeboten nicht ermöglicht wird? Die Gothaer Leben biete daher den konkreten und individuellen Angebotsvergleich. Die Sicherheit, den richtigen Tarif empfohlen zu haben, erhalte der Berater nur, wenn er die Angebote angemessen prüfen und vergleichen kann. Deshalb biete die Gothaer Lebensversicherung ihren Maklern und Vermittlern schon heute die Möglichkeit, die neuen Unisex-Tarife mit den jetzigen Bisex-Tarifen zu vergleichen. Quelle: Handelsblatt Online
Musterschreiben für VermittlerDer Maklerservice Fondsfinanz hilft vielen der mehr als 200.000 Versicherungsvermittlern bei der Vorbereitung auf den Jahresschlussverkauf rund um Unisex. Um Kunden gezielt anzusprechen, müssen Vermittler vor allem wissen, in welchen Versicherungsbereichen sich durch die neuen Unisex-Regeln etwas für Mann oder Frau verändert. Als Hintergrundinformation nimmt der Maklerservice dabei auch gerne die Berechnungen der Stiftung Warentest. Fondsfinanz stellt Vermittlern zudem Musteranschreiben zur Verfügung:. "Wir haben eine Version für Frauen und eine für Männer erarbeitet, die Sie sofort an Ihre Kunden verschicken können. Laden Sie die gewünschte Datei herunter – Sie müssen nur noch Ihren Briefkopf einfügen und können die Anschreiben sofort versenden."Bildquelle: Vertriebshilfen des Service-Anbieters Fondsfinanz Quelle: Handelsblatt Online
Helden gesuchtDie Stuttgarter Lebensversicherung konzentriert sich in ihrer Werbung auf Männer. Die "Helden" sollen sich am besten sofort noch die Beitragsvorteile sichern, die sie in der neuen Unisex-Welt bei Rentenversicherungen verlieren. Verbraucherschützer warnen allerdings, nicht nur auf vermeintliche Ersparnisse zu schauen, sondern auch darauf, ob man eine bestimmte Versicherung tatsächlich braucht. Bildquelle: Flyer der Stuttgarter Quelle: Handelsblatt Online
"Männer, wollt ihr wirklich die Gleichberechtigung?... so fragt der Versicherer BBV in einem Flyer, den Vermittler mit dem eigenen Stempel verteilen können. Die Idee: die Urinstinkte der Männer wecken und durch Witzigkeit auffallen. Bildquelle: Flyer der BBV Quelle: Handelsblatt Online
Die alte KollektionDer Branchenführer Allianz stellt die Beitragsvorteile zwischen alter und neuer Versicherungswelt heraus. So lohnt sich etwa für Frauen, noch eine Risiko-Lebensversicherung abzuschließen - wenn sie noch keine haben. Das ist ein Produkt, das auch Verbraucherschützer als sinnvoll empfehlen. Der Grund: Der Beitragsvorteil für die "aktuelle Kollektion" könne bis zum 20. Dezember zwischen 30 und 55 Prozent liegen. Quelle: Handelsblatt Online
GewinnerinFrauen könnten gar nicht früh genug mit der Vorsorge anfangen, wirbt die Stuttgarter in einem Flyer, der sich an das weibliche Geschlecht richtet. Zum Thema Unisex beschränkt sich der Versicherer allerdings auf den Hinweis, dass Frauen von den neuen Unisex-Tarifen profitieren. Vielleicht kommt die Werbe-Botschaft des Versicherers bei diesem Bild auch bei so manchem Mann an. Bildquelle: Flyer der Stuttgarter Quelle: Handelsblatt Online

Eine BU-Police ist ein reiner Risikoschutz. Ein Kapitalstock für den Versicherten wird nicht gebildet, die Beiträge dienen der gesamten Versichertengemeinschaft. Die Höhe der monatlichen Prämie hängt dabei von vielen Faktoren ab: der Höhe der angestrebten BU-Rente, dem Alter und den gesundheitlichen Risiken des Versicherungsnehmers sowie den Leistungsmerkmalen des Tarifs. Zudem kalkulieren die Versicherungen die Beitragshöhe auch nach den Schadensfallwahrscheinlichkeiten all ihrer Kunden.

Versicherungen, die vor allem Akademiker oder kaufmännische Berufe versichern, können Kostenvorteile in Form günstigerer Tarife an neue Versicherte weitergeben. Sind viele der besonders gefährdeten handwerklichen Berufe in der Versichertengemeinschaft, wird es für die Assekuranz teuer. „Die Bedingungen der Berufsunfähigkeitsversicherungen sind im Wesentlichen festgeschrieben. Der Wettbewerb der Versicherer findet hier weniger über die Leistungen, sondern mehr über den Preis statt", resümiert Huber vom Bund der Versicherten.

Hinzu kommt, dass längst nicht jeder, der sie braucht, auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung bekommt. Wer in die Gruppe mit hohem BU-Risiko fällt und vielleicht auch schon Vorerkrankungen angeben muss, erhält unter Umständen eine Ablehnung von der Versicherung. Untersuchungen haben ergeben, dass zwischen einem Viertel und einem Drittel der Anträge auf BU-Schutz von den Versicherungskonzernen abgelehnt werden. „Den Berufsunfähigkeitsschutz aus der gesetzlichen Rentenversicherung herauszunehmen war ein Fehler. Damit hat der Bund das Solidaritätsprinzip aufgekündigt. Heute sehen wir, dass viele Versicherte durch das Raster fallen, etwa weil sie einen riskanten Beruf ausüben, aber keine Versicherung zu tragbaren Konditionen bekommen“, bemängelt Huber.

In vielen anderen Fällen ist der BU-Schutz einfach teuer. Wer wie von vielen Beratern empfohlen 70 bis 80 Prozent seines bisherigen Nettoeinkommens im Fall der Fälle als BU-Rente beziehen will, gesundheitliche Vorbelastungen hat und gut verdient, zahlt monatlich schnell einen dreistelligen Betrag für seinen BU-Schutz - und bekommt, wenn alles gut geht und keine Berufsunfähigkeit eintritt, nichts.

Aber selbst, wenn der schlimmste Schadenfall eintritt und der Versicherte bereits in vergleichsweise jungen Jahren bis zur Rente seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist der Bezug der Versicherungsleistung in voller Höhe noch keine ausgemachte Sache. „Die Leistung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung abzurufen, stellt in der Tat ein gewichtiges Problem dar. Die Schadensquoten der Versicherer sind sehr niedrig", konstatiert Huber. Nach Angaben des Branchendienstes Map-Report wurde 2011 bei jedem 300sten Vertrag im Bestand der Versicherungen ein Antrag auf eine BU-Rente gestellt, aber nur für jeden 400sten Vertrag bewilligt.

Die häufigsten Gründe für eine Verweigerung der Versicherungsleistung sind Falschangaben bei den Gesundheitsfragen beim Abschluss der Police (23 Prozent der Fälle), eine Berufsunfähigkeit unterhalb der Hürde von 50 Prozent (28 Prozent der Fälle) sowie die fehlende Rückmeldung des Versicherten nach Zusendung der Antragsformulare (32 Prozent der Fälle). Im letzten Beispiel vermutet der Bund der Versicherten eine Überforderung der Versicherungsnehmer angesichts des 20-seitigen Formularstapels. Eine neutrale Beratungsstelle, wie es sie etwa für Patienten gibt, fehlt im Bereich der Berufsunfähigkeit bislang.

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