Vorsorge Wie die Krankenkassen auf Betriebsrenten und Kapitaleinkünfte zugreifen

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Freiwillige vor

Aus dem Schneider sind dagegen Arbeitnehmer. Bei ihnen fallen Mieten und Zinsen nicht ins Gewicht. Bei Pflichtversicherten, die weniger als 4125 Euro brutto pro Monat verdienen, erhebt die Kasse für Mieten und Kapitaleinkünfte keine Beiträge – nur das Arbeitseinkommen zählt.

Wer als Arbeitnehmer freiwillig Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist, weil sein Gehalt über 4125 Euro und damit über der für den Kassenbeitrag relevanten Grenze von 3712,50 Euro liegt, bleibt ebenfalls verschont.

Anders sieht es bei Rentnern aus. Für Betriebsrenten gilt der volle Beitragssatz von derzeit 15,5 Prozent; egal, ob der Betroffene pflichtversichert oder freiwillig versichert ist. Etwa 4,2 Millionen Rentner beziehen derzeit eine Zusatzrente von privaten oder öffentlichen Arbeitgebern.

Wer sich seine Betriebsrente als Einmalbetrag auszahlen lässt, muss seine zusätzlichen Kassenbeiträge über zehn Jahre abstottern. Der Rentner, der gegen die Techniker Krankenkasse klagte, hatte 2004 einen Einmalbetrag von 67 443 Euro aus einer betrieblichen Lebensversicherung erhalten. Er hätte bei einem Beitragssatz von damals 13,7 Prozent zehn Jahre lang 77 Euro pro Monat zusätzlich an die Kasse zahlen müssen.

Nachspiel für Rentner

Bei Mieteinnahmen und Kapitaleinkünften dagegen unterscheiden die Kassen zwischen freiwillig und pflichtversicherten Rentnern. Dabei gilt der jeweilige Status als Kassenmitglied aus dem Erwerbsleben nicht immer auch für den Ruhestand:

Bei einem Erwerbstätigen, der freiwillig versichert war, prüft die Kasse, ob er in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens in mindestens 90 Prozent der Beitragsjahre in der GKV war. Wenn ja, gilt er als pflichtversichert; wenn nein, als freiwillig versichert.Wer zum Beispiel 36 Jahre lang erwerbstätig und in den 18 Jahren vor seinem Ruhestand 17 Jahre lang in der GKV war, ist damit als Rentner pflichtversichert. Seine Mieteinnahmen und Kapitaleinkünfte bleiben verschont.War ein Arbeitnehmer in den 18 Jahren vor seinem Ruhestand zum Beispiel nur zwölf Jahre lang freiwillig in der GKV, bleibt er als Rentner freiwillig versichert. Die Kasse langt bei Mieteinnahmen und Kapitaleinkünften voll zu. Betroffen sein dürften bis zu 850 000 Rentner, zum Beispiel Selbstständige, die ihr Geschäft aufgegeben haben und als Arbeitnehmer wieder in die GKV gewechselt sind.Freiwillig versicherte Selbstständige, die nicht ins Arbeitnehmerlager gewechselt sind, bleiben als Rentner freiwillig versichert. Sie müssen für Mieteinnahmen und Kapitaleinkünfte Beiträge zahlen.

Für alle Rentner, egal, ob pflichtversichert oder freiwillig, gilt wie bei Erwerbstätigen die Beitragsbemessungsgrenze von 3712,50 Euro.

Übertragen statt zahlen

Wer verhindern will, dass er auf Mieten oder Zinsen Kassenbeiträge zahlt, kann Immobilien und Geldvermögen auf einen pflicht- oder privat versicherten Ehepartner oder auf Kinder übertragen. „Diese Hintertür könnte das Bundesverfassungsgericht aber wieder schließen“, warnt Anwalt Bodenstaff. Er rechnet damit, dass die Benachteiligung von freiwillig versicherten Rentnern künftig aufgehoben wird – aber nicht, indem deren Geld- und Immobilienvermögen verschont wird, sondern indem in Zukunft alle Rentner für Kapitaleinkünfte und Mieteinnahmen zahlen müssten, also auch pflichtversicherte.

Wer Vermögen hat und überlegt, ob er sich freiwillig gesetzlich oder doch privat versichern will, sollte dieses Argument berücksichtigen. Jeder, der mindestens zwölf Monate lang mehr als 4125 Euro monatlich verdient, kann von der GKV in eine private Versicherung wechseln.

Mieteinnahmen und Kapitaleinkünfte helfen aber nicht, um über diese Hürde zu springen. Hier zählt – das verstehe, wer will – allein das Arbeitseinkommen.

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