Wichtige Versicherung Die besten Policen gegen Berufsunfähigkeit

Schutz bei Berufsunfähigkeit ist so wichtig wie kaum eine andere Police. Wie Sie die besten Tarife finden, was die kosten – und wie Sie sich wehren, wenn Versicherer mauern.

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Die gefährlichsten Berufe
Extreme UnterschiedeWer den falschen Beruf ausübt, muss beim Versicherungsschutz mehr bezahlen. Für Handelsblatt Online hat das Analysehaus Morgen & Morgen (M&M) analysiert, wo die Beiträge steigen und wer weniger zahlen muss. Die gute Nachricht zuerst: Für die meisten Berufsgruppen wurde der Schutz günstiger. Von den 145 Berufen stellte M&M nur bei 30 Berufen eine Verteuerung fest. Die Analyse zeigt vor allem, dass „gute“ Risiken, also Berufe mit einer niedrigen Berufsunfähigkeitswahrscheinlichkeit überproportional profitieren. Quelle: dpa
Platz 10: ErgotherapeutEin Ergotherapeut muss einen unmittelbaren und persönlichen Kontakt zu seinen Patienten bilden. Seine Aufgabe ist es sie in ihrem Alltag zu unterstützen, um ihre Handlungsfähigkeit zu vergrößern und somit ihre Lebensqualität zu verbessern. Laut Morgen & Morgen überwiegen die "schlechten" Risiken, was einen Beitragsanstieg zur Folge hat. Quelle: Reuters
Platz 9: PflastererDer Beruf des Pflasterers wird überwiegend von Männern ausgeübt. Kein Wunder, denn die körperlichen Belastungen in diesem Beruf sind erheblich. Die hohen Beitrage zur Berufsunfähigkeitsversicherung verwundern ebenfalls nicht. Eine Baustelle birgt viele Risiken. Quelle: dpa
Platz 8: EstrichlegerAuch der Beruf des Estrichleger wird überwiegend von Männern ausgeübt. Die ungesunde Arbeitshaltung kann Gelenk- und Wirbelsäulenschäden verursachen und so zu einer verfrühten Berufsunfähigkeit führen. Im Ranking von Morgen & Morgen kommt der Estrichleger auf Platz acht der Berufe mit dem höchsten Beitragsanstiegen. Quelle: dpa
Platz 7: RangierbegleiterDer überwiegend im Bahnbetrieb ausgeübte Job verlangt ebenfalls körperliche Belastungsfähigkeit. Außerdem stellt der Arbeitsplatz spezielle Risiken dar. Auf den Gleisen neben fahrenden Zügen darf sich der Rangierbegleiter keine Unaufmerksamkeit erlauben. Quelle: dpa
Platz 6: ReinigungskraftDie Reinigungskraft kommt auf den sechsten Platz. Auch in dieser Tätigkeit ist die körperliche Belastung hoch. Jedoch wird der Beruf der Reinigungskraft vorwiegend von Frauen ausgeübt. Quelle: ap
Platz 5: GleisbauerWie der Rangierbegleiter stellt auch der Arbeitsplatz des Gleisbauers Risiken dar. Trotz signalfarbener Arbeitskleidung kann es schnell zu brenzligen Situationen mit fahrenden Zügen kommen. Auch das Montieren der schweren Gleise birgt Gefahren. Quelle: ZB

Mit ausdruckslosem Gesicht erzählt Jan Grube* seine Geschichte: Rücken kaputt, Depression, Zusammenbruch. 2010 lässt sich der Besitzer eines Waffengeschäfts krankschreiben, die Versicherung zahlt Krankentagegeld. Sie schickt ihn zum Arzt. Diagnose: berufsunfähig. Zum Glück hat Grube vorgesorgt.

Die Beiträge für die Rentenversicherung soll bei Berufsunfähigkeit Versicherer Ergo übernehmen. Der zahlt anstandslos. Doch Swiss Life und Gothaer, von denen Grube monatlich immerhin 4.370 Euro Rente erwartet, stellen sich quer.

Für Grube beginnt ein über dreijähriger Kampf, bis er seine Rente bekommt. Ärzte bestätigen die Berufsunfähigkeit, Gutachter der Versicherer halten dagegen. Mal fehlt diese Unterlage, dann jene.

Um keine Police streiten Kunden häufiger mit ihrer Assekuranz als um die Berufsunfähigkeit. Kein Wunder – geht es doch um hohe Summen, und das über Jahre.

Allein: Eine Versicherung, die einspringt, wenn Menschen ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen können, ist unerlässlich. „Berufsunfähigkeit ist für die meisten Menschen existenzgefährdend“, weiß Versicherungsberater Marco Krieter. Laut Rentenstatistik scheidet einer von vier Arbeitnehmern aus dem Erwerbsleben aus, bevor er das Rentenalter erreicht. Krieter schätzt, dass jeder zehnte berufsunfähig wird. Aktuell sichert sich nur ein knappes Drittel der Haushalte ab – zu wenig.

Die besten Tarife für Selbstständige, Angestellte, Beamte und Studenten

Wer Streit vermeiden will, braucht die richtige Versicherung. Die gute Nachricht: Problemen kann man schon bei Abschluss aus dem Weg gehen. Es gibt keine Definition, wann einer berufsunfähig ist. Ob der Versicherer zahlen muss, steht im Vertrag.

Die WirtschaftsWoche hat daher mit dem unabhängigen Analysehaus Softfair Tarife von 31 Versicherern durchleuchtet. Beurteilt wurden nur eigenständige und keine Zusatzversicherungen, die an einen anderen Vertrag gekoppelt sind. Nur wer den separaten Vertrag hat, kann in der Notlage etwa die Leben-Police auflösen, ohne die Berufsunfähigkeitsrente zu gefährden.

Und weil die Versicherung höchst individuell ist, sollte jeder vor Abschluss Kriterien definieren, die sein Tarif haben soll. Beamte etwa bekommen Dienstunfähigkeitspension, da reicht eine kleine Police.

Eine Vertragsklausel, die oft Ärger macht, ist die „abstrakte Verweisung“. Sie erlaubt, dass der Versicherer Kunden darauf verweist, dass er einen anderen Beruf annehmen soll. Wer als Bäcker eine Mehl-allergie erleidet, könnte Kassierer werden. Die Redaktion hat daher nur Tarife berücksichtigt, die auf die Verweisung verzichten.

Familienvater Grube hätte ein solcher Tarif viel Ärger erspart. Ein orthopädisches Gutachten bestätigte zwar, dass Grube spätestens seit Oktober 2011 zu 30 Prozent beeinträchtigt war. Und laut Vertrag sollte Swiss Life schon ab 25 Prozent zahlen. Doch der Versicherer sperrte sich mit der Begründung, dass Grube mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen „eine andere berufliche Tätigkeit“ wie die eines Wachmanns verrichten könne.

Verhängnisvolle Verweisung

Ein Wachmann, der kaum laufen kann? Eine Tätigkeit etwa im Objektschutz sei möglich gewesen, so Swiss Life in einer Stellungnahme, da oft „lediglich ein Überwachungsraum zu besetzen“ sei. 2013 schrieb der Versicherer Grube, dass es nicht darauf ankomme, ob ein Arbeitsplatz vorhanden sei.

Der Arbeitsmarkt sei schließlich „nicht Gegenstand“ der Versicherung. Swiss Life konnte sich nonchalant auf die Versicherungsbedingungen berufen. Grube hat unterschrieben, dass Berufsunfähigkeit erst vorliege, wenn er auch außerstande sei „eine andere Tätigkeit auszuüben“ – eine klassische abstrakte Verweisung.

Viel Leistung kostet viel?

Ebenfalls wichtig ist es, wenn der Versicherer nicht prüfen darf, ob der Kunde in früheren Berufen arbeiten kann. Wer kürzlich den Beruf gewechselt hat, könnte sonst im alten Beruf arbeiten müssen. „Um das auszuschließen, muss der Versicherer im Vertrag zusichern, dass nur der zuletzt ausgeübte Beruf geprüft wird“, sagt Softfair-Geschäftsführer Christoph Dittrich.

Während seines Kampfs mit den Versicherern lebt Grube vom Erbe und zwei aufgelösten Leben-Policen. Doch selbst, wenn der Versicherer keine Probleme macht, kann es dauern, bis Geld fließt. Rente gibt es oft erst, wenn der Kunde seinen Beruf ein halbes Jahr nicht voll ausüben kann. Wichtig ist dann, dass der Versicherer rückwirkend zahlt – und das im Vertrag steht.

Ursachen für die Berufsunfähigkeit. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Wer zahlt wie viel?

Doch viel Leistung kostet viel. Die Redaktion hat daher auch das Preis-Leistungs-Verhältnis berechnet. Grundsätzlich gilt: Das Ergebnis der Auswertung bietet nur Anhaltspunkte. Der Beitrag hängt von vielen Kriterien ab: Raucher zahlen laut Dittrich von Softfair bis zu 20 Prozent mehr.

Zu den Risikomerkmalen, die zu höheren Prämien führen, zählt er körperliche oder gefährliche Arbeit, etwa die eines Dachdeckers oder Kfz-Mechanikers. Hat der aber Personalverantwortung, drückt es die Prämie. „Der Kfz-Meister, der wegen seiner Mitarbeiter kaum noch selbst unter der Hebebühne steht, zahlt oft weniger“, so Dittrich.

Akkord- oder Schichtarbeit und gefahrenträchtige Hobbys wie Motorradfahren oder Tauchen heben die Prämie oft. Billiger wird es, wenn der Kunde studiert hat oder er überwiegend kaufmännisch arbeitet.

Entscheidend für den Beitrag ist auch das Einstiegsalter, günstig wird es etwa für Studenten.

Faustformel: Je jünger jemand ist, desto weniger Vorerkrankungen hat er, desto geringer ist das Risiko für den Versicherer, desto günstiger sein Beitrag.

Wer schon in jungen Jahren eine Police abschließt, sollte auf die Nachversicherungsgarantie achten. Sie erlaubt es, die Höhe der Rente ohne neue Gesundheitsprüfung anzupassen. Ereignisse, zu denen man die versicherte Rente aufstocken kann, sind vertraglich geregelt.

Dazu gehören beispielsweise: Hauskauf (Kreditraten bleiben finanzierbar), Nachwuchs (der Geldbedarf steigt), Tod des Partners (damit man Kinder auch alleine versorgen kann).

Die wichtigsten Fragen zur Berufsunfähigkeitsversicherung

Wer Beiträge jährlich zahlt, spart

Wer sparen muss, könnte Schutz bis zum 60. Lebensjahr mit Leistungsdauer bis 67 vereinbaren. Nur im Notfall sollte man die Vertragslaufzeit auf 60 Jahre begrenzen, denn wer sonst mit 61 berufsunfähig wird, muss die Zeit bis zur staatlichen oder privaten Rente überbrücken – und dafür sein für die späteren Jahre Gespartes ausgeben.

Wer Beiträge jährlich zahlt, spart: Versicherer kassieren sonst Ratenzuschlag. Billiger wird es, wenn Versicherte keine übertrieben hohe Rente absichern. Als Faustformel für den Normalfall hat Berater Krieter festgelegt, dass drei Viertel des Nettoeinkommens abgesichert sind, mindestens aber 1.000 Euro. „Darunter bleibt einem der Gang zum Sozialamt nicht erspart, die Police wäre sinnlos“, sagt Krieter.

Bedenklich: Im Schnitt haben Deutsche monatlich nur 644 Euro versichert. Das reicht nicht: Grube etwa zahlt im Monat allein 600 Euro für die Krankenversicherung. Hinzu kommt, dass der Selbstständige seine private Rente neu aufbauen muss: „Ich musste zwei große Verträge für den Kampf mit den Versicherungen kündigen, die für meine Altersvorsorge gedacht waren. Es wäre alles nicht so extrem geworden, wenn die Versicherer früher geleistet hätten“, sagt Grube. Selbstständige zahlen nicht ins staatliche Rentensystem ein und brauchen daher meist höhere Policen als Angestellte.

Ein Martyrium

„Mein Laden lebt und stirbt mit meiner Hände Arbeit“, sagt Grube. Er hat den Waffenladen seines Vaters übernommen, später repariert er auch Boote. 70-Stunden-Wochen seien Usus gewesen. Gesundheitliche Probleme nahmen zu; doch einen Arbeitgeber, der zahlt, wenn er krank wird, gab es ja nicht. Um seine Familie über Wasser zu halten, arbeitete er weiter. „Raubbau an meiner Gesundheit“, sagt er heute.

70 Prozent bekommen Rente

Die Gothaer schickt Grube Spezialisten zur Betriebsbesichtigung. Heraus kommt ein dicker Bericht – aber keine Rente. Der Versicherer sieht, dass er 40 Stunden lang arbeitet. Ob er dabei Schmerzen hat, interessiert nicht. Stattdessen schlägt der Anwalt der Gothaer 2011 vor, Grube solle den Betrieb umorganisieren.

Er könne „die Tätigkeiten seiner Mutter“ übernehmen, um sich „ein 50 % übersteigendes ausreichendes Betätigungsfeld im eigenen Betrieb zu verschaffen“. Bei der Gothaer bekäme er Rente ab 50 Prozent Berufsunfähigkeit.

Umorganisation – Versicherer verlangen viel von Kunden mit eigenem Betrieb. Bei Grube hilft die Mutter – wenn er Boote repariert, hält sie die Kunden mit Kaffee bei Laune oder verkauft Munition. Allein davon aber könne er nicht leben, sagt Grube.

Versicherer akzeptieren laut Branchenverband GDV 70 Prozent der Rentenanträge. Ansonsten seien Ansprüche unberechtigt, Kunden meldeten sich nicht mehr, oder der Versicherer trete zurück, weil der Kunde Pflichten verletzt habe.

Wer Geld will, muss beweisen, dass er krank ist. Nur weil der Hausarzt ein Attest mit 70 Prozent Berufsunfähigkeit schreibt, gibt es kein Bares. Viele Betroffene scheitern schon daran, den Antrag richtig auszufüllen. Da wird der Beruf falsch geschildert, Abläufe stimmen nicht.

Nur wenige werden von heute auf morgen berufsunfähig. Meist ist es ein Martyrium. Auf Fehlzeiten im Job folgt eine OP, darauf die Reha – wann war man krank, ab wann berufsunfähig? Versicherer schütten Kunden mit Formularen zu. „Da muss so viel Papier sein, dass keiner mehr durchblickt“, sagt Grube.

Versicherungsberater Krieter sieht dahinter ein System: „Die tröpfchenweise Informationsbeschaffung der Versicherer dient dazu, Kunden am langen Arm verhungern zu lassen.“ Ziel: „Versicherer wollen Kunden finanziell ausbluten lassen, wer kein Geld mehr hat, ist oft bereit, auch einen für ihn schlechten Vergleich anzunehmen“, hat Krieter immer wieder erlebt.

Alternativen zum Berufsunfähigkeitsvertrag

2011 bekam auch Grube ein Vergleichsangebot: Die Gothaer bot ihm 30.000 Euro an, um, wie der Versicherer heute sagt, „ihn von der schwierigen, persönlichen Situation zu entlasten“. Allein: Im Gegenzug sollte die Versicherung ganz gelöscht werden.

Viele Menschen, die einen Antrag stellen, werden von Versicherern ohnehin abgelehnt. Meist scheitern Anwärter an Vorerkrankungen; der Versicherer will das Risiko, dass er zahlen muss, nicht eingehen und versichert die Person nicht. Falls doch, schließt er Krankheiten aus oder nimmt eine Gefahrenzulage. Dann wird die Prämie oft so hoch, dass der Interessent abwinkt.

Alternativen zum Berufsunfähigkeitsvertrag sind nur im Notfall eine Option:

  • Erwerbsunfähigkeitsversicherung: An Geld zu kommen ist schwer. „Rente gibt es nur, wenn man nicht mehr in der Lage ist, irgendeinen Beruf länger als drei Stunden täglich auszuüben“, sagt Dittrich.
  • Dread-Disease-Versicherung: Die Police sichert nur schwere Krankheiten wie Krebs ab. Steht eine nicht im Vertrag, geht der Kunde leer aus. „Die Versicherung gleicht einem Lotteriespiel“, sagt Berater Krieter.
  • Unfallversicherung: Kaum einer wird aufgrund eines Unfalls zum Fall für die Versicherung. Die Police sollte nur abschließen, wer wirklich keine andere bekommt.

Heute läuft Grube nicht mehr ohne Krücken. Er nimmt starke Schmerzmittel. Anfang 2014 war der Medizinische Dienst bei ihm. Der 43-Jährige gilt heute als Pflegefall. Jetzt hat er es offiziell: Er ist berufsunfähig.

Gothaer und Swiss Life zahlen nun, rückwirkend leisten sie nicht. Gothaer hat gar ein neues Vergleichsangebot geschickt: Man werde „entgegenkommender Weise“ mit Swiss Life gleichziehen, hieß es im März. Damit seien „sämtliche Ansprüche“ aus dem seit Ende 2010 angemeldeten Versicherungsfall abgegolten.

„Bei Ablehnung des Angebotes“, schrieb der Anwalt, müsse Grube sich „gerichtlich durchsetzen“. Die Gothaer begründet den Vergleich damit, dass der Pflegeaufwand bei 58 Minuten am Tag liege, laut Vertrag müssten es 90 sein.

Grubes Haus steht zu diesem Zeitpunkt bereits kurz vor der Zwangsversteigerung. Geld für einen Prozess hat er nicht.

Der Familienvater hat den Vergleich unterschrieben.

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