Wie die Deutschen zu Geld stehen Nation der Geldglucken

Wie stehen die Deutschen zum Geld? Neue Umfragen zeigen, wie groß die Angst vor Armut ist und wie paradox ihr Verhalten ist. Und wie viele bereit wären, für eine Million Euro ein Jahr lang auf Sex zu verzichten.

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Hätten die Deutschen einfach so plötzlich doppelt so viel Geld, dann würden es die meisten erst einmal anlegen. Aber nicht in Aktien. Quelle: dpa

Frankfurt In Sachen Geld sind die Deutschen ängstlich und misstrauisch. Jeder zweite fürchtet sich davor, zu verarmen. Drei Viertel glauben, dass „die Banken versuchen, uns das Geld aus der Tasche zu ziehen“. Und zwei Dritteln gefällt die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens. Wobei die Hälfte der Deutschen trotz Grundeinkommens weiterarbeiten würde, wie bisher.

Die Zahlen stammen von dem Meinungsforschungsinstitut Yougov, das an diesem Montag das Buch „Wir Deutschen und das Geld“ herausbringt. Nicht nur diese Fakten vermitteln das Gefühl, dass den Deutschen das Thema Geld wichtig ist. Das Allensbach Institut fand kürzlich heraus, dass es nicht die Flüchtlinge oder die Terrorangst sind, die die Deutschen zwischen 30 und 59 Jahren am meisten beschäftigt. Die Mehrheit hält die Unterschiede zwischen Arm und Reich für das größte Problem in Deutschland.

Dabei scheint das Land bereits auf dem Weg der Besserung zu sein. Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln zeigen, dass im Zeitraum 2009 bis 2013 das reale Bruttoeinkommen der zehn Prozent mit dem niedrigsten Einkommen deutlich stärker gestiegen ist als das der anderen Einkommensgruppen.

Auch in Sachen Verarmung im Alter beruhigt das Institut. Zwar lag demnach im Jahr 2014 etwa die Hälfte der gesetzlichen Renten im Bereich des Grundsicherungsanspruchs eines Singles oder darunter. Doch die Grundsicherung sei im Alter trotzdem wesentlich seltener beansprucht worden als im Bevölkerungsdurchschnitt. Die Absicherung im Alter gelinge zumeist durch eine Kombination aus gesetzlicher Rente, privater Vorsorge und Hilfe durch den Partner.

Trotzdem: „Schulden machen uns Bauchschmerzen und Sorgen“, so Holger Geißler, Herausgeber des neuen Buches. Das ist in anderen Länder sicherlich ganz anders, wo man Konsum viel stärker auf Pump finanziert.“ Beim Thema Altersvorsorge sieht Autor Christoph Drösser eine Schere. Denn nach der Studie glauben zwar 50 Prozent, dass sie womöglich im Alter arm werden. „Aber weniger als die Hälfte zieht die Konsequenz, privat vorzusorgen. Abgesehen davon wissen die wenigsten, wie viel sie überhaupt an Rente bekommen.“


Der paradoxe Umgang mit Geld

Natürlich scheint den Menschen mehr Geld trotzdem immer besser zu sein als weniger. 59 Prozent der Deutschen glauben laut Yougov, sie wären glücklicher, wenn sie reicher wären. Um eine Million Euro zu bekommen, würde fast jeder Dritte seinen Führerschein aufgeben und 39 Prozent würden ein Jahr lang auf Sex verzichten. Dabei sind Gesundheit, Familie, Freunde und Spaß haben für mehr Menschen „die wichtigsten Dinge im Leben“ als Geld und Wohlstand.

Wie ist dieses Paradox zu erklären? Was die Menschen wirklich berührt, ist wohl nicht das Bare, sondern das, was dahintersteht. In dem neuen Buch gibt es ein Beispiel: Jemand macht sich auf den Weg zum Theater, in der Tasche eine Eintrittskarte für fünfzig Euro. Am Theater stellt er fest, dass er das Ticket verloren hat. In diesem Fall würden deutlich weniger Menschen eine neue Eintrittskarte kaufen, als wenn sie unterwegs einfach 50 Euro verloren hätten.

Ein Ergebnis des neuen Buches ist glasklar: Die Deutschen sind risikoavers. Hätten sie einfach so plötzlich doppelt so viel Geld, dann würden die meisten Deutschen es erst einmal anlegen. Aber nicht in Aktien, denn die sind vielen nicht geheuer. „Alles, was spekulativ ist, ist uns suspekt“, sagt Geißler.

Die Mehrheit der Bevölkerung legt ihr Geld – wenn überhaupt – auf dem Sparbuch an. Und das, obwohl die wenigsten glauben, dass sich das noch lohnt. Auch hier sieht Autor Drösser einen Widerspruch. „Viele sagen, sie können gut mit Geld umgehen. Gleichzeitig ist ihnen aber „die ganze Finanzwelt suspekt“.

Für Geißler ist das ein Ergebnis der Finanzkrise. „Die Bankenlandschaft hat enorm an Vertrauen eingebüßt“, sagt er. Nur 23 Prozent lassen sich bei größeren finanziellen Entscheidungen von ihrem Bankberater beraten.“ Außerdem glauben 81 Prozent, dass Investmentbanker zu viel verdienen. Ganz anders, so Geißler, sei das bei der Hausbank. „Über 70 Prozent würden wieder zu ihrer Bank gehen und sie auch weiterempfehlen.“

Auch in das Bild des konservativen Verhältnisses zu Geld passt, wo die Deutschen ihr Bargeld am liebsten lagern würden: 40 Prozent sprechen sich hier für einen Safe aus. Immerhin sechs Prozent verstecken Geld aber auch in einer Dose in der Küche und drei Prozent direkt im Kühlschrank.

Was den Autor selbst am meisten überraschte, ist, dass 75 Prozent der über 55-Jährigen noch immer Euro-Preise in D-Mark umrechnen. Und das nicht nur bei größeren Käufen, sondern auch beim Alltagseinkauf im Supermarkt. „Das sind doch Beträge, die man jeden Tag zahlt“, so Drösser, „ich hätte gedacht, dass man sich irgendwann daran gewöhnt.“

Geißler erklärt das mit Nostalgie. „Im Moment werden die Achtzigerjahre verklärt“, sagt er. „Außerdem ist das die Macht der Gewohnheit.“ Man habe in den ersten Jahren umgerechnet, dann sei daraus ein Automatismus geworden. „Eine Kritik am Euro würde ich da aber nicht herauslesen.“

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